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Bundesliga | Werder Bremen: Euphoriewelle – oder doch mehr? Das Streitgespräch!

14. Oktober 2022 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

Spotlight | Mit dem Sieg über die TSG Hoffenheim sprang Werder Bremen zwischenzeitlich auf einen Champions-League-Platz. Doch ist Grün-Weiß in der Lage, sich dauerhaft in dieser Saison oben zu etablieren? Das Streitgespräch.

Bremen in dieser Saison erst zweimal besiegt

Die Saison begann für Werder Bremen so turbulent, wie man es sich nur vorstellen kann. Zuerst gaben sie beim 2:2 in Wolfsburg spät zwei Zähler aus der Hand, retteten dann aber deren vier gegen den VfB Stuttgart (2:2) sowie vor allem in Dortmund (3:2) in der Nachspielzeit. Lediglich Eintracht Frankfurt (3:4) und dem FC Augsburg (0:1) musste man sich bislang geschlagen geben. Zuletzt blieben die Bremer in Leverkusen (1:1), gegen Borussia Mönchengladbach (5:1) sowie in Sinsheim (2:1) dreimal in Folge ungeschlagen. Ist Werder damit wirklich in der Lage, sich diese Saison dauerhaft oben festzusetzen?

Ja, Werder hat das Potential, sich im oberen Tabellendrittel zu etablieren

Werder ist ein eingespieltes Team, das unter Trainer Ole Werner (34) herausragend performt. Spielerisch weiß die Mannschaft zu überzeugen, ohne die ganz großen Bäume dabei ausreißen zu müssen. Es ist der simple Fußball, der Werder momentan so stark macht. Gegen den Ball mit mannorientiertem Pressing, geht es nach Ballgewinn meist mit wenigen Kontakten übers Mittelfeld in die Doppelspitze, wo das kongeniale Duo Marvin Ducksch (28) und Niclas Füllkrug (29) den Rest unter sich und den gegnerischen Verteidigern ausmachen. Vor allem Füllkrug überzeugt mit acht Toren aus neun Spielen und wird nicht ganz zu unrecht in die Nationalmannschaft geredet.



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Aber auch andere Spieler wie Romano Schmid (24), die teils immer noch unter dem Radar fliegen, performen seit Wochen auf konstant hohem Level. Werder ist weit mehr als eine One-Man-Show. Mehr noch: Nicht selten in der laufenden Spielzeit war es der eiserne Wille des Kollektivs, der noch das Ruder herumriss. So entschied man jüngst das umkämpfte Spiel in Hoffenheim in der Schlussphase für sich. Zwar musste am Ende ein umstrittener Elfmeter herhalten, dennoch spricht auch dieses Spiel für die mentale Stärke Werders, die sie beileibe nicht erst einmal in der laufenden Spielzeit bewiesen haben. Das Musterbeispiel bleibt das unvergessliche Comeback zum 3:2 in Dortmund.

Kaderstruktur, Teamchemie, Spielidee, Einsatz und hin und wieder auch das Glück des Tüchtigen – momentan fehlen dem Aufsteiger kaum Elemente, die es für nachhaltigen Erfolg braucht. Schaut man sich die Baustellen der Mannschaften an, die sich in der Tabelle hinter den Grün-Weißen anordnen, spricht ebenfalls wenig dagegen, dass Werder sich im oberen Drittel festsetzen und bis zum Ende um die europäischen Plätze mitmischen kann.

Michael Bojkov

Nein, Bremens Formkurve wird langfristig abflachen

Wenn Werder diese Saison etwas unter Beweis gestellt hat, dann ist das der eigene Hang zum Spektakel. 20 Treffer fielen in den ersten vier Begegnungen mit Bremer Beteiligung. Dass sie das Spektakel dankend angenommen haben und sich in den meisten Fällen durchzusetzen wussten, spricht für die Mentalität, die Ole Werner der Mannschaft gegeben hat. Wollen sie sich dauerhaft oben festsetzen, braucht es aber vor allem eine stabile Defensive. Bremen steht im Moment bei 14 Gegentoren – die meisten aller Mannschaften auf einem Europapokalplatz.

Bundesliga Werder Bremen Mainz 05

Photo by Selim Sudheimer/Getty Images

Es braucht die solide Abwehr, in Tateinheit mit „normalen“ Siegen. Bremen kann sich nicht allzu oft darauf verlassen, dreimal in den letzten sechs Minuten eines Spiels oder den ersten 14 zu treffen. Partien wie gegen den FC Augsburg, in denen man eigentlich nicht viel falsch macht, sich aber dennoch in Rückstand findet, wird es immer wieder geben, genauso wie solche, in denen man schlicht die zweitbeste Mannschaft auf dem Platz ist. Egal, ob das dadurch zusammenhängt, dass der Gegner wirklich zwei Nummern größer ist oder die Mannschaft an besagtem Tag nicht in Topform war.

Im Moment schwimmt Bremen auf der Euphoriewelle. Bereits in Sinsheim fing diese leicht an, abzuebben. Dank des späten Elfmeters von Niclas Füllkrug hält sich Bremen aber weiterhin oben. Mainz, die am Samstagnachmittag ins Weserstadion reisen, ist ein weiterer dieser Gatekeeper der Bundesliga, die den Ausschlag zwischen einer ordentlichen und sehr guten Saison geben können. Eigentlich eine Mannschaft, die es zu schlagen gilt. Aber gleichzeitig auch ein Team, das in der Lage ist, einem große Probleme zu bereiten, wenn man sie lässt.

Gerade in solchen Phasen wird es spannend zu sehen sein, wie Ole Werner reagiert, wenn die Mannschaften, die man eigentlich auf den Plätzen, auf denen sich Werder im Moment befindet, wie Eintracht Frankfurt oder vor allem RB Leipzig, wieder zu ihrer gewohnten Konstanz finden und dadurch in der Lage sind, Druck auszuüben. Logischerweise hat noch niemand in Bremen das E-Wort, was Saisonziele angeht, öffentlich in den Mund genommen. Wenn, dann muss man genau aufpassen, wann man es tut, um zu verhindern, dass die Mannschaft in eine Negativspirale gerät, falls sie vom Kurs abkommt. Steffen Baumgart ist vergangene Saison mit dem 1. FC Köln genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Europa-Zug aufgesprungen. Es liegt an den Bremern, ob er auch am Weserstadion hält.

Victor Catalina


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