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Bundesliga | Schalke 04: Der Fall eines Giganten

1. März 2021 | Trending | BY Victor Catalina

Was sich an diesem Wochenende rund um den FC Schalke 04 abspielte, glich auf allen Ebenen einer Kapitulation. Es ist das laute Ende eines Giganten der Bundesliga.

Schalke 04: Niedergang innerhalb von drei Jahren

Es ist noch nicht so lang her – fast drei Jahre, um genau zu sein – da war die königsblaue Welt noch in Ordnung. Mehr als das. In der Saison 2017/18 holte sich Schalke 04 die Vizemeisterschaft. Acht Punkte landete man vor dem Erzrivalen aus Dortmund. In den beiden Derbys zeigte man zuerst eine herausragende Mentalität, sicherte sich trotz 0:4-Pausenrückstands noch das Unentschieden. Das Rückspiel im heimischen Stadion gewann Königsblau 2:0. Mit Naldo (38), Benjamin Stambouli (30), Daniel Caligiuri (33) oder Guido Burgstaller (31) in der Offensive schien in Gelsenkirchen etwas zusammenzuwachsen. An der Seitenlinie stand Domenico Tedesco (35), vorher nur professionell tätig beim „Schalke des Ostens“: Erzgebirge Aue. Sollte ausgerechnet er nach vielen Versuchen derjenige sein, der Schalke schafft? Es schien fast so. Nur die Sache mit dem Schein ist, dass er trügt.

 

Schalke im Jahr 2021: Ein Bild des Grauens. Der siebenmalige deutsche Meister, fünfmalige Pokalsieger und UEFA-Cup-Sieger von 1997 – in tausend Teilen am Boden. Mit David Wagner (49), Manuel Baum (41), Huub Stevens (67) und Christian Gross (66) hat der Verein in dieser Spielzeit schon vier Trainer verschlissen, ein fünfter wird hinzukommen. Das ist noch keiner Bundesligamannschaft zuvor gelungen. Außerdem steht Königsblau nach der Entlassung von Jochen Schneider (50) ohne echten Sportvorstand da, Peter Knäbel (54) übernimmt die Aufgabe zumindest kommissarisch. Da auch Clemens Tönnies (64) seit geraumer Zeit nicht mehr Teil des Klubs ist, fehlt ihnen nun komplett der Repräsentant nach außen, das Gesicht des Vereins. Zudem leidet der Verein unter einem erdrückenden Schuldenberg.

Wie ein Trugschluss Schalke in die Misere stürzte

Das alles ist letztendlich das Ergebnis einer falschen Wahrnehmung. Ursächlich dafür ist ausgerechnet die Vizemeistersaison. Noch im November 2017 posierte Tönnies auf der Titelseite des Kicker mit dem Satz „Wir wollen Dortmund auf Dauer überholen„. Ein fataler Trugschluss. Denn der BVB, den sie in eben jener Spielzeit abhängten, war mitnichten in Topform, sondern suchte infolge der Entlassungen von Thomas Tuchel (47) und Peter Bosz (57) nach der eigenen Identität.

Und auch Schalke selbst spielte trotz des zweiten Platzes nicht die Sterne vom königsblauen Himmel. In vielen Fällen war ihnen das Spielglück hold, die Siege waren zumeist knapp und erkämpft. An 34 Spieltagen gelang es ihnen nicht, eine Partie mit drei oder mehr Toren Differenz zu gewinnen.

Trotzdem wurde schon verfrüht zum Angriff auf das vor allem wirtschaftlich wesentlich stabilere Borussia Dortmund geblasen. Zwar füllten besonders Manchester City und Paris Saint-Germain durch die Transfers von Leroy Sané (25/52 Mio. Euro), beziehungsweise Thilo Kehrer (24/37 Mio. Euro) die Schalker Kassen.

Doch leisteten sie sich gerade in diesem Zeitraum viele Luxustransfers, die letztendlich nicht einschlugen. So auch schon zu Beginn der Spielzeit 2017/18 unter anderem mit Nabil Bentaleb (26/19 Mio. Euro), der regelmäßig zwischen Startelf und Suspendierung pendelt. Oder Yevhen Konoplyanka (31/12,5 Mio. Euro), den man zwei Saisons später für gerade etwas mehr als ein Zehntel des Preises (1,5 Mio. Euro) an Shakhtar Donezk weiterverkaufen konnte. Eine Saison später kam Sebastian Rudy (31) für 16 Millionen Euro aus München – und ist inzwischen zum zweiten Mal an die TSG Hoffenheim verliehen. Als wäre das nicht schon genug, ließ der Verein zu oft junge Spieler und Eigengewächse wie Max Meyer (25/Crystal Palace), Sead Kolasinac (27/Arsenal), Leon Goretzka (26/FC Bayern) oder zuletzt Alexander Nübel (24/FC Bayern) ablösefrei gehen. So ergeben sich auch die finanziellen Probleme, unter denen Schalke heute leidet.

Die Folgen des Schalker Luxuslebens

Das Ganze entwickelte sich zum Teufelskreis. Spieler konnten nicht mehr verpflichtet und Eckpfeiler des Teams wie Naldo oder Daniel Caligiuri mussten verkauft werden, um die Payroll zu entlasten. So entstand eine unausgeglichene Mannschaft, die zwar auf dem Papier stark ist, aber eben nicht auf dem Feld. Und die vor allem eher darauf ausgelegt ist, um Europa zu kämpfen, statt gegen den Abstieg. Am Samstagnachmittag agierte S04 einmal mehr unbeholfen, ließ sich zweimal von derselben Stuttgarter Eckballvariante düpieren und ermöglichte damit Wataru Endo (28) seine ersten beiden Bundesligatore. Im Anschluss brachen sie einmal mehr zusammen. So lesen sich die letzten beiden Ergebnisse – 0:4 im Derby gegen Borussia Dortmund und 1:5 in Stuttgart – wie ein einziges Desaster. Wohlgemerkt, gegen Mannschaften, die in den vorhergehenden Spielen nicht zwingend durch Formstärke geglänzt haben.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Mit weiterhin neun Punkten und auch einem genauso großen Rückstand aufs rettende Ufer, ist der vierte Abstieg der Klubgeschichte wohl nur noch theoretisch abzuwenden. Ein Aufbäumen, ähnlich wie bei Mainz 05, war bislang nicht zu erkennen. Es bleibt abzuwarten, wie der Klub nach dem personellen Kahlschlag die freigewordenen Posten besetzt. Fürs erste ist es das laute Ende eines Giganten der Bundesliga.

 

 

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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