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Nachspielzeit: Das sind Peter Stögers größte Baustellen beim BVB

12. Dezember 2017 | Spotlight | BY David Theis

Zugegeben: Wer den BVB jüngst spielen sah, dem dürfte es schwerfallen, im Gewirr der Unzulänglichkeiten, taktischen Anfängerfehler und individuellen Patzer den Überblick zu behalten – geschweige denn die schwarzgelben Probleme von groß nach klein zu sortieren. Wir wagen es dennoch und versuchen euch einen Überblick über Peter Stögers wichtigste TO DOs zu verschaffen. 

Peter Stöger sei ein ausgezeichneter Motivator, so heißt es, wann immer jemand aus dem Umfeld seines Kölner Ex-Arbeitgebers über den humorvollen Österreicher spricht. Passenderweise trifft er in Dortmund nun auf ein Team, das letzthin so verängstigt wirkte, dass glatt der Eindruck entstand, der BVB habe seit Jahren kein Fußballspiel mehr gewonnen. All die Laufwege, die Borussias Spieler nicht nutzten, die Zweikämpfe, die sie nicht führten, die Pässe, die sie nicht spielten, waren in ihrer schieren Anzahl schlicht überwältigend für BVB-Fans. Regelmäßig waren daher im Stadion oder vor dem Fernseher wild gestikulierende Anhänger zu beobachten, die ihre Mannen scheinbar aus der Entfernung in Pressing- oder Torraumszenen zu schubsen versuchten. Doch es half nichts, der BVB spielte weiterhin wie gelähmt. Insofern ist Stögers kurzfristigste Aufgabe wohl auch die offensichtlichste: Blockaden lösen. Darum jedoch soll es in diesem Beitrag nur am Rande gehen. Denn die schwarzgelbe Krise besteht aus weit mehr als den Dingen, die sich die Borussia derzeit nicht mehr traut. Es geht auch um die Dinge, die sie allem Anschein nach nicht (mehr) kann.

 

Die Raumaufteilung in der Offensive

Besonders im Stadion, wo der Blickwinkel meist etwas weiter als vor einem Bildschirm ist, fiel von Woche zu Woche ins Auge, wie grundlegend die Offensivprobleme der (ehemaligen) Bosz-Elf sind: Was tut ein zentraler Mittelfeldspieler, wenn ein anderer dem ballführenden Innenverteidiger entgegengeht (und so einen Gegenspieler zum Öffnen eines Passraumes bringt)? In welcher Situation startet ein Außenstürmer durch, wann muss er mit dem Rücken zum Tor stehen? Wann verlagert ein „6er“ seine Position nach außen, wann bietet er eine zentrale Rückpassoption an? Nicht nur gegen Werder Bremen wirkte der BVB, als habe keiner seiner Feldspieler je eine dieser Fragen gehört. Will die Borussia sich jedoch wieder mehr Selbstvertrauen erspielen, funktioniert das nicht (nur) über nette Worte des neuen Trainers – sondern über das erfolgreiche Umsetzen einfacher Abläufe. An den besagten Automatismen fehlte es Bosz‘ Team aber zuletzt so eklatant, dass eine simple Manndeckung oft ausreichte, um sein Aufbauspiel komplett zum Erliegen zu bringen. Dass man eine solche jedoch nutzen kann, um den Gegner zu eigenen Fehlern zu zwingen, hat Peter Stöger an früheren Karrierestationen bewiesen.

(Photo by Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images)


Taktische Flexibilität

Zuletzt war der Vorwurf taktischer Eindimensionalität im Bezug auf Peter Bosz fast zum Klischee verkommen. Da stellte Dortmunds scheidender Coach plötzlich die eigene Formation um – und bewies seinen Kritikern dennoch, dass sie mit Vorwürfen nicht ganz so falsch lagen: Denn was nützt eine Veränderung auf dem Papier, wenn die auf dem Spielfeld besetzten Räume die gleichen bleiben? Und so zeichnete sich auch gegen Bremen, Leverkusen oder Schalke das altbekannte Bild: Eine verwaiste Mitte, in der Dortmunds größtes Talent, Julian Weigl, hilflos dem Ball hinterherschaut, während sich 3 bis 4 seiner weit aufgerückten Kollegen auf dem Flügel durch ein Nadelöhr zu kombinieren versuchen. Was Peter Bosz dabei verkannte, war das Kader-Ungleichgewicht, das Borussia Dortmund (wie so mancher Verein) seit Jahren mit sich herumschleppt. Ein Spielaufbau über Marcel Schmelzer oder Marc Bartra jedenfalls erscheint wenig sinnvoll, wenn dabei die Stärken von Akteuren wie eben Weigl fast gänzlich ungenutzt bleiben. Ohnehin erscheint der Wandel, den die Rolle jungen BVB-Regisseurs nach der Ära Tuchel durchlaufen hat, geradezu altmodisch: Ein Leichtgewicht wie Weigl zu einem robusten Gegenpressingspezialisten umfunktioneren zu wollen, erscheint zumindest nicht sonderlich fantasievoll. Will Peter Stöger also jedem einzelnen Borussen wieder zu mehr Selbstvertrauen verhelfen, kann es sicher nicht schaden, seine Spieler auch wieder das spielen zu lassen, was sie besonders gut können.


Das Auge für den Gegner

Das zweite Attribut, über das man schnell stolpert, wenn es um den Peter Stöger geht, ist die Qualität seiner Defensivarbeit. Auch hier scheint sich der Ex-Kölner den richtigen Arbeitgeber ausgesucht zu haben – denn beim BVB mangelt es defensiv an beinahe allem. Dennoch sticht im Urwald der schwarzgelben Abwehrmängel ein Muster besonders hervor: Borussias Spieler sind viel zu sehr auf den Ball fixiert.

Nun wird mancher zurecht anmerken, dass auch der Blick für den gegnerischen Laufweg eher zum Basis-Werkzeug eines Fußballers gehört. Dennoch scheint es dem BVB auch hier an der Einübung von simplen Abläufen zu mangeln. Und bei aller Kritik an der Kaderzusammenstellung von Borussia Dortmund: Einen Deckungsschatten zu stellen oder eine Manndeckung aufrecht zu erhalten, sollte man jedem Spieler in Peter Stögers Kader durchaus zumuten können. Insofern ist eine Kritik an der Kaderzusammensetzung der Borussia sicherlich nicht verfehlt – sie erklärt jedoch bei weitem nicht alle Sorgen in schwarzgelb.

Fazit:

Eine To Do-Liste für Peter Stöger ließe sich beinahe endlos fortführen. Da sich der BVB mit Stögers vorerst auf 6 Monate begrenzter Vertragsdauer jedoch (zunächst) eindeutig kurzfristige Ziele gesetzt hat, beenden wir sie an dieser Stelle. Ohnehin sei gesagt: Die vergangenen Erfolge von Borussia Dortmund waren nicht selbstverständlich und so grundsätzlich die obigen Anmerkungen auch erscheinen mögen: Stögers Aufgabe wird eine schwierige. Insofern wäre es bereits sehr beeindruckend, wenn er die drei genannten Punkte bis zum Frühjahr 2018 von seiner To Do-Liste streichen könnte.

 

David Theis

War schon ein Fußball-Nerd bevor es Laptops gab. Schläft mit einer Ausgabe von "Der Schlüssel zum Spiel" unterm Kopfkissen. Seit 2017 bei 90PLUS.


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