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Mainz 05: Alles auf Anfang für Svensson, Heidel und Schmidt

15. Oktober 2023 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

Zwei Punkte aus sieben Spielen, 6:19 Tore, kein Bundesliga-Sieg seit dem 22. April: Mainz 05 steckt in der tiefsten sportlichen Krise seit der Hinrunde 2020/21, als man nur sieben Punkte aus den ersten 17 Spielen der Saison holen konnte. Damals schaffte der Verein in der Rückrunde die Wende nachdem im Winter das Trio Bo Svensson, Christian Heidel und Martin Schmidt installiert wurde. Die damaligen Retter sind heute immer noch im Amt und stehen nun vor einer ähnlich großen Herausforderung, für deren Entstehung sie diesmal selbst verantwortlich sind. Drei Gründe für den schlechten Mainzer Saisonstart.

Defensive Probleme und fehlende spielerische Entwicklung

Als Bo Svensson im Januar 2021 die Mannschaft übernahm war die Defensive die größte Schwachstelle der Mainzer. 31 Gegentore nach 14 Spielen waren die zweitschlechteste Bilanz in der Bundesliga; nur Schalke war schlechter. Svensson legte den Fokus darauf, das Pressing zu verbessern und stellte die Formation auf eine Fünferkette um, vor der meist mit Dominik Kohr und Leandro Barreiro zwei defensivstarke Mittelfeldspieler aufgeboten wurden. Offensiv wurde das Spiel einfach gehalten. Nach Ballgewinn sollte der Ball schnell in die Spitze gespielt werden. Wenig Ballbesitz und viele lange Bälle prägten das Spiel der 05er.



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Die Anzahl der Ballverluste in der Nähe des eigenen Tores, welche in der Hinrunde noch zu einer Vielzahl der Gegentore geführt hatten, sollte verringert werden. Der Ansatz zahlte sich aus, die Mainzer konnte mit einer neu gewonnenen Intensität im Spiel gegen den Ball die Anzahl der Gegentore auf 28 in den verbleibenden 20 Saisonspielen reduzieren und überraschend die Klasse halten.

In der darauffolgenden Saison stellte man mit insgesamt 40 Gegentoren die viertbeste Defensive der Bundesliga. Auch in der abgelaufenen Saison war die Mainzer Abwehr lange Zeit eine der besten der Liga. Zum Zeitpunkt des letzten Bundesliga-Sieges, einem 3:1 gegen den FC Bayern, konnten nur sechs Verein weniger Gegentore aufweisen als der FSV. Die Mannschaft hatte zu diesem Zeitpunkt seit zehn Spielen nicht verloren, stand auf Platz sieben und konnte sich berechtigte Hoffnung auf einen Einzug in den Europapokal machen. In den letzten fünf Spielen der Saison kassierte man allerdings 15 Gegentore und holte nur noch einen Punkt, am letzten Spieltag beim 2:2 in Dortmund.

Der Schnitt von (fast) drei Gegentoren setzt sich in der laufenden Saison fort. Die defensive Stabilität, welche der Grundstein für den Erfolg in der Ära Svensson war, ist also zur Zeit nicht gegeben. Dies liegt vor allem daran, dass sich die individuellen Fehler in der Mainzer

Hintermannschaft häufen. Auch die erfahrenen Spieler strahlen aktuell wenig Souveränität aus. Gegen Eintracht Frankfurt gab man in der Nachspielzeit den Sieg aus der Hand, da Danny da Costa ein Stellungsfehler unterlief. Gegen Stuttgart und Leverkusen kassierte man das 1:0 nach Aussetzern von Stefan Bell bzw. Edimilson Fernandes.

Die defensive Anfälligkeit kehrte auch in das Spiel der 05er zurück, da sich ihre Ausgangslage in den meisten Spielen im Vergleich zum Beginn von Svenssons Amtszeit verändert hat. Aufgrund der positiven Entwicklung unter dem Dänen gilt Mainz gegen mehr Gegner als Favorit als zuvor. Diese bedeutet auch, dass die Gegner abwartender agieren und nicht mehr bereit sind im eigenen Spiel viel zu riskieren. Folglich wurde Svenssons Ansatz ineffektiver und andere Lösungen mussten her, um Torgefahr zu erzeugen.

Diese Lösungen scheinen bisher nicht gefunden. In den zwölf Spielen seit dem Sieg gegen den deutschen Rekordmeister gelangen nur elf eigene Tore. In den zehn ungeschlagenen Spielen zuvor konnte man noch 22 Treffer erzielen. Die Erfolgsserie gelang den Mainzern unmittelbar nach der Verpflichtung von Ludovic Ajorque. Der 1,96 Meter große Franzose ist der ideale Stürmer für die auf langen Bällen basierende Offensividee von Svensson. Ajorque fügte sich hervorragend in Mainz ein. Als Zielspieler konnte er seine körperliche Präsenz einsetzen, Bälle festmachen, Räume für Mitspieler öffnen sowie selbst sieben Tore in der Rückrunde beisteuern.

Ludovic Ajorque (Mainz 05)

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Mit der Zeit stellten sich die Gegner allerdings besser auf Ajorque und die Mainzer Offensividee ein. Als Reaktion darauf lässt sich mittlerweile häufiger beobachten, dass die Mannschaft versucht über ein Kurzpassspiel vor das generische Tor zu kommen. In diesen Versuchen gelingt es jedoch selten Tempo in die Aktionen zu bekommen, weshalb nicht genügend Torgefahr entsteht. Zudem häufen sich auch wieder die einfachen Ballverluste, welche es dem Gegner leicht machen umzuschalten und selbst zu Chancen zu kommen. Die Entstehung des 3:0 gegen Bayer Leverkusen steht symbolisch für diese Entwicklung.

Mangelhafte Kaderplanung

Dieses Gegentor entstand, da Dominik Kohr der Versuch eines Doppelpasses deutlich zu kurz geriet , wodurch der Leverkusener Exequiel Palacios leichtes Spiel hatte den Ball abzufangen und den Gegenangriff der Werkself einzuleiten. Kohr kam wie Svensson im Januar 2021 nach Mainz und gilt seitdem als Stammspieler. In Svenssons präferiertem 3-4-2-1-System nehmen er und Leandro Barreiro meist die beiden zentralen Mittelfeldpositionen ein. Das Duo verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten im Spiel gegen den Ball. Beide gehören im abgelaufenen

Kalenderjahr zu den Top 11% der Spieler mit den meisten abgefangenen Bällen in den Europas Top 5 Ligen. Allerdings bringen beide auch spielerische Schwächen mit. Spielstarke zentrale Mittelfeldspieler fehlen im Mainzer Kader. Anton Stach, der dieses Profil hat, wurde im Sommer nach Hoffenheim abgegeben. Der zweifache Nationalspieler begründete den Wechsel damit, dass in Hoffenheim mehr auf das Spiel mit dem Ball gesetzt wird als in Mainz. „Tatsächlich habe ich direkt im ersten Spiel gemerkt, dass die Art und Weise wie in Hoffenheim Fußball gespielt wird, einfach super zu mir passt. Dass hinten raus gespielt, der Ball flach gehalten wird“, so Stach gegenüber der Bild.

Der einzige Zugang im Mittelfeld ist der ehemalige Schalker Tom Krauß, dessen Stärken ähnlich wie bei Kohr und Barreiro im Bereich der Balleroberung liegen. Die Entwicklung zu einer aktiveren Spielweise ist also bisher auch ausgeblieben, weil es Svensson nicht möglich ist, Spieler aufzustellen, die die benötigten Fähigkeiten mitbringen.

Christian Heidel und Martin Schmidt (Mainz 05)

(Photo by Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)

Anton Stach ist zudem nicht der einzige Abgang, der nicht kompensiert wurde. Der Spanier Aaron Martin verließ den Verein im Sommer ablösefrei Richtung Genua. Der Linksverteidiger führte in der vergangen Saison die Standardsituationen aus und trug dazu bei, dass diese eine der größten Mainzer Stärken waren. Mit 16 Toren nach Standards stellten die Mainzer den drittbesten Wert der Liga. In der laufenden Saison konnten die 05er erst am siebten Spieltag beim 2:2 gegen Borussia Mönchengladbach ihrer ersten Treffer nach ruhendem Ball erzielen.

Auch im laufenden Spiel macht sich Aarons Fehlen bemerkbar. Die Außenverteidiger müssen als Schienenspieler in einer 5er-Kette in der Mainzer Formation viel Verantwortung in der Offensive übernehmen. Ludovic Ajorque mit Flanken zu finden ist dabei eine ihrer Hauptaufgaben. Aktuell hat Mainz allerdings keinen Spieler, der auf der linken Schiene zu Hause ist. Die beiden Optionen für die Position sind Anthony Caci und Rückkehrer Phillipp Mwene. Auch wenn beide schon längere Phasen auf der linken Seite gespielt haben sind sie doch beide Rechtsfüße und fühlen dementsprechend auf der rechten Seite wohler. Das macht sich vor allem in der Offensive bemerkbar, da beide Spieler oftmals Tempo aus den Aktionen nehmen müssen, um sich den Ball erst auf ihren starken Fuß zu legen. Auch das ist ein Grund für die mangelnde Torgefahr im Mainzer Spiel.

Mainz 05 von Verletzungssorgen geplagt

Neben den nicht kompensierten Abgängen geht dem Mainzer Spiel aktuell viel an Qualität verloren, da viele der verbliebenen Spieler nicht zur Verfügung stehen. Kapitän Silvan Widmer und Jonathan Burkardt konnten aufgrund von langwierigen Verletzungen noch kein Saisonspiel bestreiten.

Widmer ist wieder im Training, während bei Burkardt nicht klar ist, wann er zurückkehren wird. Der im Winter gekommene und sofort zum Abwehrchef aufgestiegene Andreas Hanche-Olsen kam bisher auf nur 66 Minuten Einsatzzeit und wird erst in der Rückrunde zurückkehren. Ludovic Ajorque saß gegen Leverkusen aus taktischen Gründe zunächst auf der Bank, konnte allerdings auch aufgrund einer Verletzung in zwei Spiele nicht und gegen den VFB Stuttgart nur in der letzten halben Stunde eingesetzt werden. Zudem fehlt Nachwuchshoffnung Nelson Weiper langfristig, Phillip Mwene konnte nur drei der sechs Spiele seit seiner Rückkehr bestreiten und Karim Onisiwo spielte einige Spiele angeschlagen und wird nun vorerst ausfallen.

Die Vereinsführung sah sich aufgrund der akuten Personallage bereits dazu gezwungen mit Josuha Guilavogui und Anwar El Ghazi zwei zuvor vereinslose Spieler zu verpflichten. Die Verletzungsmisere ist zwar sicherlich Pech, allerdings zeigen die Nachverpflichtungen, dass der Kader zuvor nicht breit genug aufgestellt war. Es ist ein weiterer Punkt, in dem die Vereinsführung die Mannschaft nicht gut genug auf die Saison vorbereitet hat. Diese mangelhafte Arbeit im Sommer spiegelt sich aktuell in den Ergebnissen wieder und ist der Grund dafür, dass sich die 05er im Abstiegskampf wiederfinden.

Hendrik Gag

(Photo by DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images)


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