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Alphonso Davies | Überzeugend im „kalten Wasser“ und Parallelen zu Alaba

10. November 2019 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Spotlight | Schon unter der Woche deutete sich an, dass Hansi Flick im Spiel des FC Bayern München gegen Borussia Dortmund auf Alphonso Davies als Linksverteidiger setzen wird. Der 19-jährige, der eigentlich eher offensiver orientiert ist, spielte diese Position zuvor bereits in mehreren Spielen, zeigte dabei offensiv gewohnt gute Ansätze, defensiv war er nicht immer sattelfest. Das Topspiel gegen Dortmund sollte also auch für ihn enorm wichtig werden.

Davies spürt das Vertrauen – und profitiert

Generell gab es in den letzten Wochen einige Entwicklungen beim FC Bayern, die eine Grundlage für entsprechende Kritik lieferten. Der Umgang mit Alphonso Davies, auch nach seinem bitteren Eigentor gegen den VfL Bochum im DFB-Pokal, ist aber positiv hervorzuheben. Schon Niko Kovac sorgte dafür, dass der Kanadier in einen entsprechenden Rhythmus kommt und setzte ihn regelmäßig ein, Hansi Flick setzte ebenfalls auf eine Verteidigung bestehend aus Pavard, Martinez, Alaba und dem jungen Davies.

(Photo by Sebastian Widmann/Bongarts/Getty Images)

Schon gegen Olympiakos war zu spüren, dass auch Davies von den neuen Impulsen profitiert. Bayern versuchte in der Champions League das, was gegen Dortmund hervorragend funktionierte. Man presste höher und aggressiver, investierte mehr, legte durch diesen offensiveren Ansatz aber gleichermaßen mehr Wert auf die Defensive. Denn der Spruch, dass die Defensive schon vorne anfängt, ist viel mehr als nur eine Phrase, sondern die Wahrheit. Gegen Piräus waren Ansätze erkennbar und Davies, der defensiv nicht viel zu tun hatte, sammelte Selbstvertrauen durch gelungene Offensivaktionen, war gleichzeitig immer wieder bemüht die defensive Balance herzustellen und schnell wieder hinter den Ball zu kommen.

Sancho, Hakimi & co? Kein Problem!

Schon im Vorfeld des Spiels gegen Borussia Dortmund wurde die Abwehr, die, abgesehen vom Spiel gegen biedere Griechen von Olympiakos, in den letzten Wochen keinen guten Eindruck hinterließ, als größtes Fragezeichen beim FC Bayern hervorgehoben. Und das war sie auch! Denn niemand wusste, wie gefestigt die Strukturen in dieser Viererkette sind, wie ein Alphonso Davies die Balance gegen Gegenspieler wie Jadon Sancho oder einen blendend aufgelegten Achraf Hakimi herstellen kann. Ein gewisses Risiko wurde also von Hansi Flick einkalkuliert, doch damit setzte man genau das richtige Zeichen. Man hat Davies nicht verpflichtet, um in ihm nur einen Rotationsspieler zu sehen, sondern man hält intern große Stücke auf den jungen Kanadier.

Und zu einer Entwicklung eines solchen jungen Spielers gehört es auch, dass man mit Stresssituationen konfrontiert wird. Betrachtet man die Vorzeichen, dann war trotz der katastrophalen Bilanz des BVB in den letzten Jahren die Chance auf ein positives Resultat der Gäste wohl so groß wie nie. Druck hatten beide Mannschaften, ein richtungsweisendes Spiel stand an. Und schon in der Anfangsphase zeigte sich, dass Alphonso Davies an diesem Samstagabend kein Risiko darstellt.

 (Photo by Christof STACHE / AFP

Davies begann zielstrebig, mit einer breiten Brust, gewann die ersten Zweikämpfe und wirkte alles andere als anfällig. Dass der sprintstarke Kanadier in Sachen Tempo mit Sancho und dem nachrückenden Hakimi würde mithalten können, war ohnehin zu erwarten, dass er aber die offensivstarken BVB-Spieler permanent schon bei der Ballannahme derart würde stressen können, dass er einzeln oder die Defensive im Verbund die potenziellen Gefahrenherde bereinigen konnte, beeindruckte. Doch die Offensive litt keinesfalls darunter – im Gegenteil. Davies schaltete sich immer wieder nach vorne ein, wirkte enorm umtriebig, bot seinen Mitspielern permanent die Gelegenheit ihn einzubinden.

Der 19-jährige hinterlief, fungierte als Antreiber und die Abstimmung mit Kimmich, Alaba und Coman funktionierte hervorragend. Die vermeintliche Schwachstelle entpuppte sich also schnell als große Stärke. Davies gewann viele Zweikämpfe, hatte eine enorm gute Passquote, kalkulierte sehr gut ein, wann er das Risiko erhöhen kann und wann es besser ist, einen sicheren Pass zu spielen und das Tempo herauszunehmen.

Davies und die Alaba-Parallelen

Natürlich darf nun niemand erwarten, dass sich Davies auf dieser Position festspielt und Woche für Woche herausragende Leistungen abruft. In den letzten Wochen ist beim Kanadier aber zu spüren, dass er sich nicht nur in Deutschland eingelebt hat und angekommen ist, sondern auch, dass er den nächsten Schritt in seiner Entwicklung geht. Davies brachte schon zu Beginn seiner Zeit in München gute Voraussetzungen mit, angefangen bei einem hohen Tempo, über ein gutes Selbstvertrauen bis hin zu einer starken Physis.

Taktische Mängel, die noch sichtbar waren, beispielsweise bei seinem ersten Einsatz als Linksverteidiger in der Vorsaison gegen Mainz, als er zwar traf, aber während seiner Einsatzzeit eigentlich überall war, nur nicht auf der Linksverteidigerposition, wurden sukzessive abgestellt, Davies arbeitete an sich und wurde Monat für Monat besser – in nahezu allen Aspekten. Wichtig ist auch, dass die Erwartungen nach dem guten Auftritt gegen Dortmund nicht sofort in die Höhe schnellen. Davies darf Fehler machen, wird Fehler machen und muss daraus lernen. Für einen 19-jährigen, der in eine deutlich stärkere Liga wechselt und auf einer für ihn fremden Position spielt, ist die Entwicklung der letzten Wochen jedenfalls absolut und uneingeschränkt positiv zu bewerten.

Je genauer man die Gesamtsituation rund um Alphonso Davies betrachtet, desto eher erkennt man Parallelen zum jungen David Alaba. Auch er spielte in jungen Jahren als Spieler, der zweifelsohne noch viel Nachholbedarf hatte, in einer nicht einfachen Phase auf der Linksverteidigerposition, die damals nicht seine angestammte Position war. Und auch Alaba lieferte unter schwierigen Bedingungen ein sehr gutes Spiel ab, als er in Florenz bei gefühlter Windstärke 39 gegen ein hochmotiviertes Team der Fiorentina von allen Umständen unbeeindruckt agierte. Und auch Alaba machte eine unglückliche Figur, beispielsweise als er in Frankfurt kurz vor Schluss maßgeblich daran beteiligt war, dass die Hessen das Spiel drehen konnten.

Ob Alphonso Davies eine ähnliche Entwicklung wie David Alaba hinlegen wird, ist natürlich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Der Kanadier unterstreicht dieser Tage aber, dass die Verpflichtung sich durchaus als sehr klug erweisen könnte, dass er mit Stresssituationen umgehen und sich mit den Aufgaben steigern kann. Und wenn das so bleibt, dann werden die Fans des FC Bayern noch viel Freude am jungen Davies haben.

 (Photo by Christof STACHE / AFP)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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