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Mission Wiederaufstieg: Die Vorzeichen in Hamburg und Köln

30. Juli 2018 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Mit dem 1. FC Köln und dem Hamburger SV stiegen in der letzten Saison gleich zwei Traditionsvereine aus der Bundesliga ab. Während der HSV sich erstmals aus dem Oberhaus verabschieden musste, ist der „Effzeh“ bereits zum sechsten Mal abgestiegen. Beide Vereine hatten im Sommer einiges zu tun, kurz vor dem Start der 2. Bundesliga stehen die Vorzeichen für beide aber durchaus gut. Wir analysieren die Situation beider Teams!

 

Effzeh: Die positiven Signale der Topspieler

Ein ganz wichtiges Zeichen für den 1. FC Köln, die Fans und die Mitspieler setzten Spieler wie Timo Horn und Jonas Hector, die durchaus zu einem Topklub hätten wechseln können, sich aber dazu entschlossen haben in der 2. Liga beim Effzeh zu bleiben und für den direkten Wiederaufstieg zu kämpfen. Das hatte einen enormen positiven Einfluss, bewegte auch andere Spieler zum Verbleib und sorgte nach der Enttäuschung unmittelbar nach dem Abstieg sofort wieder für eine gewisse Angriffslust.

(Photo by Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

Natürlich haben beide Spieler ein für Zweitligaverhältnisse enorm hohes Gehalt, aber beim 1. FC Köln weiß man genau, welche Summen man bezahlen kann und welche nicht. Auch den Fans dürfte bewusst sein, dass, sofern der Wiederaufstieg nicht schnell funktioniert, ein Abgang von Spielern dieses Kalibers realistisch ist. Die Tatsache, dass sie nach einer schwachen Saison mit vielen Rückschlägen nicht weiterziehen, sondern versuchen das Geschehene so schnell wie möglich rückgängig zu machen, spricht auch für diese Spieler.

Neuanfang mit neuem Trainer

Nach dem Abstieg war schnell klar, dass Markus Anfang neuer Trainer beim 1. FC Köln wird. Der 44-jährige war zuvor bei Holstein Kiel tätig, stieg mit dem Klub erst in die 2. Liga auf, ehe beinahe der direkte Aufstieg in die Bundesliga gelang – und das ohne einen komplett runderneuerten, teuer verstärkten Kader. Anfang lässt einen attraktiven, technisch hochwertigen Offensivfußball spielen und hat mit Holstein die Gegner gerade in der ersten Saisonhälfte regelrecht überfallen. Er war der Wunschkandidat des Effzeh, er soll nun nicht nur für den Erfolg sorgen, sondern auch für attraktiven Fußball.

(Photo by Selim Sudheimer/Bongarts/Getty Images)

Welche Möglichkeiten Anfang mit einer solch prominent besetzten Mannschaft hat, lässt sich nur erahnen. Klar ist jedenfalls, dass die Aufgabe Wiederaufstieg für ihn natürlich erstmals eine große Drucksituation offenbart. Mit Holstein Kiel war er gerade in der 2. Liga lange der Außenseiter, musste nicht aufsteigen, ging alleine auf dem Papier nicht als Favorit in das Spiel. Mit dem 1. FC Köln wird er im Prinzip immer als Favorit gesehen, muss mit diesem Kader Erfolg haben und sich selbst nach dem „Pflichtaufstieg“ in Liga 1 etablieren. Doch Markus Anfang zeigte schon in den letzten beiden Spielzeiten, dass ihn äußere Einflüsse wenig beeinflussen. Er zog jeweils ruhig seine Linie durch, behielt auch in schwereren Zeiten mit schlechteren Resultaten den Fokus.

Kluge Transfers und viele Möglichkeiten

Natürlich konnten nicht alle Topspieler gehalten werden, aber die Abgangsseite bei den Kölnern stellt sich keinesfalls dramatisch dar. Leonardo Bittencourt, Yuya Osako, Dominique Heintz, Milos Jojic, Pawel Olkowski, Lukas Klünter, Claudio Pizarro, Dominic Maroh, Sven Müller und Joao Queiros verließen den Klub, machten Platz für neue Akteure. Und Markus Anfang konnte einige seiner absoluten Wunschspieler verpflichten.

Aus der eigenen Jugend oder der zweiten Mannschaft wurden mit Bisseck, Bartels, Führich und Scott vier Spieler hochgezogen, mit Lasse Sobiech kam ein erfahrener Innenverteidiger aus St. Pauli. Ein weiterer Innenverteidiger schloss sich dem Effzeh mit Rafael Czichos an, der schon in Kiel Anfangs Führungsspieler im Defensivzentrum war. Mit Matthias Bader wurde ein talentierter Rechtsverteidiger aus Karlsruhe verpflichtet, Benno Schmitz, ebenfalls ein Rechtsverteidiger, wurde von RB Leipzig verpflichtet.

(Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Mit Niklas Hauptmann von Dynamo Dresden wurde das zentralen Mittelfeld verstärkt, Louis Schaub soll die offensive Abteilung beleben, ebenso Dominik Drexler, den Markus Anfang auch bereits aus Kiel kennt. Der Kader umfasst zum jetzigen Zeitpunkt 29 Spieler, dazu gehören auch die Talente, weiterhin sind vereinzelte Abgänge nicht auszuschließen. Betrachtet man den Kader zum jetzigen Zeitpunkt, so ist festzustellen, dass es eigentlich keine Problempositionen gibt. Sollte sich noch ein hervorragender Transfer ergeben, werden die Kölner zuschlagen. Dringend notwendig ist das aber nicht.

Die Mischung beim 1. FC Köln scheint zu stimmen, sei es bei den Neuverpflichtungen oder im gesamten Kader. Markus Anfang verfügt über gute Einzelspieler, die sein System schnell aufsaugen können, zudem mit Guirassy, Cordoba, Zoller, Terodde, Clemens, Risse, Özcan, Schaub und Drexler über enorm viel Offensivpotenzial. Die Mischung aus Geschwindigkeit und technischer Brillanz ist vorhanden, Spieler für das Umschaltspiel, aber auch für größere Ballbesitzmomente stehen zur Verfügung. Nun muss dieses Potenzial noch auf den Platz gebracht werden.

 

HSV: Aufbruchstimmung unter Christian Titz

Der Hamburger SV geht in seine erste Zweitligasaison in der Geschichte, doch die große Trauer nach dem Abstieg wich auch bei den Hanseaten schnell in eine gewisse Euphorie. Spätestens nachdem offiziell bekannt gegeben wurde, dass man mit Christian Titz in die 2. Liga gehen wird, kam eine gewisse Aufbruchstimmung auf. In Hamburg weiß man, dass die Chancen auf den Klassenerhalt wahrscheinlich größer gewesen wären, wenn Titz das Amt des Cheftrainers schon früher übernommen hätte.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Eines der Kernprobleme von Christian Titz in der Saison 2017/18 war die fehlende Zeit. Er wollte und musste für seine Vorstellungen von Fußball an so vielen Stellschrauben drehen, dass gar nicht alles auf einmal revolutioniert werden konnte. Trotzdem waren positive Aspekte schnell sichtbar, die Mannschaft versuchte mehr fußballerische Akzente zu setzen, wirkte spielfreudiger, spritziger, traute sich mehr zu. Hinzu kommt, dass Titz einige junge Spieler aufgebaut hat, ihnen das Vertrauen schenkte. Gerade Spieler wie Ito, Steinmann oder Jung blühten regelrecht auf. Und genau das erhofft man sich nun auch in der 2. Liga.

Es ist auffällig ruhig in Hamburg

Diverse Aussagen von Klaus-Michael Kühne, Abwanderungsgedanken von Spielern wie Kyriakos Papadopoulos, einige Verletzungen, das hohe Lasogga-Gehalt und die langen Diskussionen rund um Jann Fiete Arp: Der Hamburger SV bot eigentlich genügend Stoff, damit Unruhe einkehrt. Und diese Unruhe wäre, betrachtet man die letzten Jahre, keinesfalls ungewöhnlich gewesen. Doch von der großen Unruhe war in der Vorbereitung keine Spur. Alle brisanten Themen wurden souverän wegmoderiert, es kam gar nicht dazu, dass negative Schlagzeilen produziert werden konnten. Die Verantwortlichen des HSV haben gute Arbeit geleistet.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Zwar gab es beim Hamburger SV vor der Saison keine Bekenntnisse mit derlei Signalwirkung, wie man sie aus Köln von Horn und Hector kannte, jedoch konnte man sich zuletzt doch an einer Vertragsverlängerung erfreuen. Der junge und vom FC Bayern umworbene Stürmer Arp wird dem Hamburger SV mindestens in der kommenden Saison erhalten bleiben, steht nun bis 2020 unter Vertrag. Arp kann in der 2. Liga frei von jeglichem Abstiegsdruck zeigen, dass er ein Kandidat für die ganz großen Klubs ist und zudem noch dabei mithelfen, dass der HSV nicht nur aufsteigt, sondern auch eine höhere Ablösesumme für den jungen Angreifer erhält.

Bates, Jairo und einige Fragezeichen

Schon bevor der Abstieg des Hamburger SV überhaupt feststand, war klar, dass die „Rothosen“ mit einem deutlich geringeren Etat in Liga 2 gehen werden. Ein Transferplus sollte im Idealfall erwirtschaftet werden, dementsprechend hielt man sich auf dem Markt zurück. Zahlreiche Spieler erhielten einen Profivertrag, die Jugendförderung soll weiter forciert werden. Mit Manuel Wintzheimer kam ein talentierter Angreifer vom FC Bayern, Christoph Moritz soll das Mittelfeld stabilisieren, der bundesligaerfahrene Jairo Samperio die Offensive beleben. Zudem verpflichtete der HSV mit Khaled Narey einen sehr flexiblen Spieler, der als einziger (mit 1,7 Mio. Euro) eine Ablöse kostete.

(Photo by Martin Rose/Bongarts/Getty Images)

Doch der eigentliche Coup der Norddeutschen könnte tatsächlich die Verpflichtung von David Bates gewesen sein. Der 21-jährige Schotte kam von den Rangers und überzeugte in den Vorbereitungsspielen bereits, profitiert zudem von den Verletzungen von Jung und Papadopulos. Weitere Transfers sind nicht auszuschließen, zuvor muss man in Hamburg den Kader aber weiter ausdünnen. Filip Kostic und Albin Ekdal sind zwei prominente Namen, die Geld einbringen könnten. Aber auch weitere Abgänge, darunter Ausleihen von Ergänzungsspielern sind möglich. Der endgültige Kader wird also noch ein wenig von der jetzigen Besetzung abweichen.

Titz und die Lust auf Fußball

Die bisherigen Eindrücke aus der Vorbereitung zeigen, dass Christian Titz und sein Trainerteam einen klaren Plan verfolgen. Der Hamburger SV spielte teilweise sehr ansehnlichen Fußball, glänzte mit durchdachten Ballstaffetten, konnte die Gegner bereits mit einem guten, präzisen Spielaufbau enorm fordern. Bates wirkte nicht nur schnell im Kopf, sondern auch sauber im Passspiel, die erfahrenen Spieler brachten sich entsprechend ein, die Lust am Fußball wird nicht nur vom Trainer vorgelebt, sondern wurde ebenso von der Mannschaft verinnerlicht.

Daran erkennt man wie wichtig eine Vorbereitung für einen Trainer ist. Inhalte und Ausrichtungen in kürzester Zeit zwischen den Spielen zu vermitteln ist das Eine, die Grundlagen für eine möglichst hohe Flexibilität zu legen das Andere. Und genau das scheint man beim Hamburger SV zu beherzigen. Die Vorbereitung verläuft nicht nur ruhig, sondern auch erfolgreich, unter anderem wurde die AS Monaco mit 3:1 besiegt, die Ausfälle wurden aufgefangen. Sollte es nun noch gelingen die letzten Anpassungen im Kader nach Wunsch vorzunehmen sieht es in Hamburg nach einer vielversprechenden Saison aus – mit Fußball, der Spaß machen kann.

Fazit und Prognose

Der Schock nach dem Abstieg war bei beiden Mannschaften groß, doch sowohl der 1. FC Köln als auch der Hamburger SV konnte sich aufrappeln. Beide Vereine sind kurz vor dem Start der 2. Liga gut aufgestellt, haben vieles angepasst ohne sich komplett zu revolutionieren. Für den Hamburger SV beginnt die Mission Wiederaufstieg gegen Holstein Kiel, der Effzeh muss am 1. Spieltag zum VfL Bochum – und beide scheinen gut gewappnet.

Die internen Analysen scheinen vollends gelungen zu sein, die Spieler versprühen ein großes Selbstvertrauen. Natürlich werden beide Mannschaften aller Voraussicht nach mit Rückschlägen konfrontiert, müssen einen hohen Aufwand betreiben, fast immer das Spiel machen und werden vor jedem Spieltag als Favorit gesehen. Aber der schnelle Offensivfußball von Anfang und die grundsätzlichen, auf Dominanz ausgerichteten Veränderungen von Titz sind ideale Werkzeuge um tiefstehende und konterstarke Gegner zu bespielen.

Sollten beide von weiteren, schwerwiegenden Verletzungsproblemen verschont bleiben, dann stehen die Vorzeichen für den direkten Wiederaufstieg sehr gut. In der 2. Bundesliga tat sich in der letzten Saison keine Mannschaft hervor, die in der kommenden Spielzeit unbedingt zu den Topfavoriten zu zählen ist, weder hinsichtlich der Spielweise, noch aufgrund des Kaders.

Die 90PLUS-Prognose: Beide Mannschaften werden am Ende der Saison unter den Top-3 der Liga zu finden sein. Mindestens. 

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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