Max Kruse | Auch in Zukunft im Zentrum der Bremer Freiheit?

13. April 2019 | Champions League | BY 90PLUS Redaktion

Spotlight | In Bremen herrschen derzeit Frühlingsgefühle: Der SV Werder hat gute Chancen, erstmals seit neun Jahren wieder ins internationale Geschäft einzuziehen. Außerdem sind die Bremer im Jahr 2019 noch ungeschlagen und haben durch die Vertragsverlängerungen von Johannes und Maximilian Eggestein wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Mitten in die Bremer Idylle drängt jedoch die Frage, ob Werder-Kapitän Max Kruse seinen Vertrag verlängert oder den Club verlässt. Was spricht für und gegen einen Verbleib des Leistungsträgers? Und wohin passt Kruse, falls er wechselt? Eine Analyse.

Schritt nach England? Unwahrscheinlich!

„Ich möchte wieder international spielen.“ ist die einzige konkrete Aussage, die Max Kruse bezüglich seiner Zukunft ab Sommer getroffen hat. Seit Wochen weicht der 31-Jährige gekonnt der Frage nach seinen weiteren Karriereplänen aus. Werder-Manager Frank Baumann äußerte sich hingegen konkreter. Er gehe davon aus, dass Kruse Werder nur für einen absoluten Topclub verlassen würde.

Wer dieser Topclub sein könnte, wird eifrig diskutiert und spekuliert. Außerhalb Deutschlands sollen Inter und die Tottenham Hotspurs am Stürmer interessiert sein. Dass Kruse nach England geht, ist bei genauerer Betrachtung jedoch unwahrscheinlich: Der 14-fache deutsche Nationalspieler dürfte mit dem körperlichen, auf Pressing ausgelegten Spiel in der Premier League enorme Schwierigkeiten bekommen. Dem Werder-Kapitän werden seit geraumer Zeit Fitnessdefizite nachgesagt. Obwohl Kruse seit November vergangenen Jahres mit dem Fitness-Coach Janis Gloeden zusammenarbeitet, scheint sein Körper nicht wirklich geeignet für die Premier League, was auch an seinem Alter von 31 Jahren liegt. 

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

In der Bundesliga könnte es Kruse Gerüchten zufolge zurück zu Borussia Mönchengladbach ziehen, Manager Max Eberl vermied zuletzt ein klares Dementi. Bereits von 2013 bis 2015 spielte der gebürtige Reinbeker für die Fohlen, erreichte in zwei Spielzeiten jeweils den Europapokal und war in 77 Pflichtspielen an 47 Treffern direkt beteiligt. Bei Kruses Ziel, international spielen zu wollen, könnte auch Eintracht Frankfurt eine Option sein. Die Eintracht mischt momentan um die Champions League Ränge mit und Kruse würde gut in das System von Trainer Adi Hütter passen. Der Österreicher gibt in seinem, derzeit praktizierten, variablen 5-3-2-System den beiden Stürmern und dem offensiven Mittelfeldspieler taktisch viele Freiheiten. Kruse wäre, gerade bei einem Abgang von einem der drei Offensivgranaten Jovic, Rebic und Haller, in diesem System ideale Anspielstation und Ballverteiler. Er lässt sich oft nach hinten fallen und spielt aus dem Zentrum heraus entscheidende Pässe auf die Stürmer und die Außenbahnen. Diese Wechselmöglichkeit Kruses wurde medial noch nicht groß ins Auge gefasst, wäre aus taktischer Sicht aber realistisch.

Sprunghafte Jahre, heimisch bei Werder

Freiheiten sind auch bei Kruses derzeitiger Situation in Bremen entscheidend, wie ein Blick auf seine Karriere zeigt: Nach drei sportlich erfolgreichen Jahren zu Beginn seiner Karriere beim FC St. Pauli spielte das Bremer Eigengewächs in vier Jahren für drei Vereine. Nach einer erfolgreichen Saison in Freiburg zog es ihn für zwei Jahre zu Borussia Mönchengladbach, wo das Team ebenfalls die sportlichen Ziele erreichte und Kruse ein Leistungsträger war. Nach zwei Jahren am Niederrhein ging der Stürmer zurück in den Norden, wo er sich dem VfL Wolfsburg anschloss. In Niedersachsen war er zwar in 43 Pflichtspielen an beachtlichen 21 Toren beteiligt, aber der Verein hing den sportlichen Erwartungen hinterher und Kruse sorgte neben dem Platz mit Taxifahrten, Discorangeleien und Pokerturnieren für Aufsehen. 

Als er im Sommer 2016 nach Bremen kam, galt er für einige schon als gescheitert. Doch bei seinem Jugendverein fand er genau das, was er brauchte: Ruhe und Vertrauen. In einem, trotz zeitweise sportlicher Schieflage, unaufgeregten Umfeld konnte er nach einem schwierigen Jahr in Wolfsburg einfach trainieren und spielen. Kruse nutzte seine Chance und führte Werder in seiner Premierensaison nach schwierigem Start aus der Abstiegszone ins sichere Mittelfeld. Bereits damals kündigte sich an, was mittlerweile entscheidend für Werders Erfolg und Kruses Rolle in der Mannschaft ist: In Mönchengladbach und in Wolfsburg war Kruse einer von vielen Leistungsträgern, in Bremen ist das System auf ihn als Schlüsselspieler und Taktgeber ausgerichtet. Unter Florian Kohfeldt ist Kruse für die Angriffsstruktur Werders verantwortlich, er ordnet das Spiel mit seinen Pässen, indem er sich aus zentraler Stürmerposition nach hinten fallen lässt. Im Spiel gegen den Ball schließt er mit kurzen Sprints viele Räume und erschwert dem Gegner das Aufbauspiel. Als Kapitän geht Kruse nicht nur auf dem Platz voran, auch neben dem Platz ist er einer der Profis, an dem sich junge Spieler orientieren können. Ein Umstand, bei den vielen jungen Talenten im Bremer Kader nicht zu unterschätzen ist. 

(Photo by Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Auch als Mensch wird Kruse in Bremen sehr geschätzt und genießt abseits des Platzes seine Freiheiten. Frank Baumann gibt ihm beispielsweise viel Zeit um seine Zukunftsentscheidung zu treffen und Florian Kohfeldt meinte, angesprochen auf Kruses Nutella-Konsum: „Ich muss mich fragen, wo lasse ich die Linien etwas weicher werden, für jemanden, der besondere Leistungen bringt.“. Der 31-Jährige genießt also gewisse Freiheiten in Bremen, was auch daran liegt, dass es einfach passt zwischen dem immer leicht trotzigen, kernigen Kruse, der mit norddeutschem Akzent stets sagt was er denkt und dem Traditionsverein, der stets unaufgeregt arbeitet und für menschliche Werte steht.

Internationales Geschäft (mit-)entscheidend

Max Kruse genießt in Bremen einen enorm hohen Stellenwert und weiß dies zu schätzen. Sein Ziel hat er für seinen wohl letzten großen Vertrag aber klar formuliert: Er möchte europäisch spielen. Qualifiziert Werder sich für Europa, wird Kruse den unaufgeregten, kontinuierlichen Bremer Weg wahrscheinlich mit- und als Leitfigur vorgehen. Schafft es Werder nicht, nächste Saison international dabei zu sein, darf man gespannt sein wo es ihn hinzieht – und ob er dort die benötigten sportlichen und menschlichen Freiheiten bekommt. Denn eines ist auch klar: Ein allzu großes sportliches Risiko kann und wird Kruse nicht eingehen.

Piet Bosse

(Photo by Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images)


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