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Bundesliga | Von Kobel über Bellingham bis zu Kolo Muani: Das 90PLUS-Team der Saison 2022/23

29. Mai 2023 | Trending | BY Steven Busch

Eine spektakuläre Bundesliga-Spielzeit 2022/23 liegt hinter den Vereinen, Fans und Medien. Tränen, Enttäuschung sowie Glücksgefühle gehörten in gewohnter Manier zum Repertoire. Die 90PLUS-Redaktion hat nach heftigen Diskussionen eine Auswahl für das Team der Saison getroffen.

Bundesliga: Das Team der Saison 2022/23

Das Team einer Bundesliga-Saison – bestehend aus 34 Runden – auszuwählen, offenbart stets einer kniffligen Herausforderung. Gerade in der Spielzeit 2022/23 gilt für Vereine wie Profis gleichermaßen: Konstanz? Fehlanzeige! Beispielsweise erlebte Last-Minute-Titelträger FC Bayern München eine, nach eigenen Ansprüchen, zumindest durchwachsene Saison voller interner Querelen und sportlich dürftiger Leistungen.

In der Konsequenz schafften es auch „nur“ drei Akteure des deutschen Rekordmeisters in das (erweiterte) Aufgebot. Auffällig: Trotz des größten Erfolgs der Klubgeschichte – der erstmaligen Qualifikation für die UEFA Champions League – stehen auch lediglich Protagonisten des 1. FC Union Berlin in der Auswahl. Die Köpenicker schafften es wie kaum eine andere Mannschaft, ihre Stärken weniger aus der individuellen Performance, als vielmehr aus dem Kollektiv zu ziehen. Allen Widrigkeiten zum Trotz benennt die 90PLUS-Redaktion im Folgenden das Bundesliga-Team der Saison.

Tor:

Gregor Kobel (25 Jahre/ Nation: Schweiz/ Verein: Borussia Dortmund/ Vertrag bis 2026)

(Photo by JOHN MACDOUGALL/AFP via Getty Images)

Am Schweizer Schlussmann Gregor Kobel hat es beim BVB wahrlich nicht gelegen, dass der schwarz-gelbe Meistertraum auf den letzten Metern zerplatzte. Obwohl der 25-Jährige in den Auswärtspartien beim 1. FC Union Berlin und FC Bayern München folgenschwer patzte, durften die Westfalen insbesondere aufgrund der herausragenden Darbietungen ihres Torwarts bis zuletzt vom Titel träumen. Exemplarisch hielt der 1,94 m große Keeper in Frankfurt, Leverkusen oder Hoffenheim die knappen Siege mit teils wahnwitzigen Paraden fest.

Vor allem seine geistesgegenwärtigen Reflexe und die Qualitäten in Eins-gegen-eins-Situationen zeichnen den viermaligen Nationalspieler seines Landes aus. In 27 Bundesliga-Begegnungen stand bei Kobel ganze elfmal die „weiße Weste“ (Platz drei in diesem Ranking). Die Paradenquote von prozentualen 73,3 werden unter den Stammtorhütern nur von Frederik Rönnow (77,7 Prozent) übertrumpft.



Abwehr:

Jeremie Frimpong (22 Jahre/ Nation: Niederlande/ Verein: Bayer 04 Leverkusen/ Vertrag bis 2025)

In allen 34-Bundesligapartien kam Jeremie Frimpong für die „Werkself“ zum Einsatz. Dabei verbuchte der Rechtsverteidiger(!), welcher gerne auch als Schienenspieler agiert, erstaunliche acht Tore und sieben Assists. Neben seinem außergewöhnlichen Tempo (Topspeed 36 km/h) verfügt der 22-Jährige ebenso – auch in höchster Geschwindigkeit – über enorme Qualitäten im Dribbling. In diesem Segment sind 2,5 direkte Duelle pro 90 Minuten für den 1,71 m großen Wirbelwind notiert (Platz drei innerhalb der Liga).

Von diesen Dribblings gewann der Niederländer starke 61 Prozent. Durch seinen Offensivdrang werden Schwächen in der Defensivabsicherung – parallel zum Pendant Guerreiro auf der linken Abwehrposition – übertüncht. Ob Frimpong auch in der kommenden Saison für Bayer 04 Leverkusen auf dem Platz stehen wird, ist angesichts der brodelnden Gerüchteküche (Manchester United, FC Arsenal, FC Barcelona etc.) ungewiss.

Matthias Ginter (29 Jahre/ Nation: Deutschland/ Verein: SC Freiburg/ Vertrag bis 2027)

Nach der Rückkehr in seine Geburtsstadt Freiburg etablierte sich Matthias Ginter umgehend als unumstrittener Leistungsträger und Chef der Abwehrkette im Streich-Team. Der deutsche Weltmeister von 2014 ist kein Mann forscher Töne, aber sportlich ein absoluter Fixpunkt beim SC. Den konstanten Darbietungen des 29-Jährigen, der 63 Prozent seiner Zweikämpfe positiv bestritt, ist es zu verdanken, dass die Breisgauer die viertbeste Defensivreihe der Bundesliga stellten (44 Gegentore) und sich erneut für die Europa League qualifizieren konnten. Bei den erfolgreichen „Clearances per Game“ liegt der 1,91 m große Innenverteidiger mit 4,4 unter den Top 10 der Liga. Auch offensiv wusste der 50-fache Nationalspieler Ginter mit vier Saisontreffern zu gefallen.

Matthijs de Ligt (23 Jahre/ Nation: Niederlande/ Verein: FC Bayern München/ Vertrag bis 2027)

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Die Erwartungen an Innenverteidiger Matthijs de Ligt waren nach dem 67-Millionen-Euro-Transfer im vergangenen Sommer im Umfeld des deutschen Rekordmeisters wenig überraschend hoch. Der Niederländer überzeugte allerdings in der Spielzeit 2022/23 als eine der wenigen verlässlichen Größen beim FC Bayern München. Im Champions-League-Achtelfinale gegen Paris Saint-Germain sorgte der 23-Jährige mit einer heroischen Rettungsaktion für eines der Bilder der Saison.

Neben den temporären Ausflügen in die gegnerische Hälfte zeichnet den 1,89 m großen Abwehrhünen vor allem seine Ruhe und Sicherheit aus. In der statistisch beste Defensivabteilung der Liga (38 Gegentreffer – wie der 1. FC Union Berlin) bestach de Ligt mit der zweithöchsten Passquote aller Profis der deutschen Beletage des Fußballs (91,3 Prozent angekommene Zuspiele). Nur Gladbachs Nico Elvedi verbuchte einen marginal besseren Wert (91,7 Prozent).

Raphael Guerreiro (29 Jahre/ Nation: Portugal/ Verein: Borussia Dortmund/ Vertrag bis 2023)

Dass Linksverteidiger Raphael Guerreiro – dessen strategische Qualitäten auch als „Achter“ perfekt zur Geltung kommen – über eine herausragende offensive Güteklasse verfügt, wird gewiss niemand anzweifeln. Zum Beleg stellt der portugiesische Europameister von 2016 mit 12 Assists – je nach statistischer Lesart – einen der respektive den besten Vorlagengeber der Bundesliga-Saison 2022/23. Ebenso wie die Fähigkeiten des introvertierten Edeltechnikers im Vorwärtsgang sind die defensiven Nachlässigkeiten (nur 53 Prozent gewonnene Zweikämpfe) und seine latente Verletzungsanfälligkeit bekannt.

Der 1,70 m große Guerreiro agiert als verkappter Spielgestalter des BVB über den linken Flügel. In der abgelaufenen Saison wurden bärenstarke 2,1 „Key Passes“ pro 90 Minuten für den 29-Jährigen notiert, ein Top-10-Wert im deutschen Oberhaus. Zum 30. Juni 2023 läuft der Kontrakt des 63-fachen Auswahlspielers seines Landes bei Borussia Dortmund aus. Am gestrigen Sonntag wurde bekannt, dass dieser nicht verlängert wird.

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Mittelfeld:

Ellyes Skhiri (28 Jahre/ Nation: Tunesien/ Verein: 1. FC Köln/ Vertrag bis 2023)

Neben Kapitän Jonas Hector wird mit Ellyes Skhiri ein weiteres zentrales Puzzlestück den 1. FC Köln aller Voraussicht nach im Sommer verlassen. Kaum ein anderer Profi der Fußball-Bundesliga verübt derart verlässlich und unaufgeregt seinen Job. Als kompromissloser Abfangjäger vor der Abwehrkette ist er im Baumgart-Team gleichzeitig Herz und nimmermüde Lunge. Sowohl in Sachen Tacklings (2,5 pro Spiel), als auch bei den „Interceptions“ (Abfangen des Balls, Anm. d. Red.; 1,8 pro 90 Minuten) gehörte er zu den Top-10-Profis der Liga. Ein Abgang des 54-fachen tunesischen Nationalspielers Skhiri wird tiefe Spuren im Gefüge der Domstädter hinterlassen, insbesondere da der 28-Jährige auch über unterschätzte Offensivqualitäten verfügt (sieben Saisontreffer).

Jude Bellingham (19 Jahre/ Nation: England/ Verein: Borussia Dortmund/ Vertrag bis 2025)

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Liebend gerne hätte Jude Bellingham am letzten Bundesliga-Spieltag der Dortmunder Borussia bei der „Mission Titel“ aktiv geholfen, doch ausgerechnet in der Schlussphase der Saison machte dem Mittelfeldmotor das vermaledeite Knie ein Strich durch die Rechnung. Über welche Reife und Abgezocktheit der Engländer, trotz gerade einmal 19 Lenzen, verfügt, sucht in der deutschen Beletage nichtsdestotrotz seinesgleichen. Acht Tore und fünf Assists trug der Youngster zur furiosen Aufholjagd des BVB in 31 Einsätze bei.

Mit 2,8 Dribblings pro 90 Minuten, davon 67 Prozent erfolgreich, hat Bellingham die Spitzenposition der Liga inne. Zumeist ist der 24-fache Nationalspieler seines Landes während seiner grazilen Bewegungen nur regelwidrig zu stoppen. Durchschnittlich 2,4 Fouls gegen ihn werden nur vom Gladbacher Manu Kone (2,5) knapp überboten. Ein Wechsel des Superstars – trotz Vertrages bis 2025 bei den Westfalen – zu Real Madrid steht unmittelbar bevor.

Vincenzo Grifo (30 Jahre/ Nation: Italien/ Verein: SC Freiburg/ Vertragslaufzeit unbekannt)

In der Redaktionskonferenz hat kaum ein Profi, hinsichtlich der Berufung ins Bundesliga-Team der Saison, einen derartigen Zuspruch erhalten wie Vincenzo Grifo. Der neunfache italienische Nationalspieler (vier Treffer) bestach im gesamten Verlauf dieser Runde mit seinen technischen wie strategischen Fertigkeiten und wäre beinahe sogar mit dem Titel des Torschützenkönigs belohnt worden (15 Tore, nur Nkunku sowie Füllkrug trafen häufiger). Statistisch belegen 1,7 „Key-Passes“ pro 90 Minuten die Wertigkeit des 30-Jährigen für das mannschaftliche Gefüge in Freiburg. Den 1,80 m großen Grifo zeichnet zudem eine Melange aus exzellenten Standards und präzisen langen Bällen (52 Prozent angekommen) aus.

Christopher Nkunku (25 Jahre/ Nation: Frankreich/ Verein: RB Leipzig/ Vertrag bis 2026)

Trotz gerade einmal 25 Bundesliga-Einsätzen hat es Christopher Nkunku in diese Auflistung geschafft. Nicht nur, aber selbstredend auch wegen seiner 16 Saisontreffer (Torschützenkönig gemeinsam mit Füllkrug) erhielt der Franzose die verdiente Berufung. Lange Zeit durch muskuläre Probleme gebeutelt, offenbarte der 25-Jährige in den entscheidenden Momenten dennoch seine nonchalante Technik und Dribbelstärke (58 Prozent gewonnene Duelle). Drei Schüsse pro Begegnung werden nur von Marcus Thuram getoppt (3,1). Den Vertrag bis 2026 bei RB Leipzig wird Nkunku nicht erfüllen und sich stattdessen im Sommer dem FC Chelsea anschließen.



Angriff:

Niclas Füllkrug (30 Jahre/ Nation: Deutschland/ Verein: Werder Bremen/ Vertrag bis 2025)

Während der Weltmeisterschaft in Katar stieg Niclas Füllkrug zum (einzigen) deutschen Hoffnungsbringer empor. Parallel zu seinen starken Leistungen im DFB-Trikot – sechs Spiele, sechs Tore – avancierte „Lücke“ auch im Vereinsleben bei Werder Bremen zum Garanten des frühzeitigen Klassenerhalts der Hanseaten. Zur Belohnung gab es für den 30-Jährigen, dank 16 Saisontreffern, die Torjägerkanone serviert. Der gebürtige Hannoveraner ist kein Edeltechniker, aber besticht durch Willenskraft und Kaltschnäuzigkeit im Abschluss. Mit 2,8 Schüssen sowie 5,5 gewonnenen Kopfballduellen pro 90 Minuten verbuchte der 1,89 m große Angreifer Top-3-Werte der Liga. In einem anderen Ranking hätte Füllkrug womöglich gerne auf die Auszeichnung verzichtet: Er war der Profi mit den durchschnittlich meisten Abseitsstellungen des nationalen Oberhauses.

Randal Kolo Muani (24 Jahre/ Nation: Frankreich/ Verein: Eintracht Frankfurt/ Vertrag bis 2027)

(Photo by DANIEL ROLAND/AFP via Getty Images)

Den meisten ExpertInnen war der Name Randal Kolo Muani im Vorfeld der Saison 2022/23 wahrscheinlich nur bedingt geläufig. Nach seinem ablösefreien(!) Wechsel vom FC Nantes zur Frankfurter Eintracht eroberte der Franzose die Herzen am Main im Flug. Mit 15 Toren und 14 Assists (laut Kicker) wurde der 24-Jährige als bester Scorer der abgelaufenen Spielzeit ausgezeichnet. In vielerlei statistischen Aspekten ist der 1,87 m große Stürmer mit den markanten, unorthodoxen Bewegungen einzigartig.

Sowohl bei den Schüssen (2,4), Dribblings (2,2), erlittenen Fouls (2,2) sowie Abseitsstellungen (0,7) pro Partie gehörte Kolo Muani zu den ligainternen Top-10. Die Performances des Shootingstars sind der wirtschaftlich potenten europäischen Konkurrenz nicht verborgen geblieben und deswegen gilt ein schnelles Ende der Liaison mit dem (noch) amtierenden Europa-League-Sieger aus Hessen als nicht ausgeschlossen.

Bank:

Alle Profis auf der Bank hätten die Berufung in die erste Elf des Teams der Saison in gewisser Weise auch verdient. Mark Flekken war der Schlussmann mit den meisten „weißen Westen“ (13) und parierte über 67 Prozent der Torschüsse. Rechtsverteidiger Benjamin Pavard entwickelte ungeahnte Offensivqualitäten (vier Treffer) und sorgte zumeist für defensive Stabilität beim FC Bayern München. Mit Robin Knoche lässt sich ohne Umschweife ein stiller Held der Spielzeit 2022/23 küren.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der 30-Jährige vom 1. FC Union Berlin sorgte mit leidenschaftlicher Arbeit für die beste Abwehrbilanz der Liga (nur 38 Gegentreffer). Vor allem eine herausragende Hinserie spielte Sheraldo Becker für die Köpenicker. Am Ende standen 18 Scorerpunkte für den Niederländer zu Buche. Julian Brandt und Dominik Szoboszlai absolvierten die jeweils stärksten Phasen ihrer Engagements in Dortmund und Leipzig, untermauert durch zahlreiche Scorerpunkte. Supertalent Jamal Musiala schoss den deutschen Rekordmeister mit seinem Last-Minute-Treffer in Köln zur Meisterschaft.

Das Bundesliga-Team der Saison im Überblick:

Kobel – Frimpong, Ginter, de Ligt, Guerreiro – Skhiri, Bellingham – Grifo, Nkunku – Kolo Muani, Füllkrug

Bank: Flekken (SC Freiburg), Pavard (FC Bayern), Knoche (1. FC Union Berlin), Brandt (Borussia Dortmund), Szoboszlai (RB Leipzig), Becker (1. FC Union Berlin), Musiala (FC Bayern)

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Steven Busch

Die Außenristpässe eines Tomás Rosicky entfachten seinen Enthusiasmus für den Fußball und die Affinität zu den schwarzgelben Borussen aus dem Ruhrgebiet. WM-Held Mario Götze brach ihm mit dem Wechsel in den Süden der Republik einst sein Fanherz und der Glaube an die Fußballromantik schwand.


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