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Matthijs De Ligt: Bayerns variabler neuer Abwehrchef

19. Juli 2022 | Spotlight | BY Victor Catalina

Spotlight | Matthijs De Ligt ist der zweite große Transfer des FC Bayern in diesem Sommer. Nach vier unruhigen Jahren bei Juventus mit vielen Umstellungen findet der Niederländer in München ein zukunftsgerichtetes Projekt vor – und einige ehemalige sowie zukünftige Teamkollegen.

De Ligt: Bayerns zweiter – und echter? – Statement-Transfer?

Noch ein paar Autogramme und Selfies, auch Fußballschuhe zum Verschenken brachte Matthijs De Ligt mit, als er am Montagnachmittag zum letzten Mal Juventus‘ Trainingsgelände verließ. Und dann ging es ab in den Jet Richtung München.

Seit Dienstagmittag ist offiziell, was sich schon seit der Einigung am Sonntag anbahnte: De Ligt wechselt für 67 Millionen Euro plus Boni zum FC Bayern. Es ist – nach Sadio Mané – der zweite Statement-Transfer des Rekordmeisters in diesem Sommer. Vielleicht sogar noch mehr als der Senegalese, da vor rund zweieinhalb Wochen Chelsea noch als Topfavorit auf eine Verpflichtung De Ligts galt und man die Blues überholen konnte wie der Audi R8 den Vauxhall Corsa.

 



 

Damit haben die Münchener ihren lange vermissten Abwehrchef gefunden. Eigentlich hatten sie ihn die ganze Zeit, zumindest auf dem Radar. Bereits 2019 wollte der Rekordmeister De Ligt aus Amsterdam verpflichten. Die Transfers von Benjamin Pavard (35 Millionen Euro) sowie Lucas Hernández (80 Millionen Euro) ließen jedoch keine weitere Investition ähnlicher Größenordnung zu. Juventus war der Nutznießer. Der Kontakt zwischen beiden Parteien sei jedoch laut übereinstimmenden Medienberichten nie abgerissen.

So verwundert es nicht, dass Sportvorstand Hasan Salihamidžić und Julian Nagelsmann nur wenig Überzeugungsarbeit leisten mussten, um De Ligt an die Säbener Straße zu holen. Es sei „ganz einfach“ gewesen, ihn zu überzeugen, so Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn im Kicker. Wie Sadio Mané habe auch der Niederländer zwei Tage überlegt und das Angebot des FC Bayern anschließend angenommen.

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Viel Unruhe, wenig Konstanz: De Ligt schließt sich Juventus zum ungünstigsten Zeitpunkt an

Für De Ligt selbst gehen vier äußerst unruhige Jahre in Turin zu Ende. Vier Jahre, so der Tenor, in denen De Ligt sein wirkliches Potential nie vollends ausschöpfen konnte und konstant unter seinen Möglichkeiten geblieben ist. Komplett von der Hand zu weisen ist das nicht. Jedoch gehört zur ganzen Wahrheit auch, dass seine Konkurrenten, Giorgio Chiellini und Leonardo Bonucci, nationale Ikonen sind und allein deshalb einen Sonderstatus genießen. Darüber hinaus befand sich Juventus‘ nationale Dominanz als De Ligt wechselte auf ihren letzten Metern. Guiseppe Marottas Wechsel zu Inter, die Renaissance Milans unter der Leitung von Paolo Maldini und Stefano Pioli. Auch Napoli konnte mit dem Coppa-Sieg unter Gennaro Gattuso ein neues Kapitel beginnen, das Luciano Spalletti mit Platz 3 in der abgelaufenen Saison sehr erfolgreich weiterschrieb. Und Lazio, das unter Simone Inzaghi der alten Dame den Blutdruck das ein oder andere Mal in die Höhe trieb, war auch noch da.

De Ligt Juventus

Photo by Marco Luzzani/Getty Images

Währenddessen herrschte bei Juventus vor allem auf sportlicher Ebene viel Unklarheit: Der Kader war größtenteils überaltert und musste dringend kernsaniert werden. Allein, auf eine Philosophie vermochte man sich nicht zu einigen. Juventus ersetzte mit De Ligts Ankunft den zwar sehr erfolgreichen aber auch extrem pragmatischen Massimiliano Allegri durch seinen spielerischen Gegenpart: Maurizio Sarri.

Nachdem auch dieser in der Champions League nicht den gewünschten Erfolg abliefern konnte und 2019/20 gegen Olympique Lyonnais (0:1, 2:1) nach Auswärtstoren ausschied, bekam mit Andrea Pirlo ein Trainer-Rookie seine Chance. Unter ihm gewann man zwar das Double aus Supercoppa und Coppa Italia, verpasste allerdings erstmals seit 2011 die Meisterschaft, sodass der Verein back to the roots ging und Allegri zurückholte. Für De Ligt selbst hieß das in allererster Linie: Umstellungen, Umstellungen, Umstellungen. Von der Raum- zur Manndeckung, von Dreier- zu Viererkette, von einem offensiven System unter Sarri und Pirlo zurück zu Allegris Pragmatikerball. Ganz nebenbei laborierte De Ligt währenddessen noch an einer Schulterverletzung und später COVID-19.

Wie De Ligt zum FC Bayern passt – und andersherum

Beim FC Bayern wird er nun einen Verein vorfinden, der in den letzten Wochen wieder mit einer Stimme sprach und sich klar dem Projekt Julian Nagelsmanns verschrieben hat. Einem offensiven Projekt, wie er es auch aus seiner Zeit bei Ajax kennt. Aber auch einem zukunftsgerichteten Projekt, in das er mit seinen noch immer lediglich 22 Jahren sehr gut passt. Mit Ryan Gravenberch und Noussair Mazraoui stehen zudem zwei seiner ehemaligen Teamkollegen aus Ajax-Zeiten im Kader.

Der FC Bayern passt zu De Ligt und De Ligt zum FC Bayern, der, so Oliver Kahn, zwar in den letzten Jahren „sehr erfolgreich“ war, aber auch zu viele Gegentore kassiert habe. Deren 81 waren es allein in den letzten beiden Saisons. Mit seiner Stärke im Zweikampf, Kopfball- und Aufbauspiel soll De Ligt die Defensive stabilisieren, kann aber auch offensiv für mehr Gefahr bei Standards sorgen, was den Münchenern zuletzt ebenfalls abging. „Er ist jemand, der gerne führt, lautstark ist“, so Kahn weiter. Und die Defensive aus dem Vorjahr erweckte den Eindruck, dass ihr mehr Führung nicht schadet.

Führen wird es ihn selbst vor seinem ersten Pflichtspiel, dem DFL-Supercup am 30. Juli in Leipzig, als erstes nach Washington D.C., wo De Ligt erstmals auf seine neuen Teamkollegen treffen wird. Am Donnerstag um 1:30 MESZ könnte für ihn schon der erste Einsatz anstehen, gegen Wayne Rooneys D.C. United. Sonntag um 1:00 MESZ findet das zweite Testspiel des Rekordmeisters statt – gegen Ex-Trainer Pep Guardiola und Manchester City. In den USA wird De Ligt aller Voraussicht nach so begrüßt werden, wie er sich aus Turin verabschiedete: Mit vielen Autogramm- und Selfiewünschen.

Photo by FILIPPO MONTEFORTE/AFP via Getty Images

Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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