Spotlight

Der FC Bayern vor dem Umbruch: Die Situation in Mittelfeld, Angriff und etwaige Neuzugänge

22. April 2017 | Spotlight | BY Manuel Behlert

In Teil 2 dieses Dreiteilers wurde der kleine Kader diskutiert, mögliche Neuzugänge in der Defensive wurden thematisiert. Bei der Planung für die neue Saison gibt es derzeit noch viele Fragezeichen. In diesem letzten Teil wird das Mittelfeld und der Angriff beleuchtet, ein besonderes Augenmerk gilt dabei natürlich der Nachfolge von Ribery und Robben. 

Die Frage, welche Transfers im Mittelfeld getätigt werden, hängt im Endeffekt also natürlich davon ab, was mit Joshua Kimmich geschieht. Sollte man mit ihm wirklich dauerhaft auf der Rechtsverteidigerposition planen ist es wahrscheinlicher, dass im Mittelfeld noch etwas kommt. Der Markt sollte ohnehin beobachtet werden. Natürlich steht mit Sebastian Rudy schon ein neuer Mittelfeldspieler fest, bei ihm betont man aber immer wieder, wie sehr man die Flexibilität schätze.

 

Der Abgang von Xabi Alonso

Im Mittelfeld des FC Bayern wird in der kommenden Saison erstmal vor allem ein Name fehlen: Xabi Alonso. Der Spanier ist sicherlich fußballerisch nicht mehr unersetzbar. Aber menschlich hinterlässt er doch eine gewisse Lücke, die man nicht planbar füllen kann. Alonso passte hervorragend in das Mannschaftsgefüge, war akzeptiert, sehr gut integriert und diente als Lehrmeister für die jungen Spieler, die zu ihm aufsahen. Die Karriere von Xabi Alonso war insgesamt eine sehr erfolgreiche, auf die er nur zufrieden zurückblicken wird.

Das Vakuum, das durch seinen Abgang entsteht, ist nicht einfach zu füllen. Wie erwähnt, fußballerisch war Alonso nicht mehr unumstritten. Phasenweise produzierte er unter Druck Fehler, er konnte nicht mehr über 90 Minuten das Tempo auf hohem Niveau diktieren. Dennoch umgab ihn eine gewisse Aura, jederzeit konnte ein entscheidender Pass von ihm kommen. Auch bei ruhenden Bällen entstand regelmäßig Gefahr. Eine interne Nachfolge auf dem Platz zu finden ist nicht einfach. Die Planungen mit Kimmich sind weiterhin offen, Sanches benötigt noch Zeit und muss viele Schwächen abstellen, Vidal ist eher ein dynamischer Spieler, der überall auftaucht. Natürlich können Abläufe im Mittelfeld auch immer durch eine gewisse veränderte Aufgabenverteilung optimiert werden, aber im Endeffekt kommt, auch wenn man Rudy hinzuzieht, Kimmich den Anforderungen immer noch am nächsten.

 

Javi Martinez ins Mittelfeld?

Intern soll außerdem zumindest darüber diskutiert worden sein, dass Javi Martinez wieder im Mittelfeld aufgestellt werden soll. Man erinnert sich daran, dass der Spanier besonders in der Saison 2012/13 herausragende Leistungen im Zentrum vor der Abwehr abgeliefert hat. Doch nicht nur der Fußball insgesamt, sondern insbesondere der Fußball beim FC Bayern hat seitdem einen nicht unerheblichen Wandel durchlaufen. Die Anforderungen für einen Spieler, der alleine vor der Abwehr spielt, sind höher. Martinez ist dabei technisch keineswegs schwach. Es sind Nuancen, die ihm fehlen. Nach Ballgewinn nicht den sicheren, kurzen Pass zu spielen, sondern einen öffnenden, angriffsinitiierenden Ball zu spielen, das ist manchmal entscheidend. Entscheidungen in kürzester Zeit zu treffen und dabei eine möglichst minimale Fehlerquote an den Tag zu legen. Das ist elementar wichtig und hierbei hat Javi Martinez Optimierungsbedarf.

(Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Es ist schwierig für den Verein, all diese Dinge zu berücksichtigen. Die Planung ist nicht einfach, weil man gerade bei jungen Spielern davon ausgehen muss, dass irgendetwas schief geht. Javi Martinez ist aber in der Innenverteidigung eine absolute Maschine. Er besticht durch gute Zweikämpfe, verfügt über ein hervorragendes Stellungsspiel und lässt seinem Gegenspieler kaum Zeit zum Atmen. Kein Angreifer spielt gerne gegen den 28-jährigen Spanier. Denkbar ist auch ein Szenario, bei dem Martinez als Notnagel für die 6er-Position zur Verfügung steht. Zurzeit gibt es keine nennenswerten Gerüchte, die Bayern mit einem klar defensiv ausgerichteten Mittelfeldspieler in Verbindung bringen.

 

Kreativität durch Thiago – und sonst?

Ein weiteres Thema im Mittelfeld ist die Kreativabteilung. Thiago Alcantara spielt eine sehr gute Saison und bleib erstmals seit geraumer Zeit von langfristigen Verletzungspausen verschont. Die Entwicklung der Bayern ist sicher nicht durchweg positiv, Thiago hingegen hat einen Schritt nach vorne gemacht. Auch wenn er gegen Real Madrid dem Spiel nicht seinen Stempel aufdrücken konnte, so spielte er seine beste Saison für den Rekordmeister. Der Spanier wird von Carlo Ancelotti nur ganz selten herausrotiert, denn er gehört zu den wichtigsten Spielern im Kader. Thiago trifft auch unter Druck die richtigen Entscheidungen, ist technisch unfassbar versiert und hat auch noch eine höhere Torgefahr entwickelt.

Das Problem ist, was passiert, wenn Thiago nicht spielt. Selbst wenn er auf dem Platz ist hat man in schwierigen Spielen das Gefühl, dass Thiago ein weiterer kreativer, technisch herausragender Spieler an seiner Seite guttun würde. Das ist definitiv eine elementare Baustelle, die man im Auge behalten sollte. Droht nur von einem Kreativspieler eine große Gefahr, dann ist dieser einfacher auszuschalten. Die Abhängigkeit von Thiago muss also in Zukunft vermindert werden oder er benötigt zumindest mehr Pausen, mehr Entlastung.

 

Kandidaten für das Mittelfeld

Die Planung im Mittelfeld hängt also insgesamt von vielen anderen Faktoren (u.a. Kimmich) ab. Mit Sebastian Rudy wurde ein Spieler verpflichtet, gegen den man wenig sagen kann. Rudy ist ballsicher, verfügt über ein grundsolides Passspiel, hat sogar vereinzelt geniale Momente und kommt mit dem Selbstvertrauen einer guten Saison in Hoffenheim. Zudem kann er in der Abwehr aufhelfen und wird in einer Vielzahl der Spiele den Ansprüchen genügen. Ein Königstransfer wäre der Italiener Marco Verratti. Doch bei seiner Personalie ergeben sich zahlreiche Schwierigkeiten. Verratti wäre nicht nur unglaublich teuer, sondern es ist nicht einmal bekannt, ob er sich zurzeit einen Wechsel vorstellen kann. Die Medien bringen ihn aber gerne bei den Bayern ins Spiel.

Eine andere Entwicklung, die man beobachten sollte, ist die von Isco und James Rodriguez bei Real Madrid. Beide Spieler würden gerne häufiger auflaufen, aber Zidane vertraut Casemiro, Kroos und Modric und mit Asensio steht ebenfalls ein Lieblingsschüler Zidanes im Kader, der in den letzten Wochen relativ viel Spielzeit bekommt. Isco und Thiago kennen sich, James Rodriguez wäre flexibler und könnte auch noch offensiver eingesetzt werden. James wurde in der Vergangenheit ebenfalls mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht. Beide Spieler wären ebenfalls teuer, aber zumindest einer dürfte Real Madrid im Sommer verlassen. Egal ob James, Isco oder Verratti – es scheint derzeit eher unwahrscheinlich, dass der FC Bayern eine dieser großen Lösungen forciert, solange noch andere Baustellen bestehen.

Auch in der Bundesliga gibt es interessante Spieler für den deutschen Rekordmeister. Naby Keita von RB Leipzig ist einer der Shootingstars in dieser Saison. Ihm gelangen 8 Treffer und 8 Vorlagen in der Bundesliga und sein Vertrag läuft noch bis 2020. Keita wird voraussichtlich aber die Chance nutzen wollen und mit Leipzig in der Königsklasse spielen. Dennoch wird er in der Zukunft ein Kandidat sein. Noch interessanter ist die Situation von Leon Goretzka. Schalke wird den Vertrag mit ihm nur schwer verlängern können. Bis 2018 ist Goretzka zurzeit an die Königsblauen gebunden, der nächste Schritt in seiner Entwicklung könnte nun folgen. Die Bayern beobachteten Goretzka seinerzeit schon, als er für den VFL Bochum spielte. Keita und Goretzka sind allerdings etwas andere Spielertypen als die erstgenannten, aber beide haben noch eine Menge Potenzial, das in ihnen schlummert.

 

Das Robbery-Problem

Sinnbild des bevorstehenden Umbruchs sind seit Jahren Franck Ribery und Arjen Robben. Zwei der besten Fußballer, die jemals das Trikot des FC Bayern trugen. Zwei Persönlichkeiten, auf und neben dem Platz. Costa und Coman sollten beide entlasten, das gelang nur bedingt. Douglas Costa kam aus Donezk und schlug sofort ein. Seine Geschwindigkeit, seine scharfen Hereingaben und seine Spielfreude begeisterte die Bundesliga. Doch nach einigen Wochen stellte man sich besser auf den Brasilianer ein. Costa wurde fortan unkonstant, in dieser Saison sorgten Interview von ihm für Wirbel. Er sei nicht zufrieden, könnte sich vorstellen, dass er sich Angebote anhören wird. Costa redet abseits des Platzes und liefert zurzeit nicht auf dem Platz. Diese Mischung ist tödlich, nicht nur für den Verein, sondern auch für Costa selbst. Eine Trennung ist mittlerweile absolut denkbar.

Ribery und Robben sind zurzeit ohnehin noch zu wichtig. Beide rufen noch einen großen Teil ihres Leistungsvermögens ab und sorgen bei den gegnerischen Abwehrreihen für Unruhe. Robben und sein allseits bekannter Trick, Ribéry und seine Übersicht – diese Qualitäten hat Costa einfach nicht. Kingsley Coman ist ein interessantes Talent, das noch einen weiten Weg vor sich hat. Coman kann in der Rotation eine gute Rolle spielen und spielt nach einer von Blessuren geprägten Hinrunde eine gute Rolle 2017. Er benötigt einen guten Rhythmus und noch mehr Vertrauen. Carlo Ancelotti ist gefordert, er muss seine Rotation in manchen Phasen überdenken und zumindest versuchen dort etwas mehr aus den jungen Spielern herauszukitzeln. Insgesamt kann aber auch Coman nicht in den nächsten 2-3 Jahren den Job eines der Protagonisten übernehmen.

 

Brandt & Gnabry reichen nicht

Nun drohen insgesamt drei Abgänge auf den Außenbahnen und Coman würde verbleiben. Man muss also nicht einmal ein großer Fußballexperte sein um festzustellen, dass man perspektivisch 3 Spieler verpflichten muss. Sicher ist es klug, sich nach talentierten Spielern in Deutschland. aber auch im Ausland umzusehen. Gerade wenn man bedenkt, dass man es verpasst hat einen Draxler, einen Sane oder einen Dembele nach München zu locken. Dementsprechend ist es nur legitim, dass man sich mit Brandt und Gnabry beschäftigt. Julian Brandt scheint vor allem für 2018 auch eine gute und naheliegende Option darzustellen. Aber der Punkt ist nicht, dass man nicht Brandt oder Gnabry holen sollte, sondern, dass dieses Kaliber alleine nicht reichen wird.

Es ist nahezu unmöglich Topspieler von den absoluten Hochkarätern in Europa wegzulocken. Spieler wie Hazard, Griezmann und wie sie alle heißen sind nicht zu bezahlen, ihnen wird ein überdimensionales Preisschild umgehängt. Aber deswegen muss man nicht sofort nur im Talentepool fischen. Kreativität ist gefragt und gerade Michael Reschke zeigte in den vergangenen Transferperioden, dass er durchaus in der Lage ist, diese Kreativität an den Tag zu legen. Das Scouting muss intensiviert werden, diese Position genießt eine hohe Priorität. Einer der nächsten Transfers muss zweifelsohne absolut sitzen.

 

Sturmbackup verzweifelt gesucht


(Photo by Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Deutlich wurde auch, dass Robert Lewandowski kaum zu ersetzen ist. Bei ihm ergibt sich aber eine besondere Problematik. Einerseits ist der Pole nahezu resistent gegen Verletzungen. Das ist keine Garantie, aber eine Tatsache, die für potenzielle Konkurrenten eine Rolle spielen wird. Zudem benötigt er aufgrund seiner herausragenden körperlichen Verfassung wenig Pausen. Das heißt, dass ein potenzieller Backup für Lewandowski, der zumindest annähernd seine Klasse mitbringen sollte, nicht viel Aussicht auf Einsätze haben wird. Das könnte einige Kandidaten schon im Ansatz abschrecken. Gerade junge Spieler brauchen Einsatzminuten um sich zu entwickeln.

Geeignete ältere Kandidaten sind schwer zu finden. Diese Spieler wollen häufig ihren letzten, großen Vertrag unterschreiben und hegen zumindest teilweise noch Ambitionen. Eine solch gute Konstellation wie unter Heynckes mit Gomez, Pizarro und Mandzukic ist nahezu unmöglich zu erreichen. Auch hier ist es wichtig die Situation zu erkennen und wenn möglich kreativ zu handeln. Thomas Müller ist ein weiteres Problem. Seine besten Spiele absolvierte er auch in dieser Saison hinter Robert Lewandowski, auch wenn er im Vergleich zu den letzten Jahren ineffizienter war. Müller lebte in den vergangenen Spielzeiten von seiner guten Quote. Diese kann er nicht mehr aufweisen. Seit nunmehr über einem Jahr steckt Müller in einem Loch. Punktuell zeigt er gute Leistungen, er muss jetzt aber hart an sich arbeiten und aus dieser Leistungsdelle wieder herauskommen, sonst wird er es sehr schwer haben.

 

Kandidaten für die Offensive

Da in der Offensive nicht nur der größte Handlungsbedarf herrscht, sondern auch extrem viele Talente in Europa verteilt sind, wird ein Verein wie der FC Bayern gerade in diesem Bereich mit besonders vielen Spielern in Verbindung gebracht. Die schwierige Position des Sturmbackups könnte dabei in der Tat von einem Talent besetzt werden. Spieler wie Lacazette werden den Verantwortlichen zu teuer, was nachvollziehbar ist. Talente, die in Frage kommen, sind unter anderem Celtics Moussa Dembele oder Kasper Dolberg von Ajax Amsterdam. Beide spielen eine gute Rolle in ihren Vereinen, werden aber nur schwer zu überzeugen sein. Dolberg (19) gelangen in dieser Saison 27 Scorerpunkte, Dembele (20) steht sogar bei deren 40. Eine erfahrene, deutschsprachige Alternative, die zuletzt mehrfach gehandelt wurde, ist Sandro Wagner.

Für die Außenbahnen gibt es relativ viele Kandidaten, die mehr oder weniger realistisch sind. Alexis Sanchez scheint mit dem Gedanken zu spielen den FC Arsenal zu verlassen. Dem Chilenen werden zurzeit jede Woche neue Pläne angedichtet, ob er ein Kandidat für die Bayern ist, bleibt abzuwarten. Bei noch einem Jahr Restvertrag scheint es zumindest nicht unmöglich zu sein ihn nach München zu lotsen. Alexis könnte überdies notfalls auch im Sturmzentrum aushelfen. Julian Brandt und Serge Gnabry wurden bereits thematisiert. Beide gehören noch nicht in das oberste Regal der Flügelspieler, zumindest einen der beiden sollte man sich beim FC Bayern aber schnappen. Weiterhin scheint der deutsche Rekordmeister beim AS Monaco zu scouten. Das ist auch legitim, denn die Monegassen haben eine herausragende Offensivabteilung. Hier ruht der Fokus vor allem auf Bernardo Silva und Thomas Lemar. Silva ist technisch herausragend und agiert als Spielmacher von der Außenbahn, Lemar ist sehr temporeich und stark im Dribbling.

Auch Ousmane Dembele von Borussia Dortmund könnte von der Scoutingabteilung beobachtet werden. Der dribbelstarke, schnelle Flügelspieler kommt in der Bundesliga sehr gut zurecht. Zudem bringen die Medien Spieler wie Carrasco, Insigne oder Bernardeschi bei den Bayern ins Gespräch. Carrasco besitzt aber eine hohe Ausstiegsklausel, Insigne hat seinen Vertrag kürzlich erst verlängert und bei Bernardeschi wäre die Konkurrenz zumindest relativ groß. Der Einfallsreichtum der Verantwortlichen ist gefragt. Es existieren gewiss noch andere, interessante Spieler in Europa.

 

Eine entscheidende Phase

Der FC Bayern steht vor einer entscheidenden Phase, die für die kommenden Jahre von existenzieller Bedeutung ist. Die Konkurrenz rüstet auf, verringert zum Teil ihre Fehler und wird in den kommenden Jahren sicherlich nicht schwächer. Wenn Bayern weiterhin regelmäßig zu den besten 4-5 Mannschaften in Europa zählen will, werden die kommenden 3 Transferperioden, besonders aber die beiden Phasen im Sommer extrem wichtig. Der Vorstand muss einsehen, dass zumindest punktuell Weltklasse hinzugekauft werden muss und dass diese in den heutigen Zeiten ihren Preis hat. Carlo Ancelotti muss im engen Dialog mit dem Vorstand eine detaillierte Analyse des Kaders und der Ausrichtung des Vereins vornehmen. Es muss nun Geld investiert werden. Ob das bereits jeder begriffen hat, bleibt abzuwarten.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel