Am Ende war keiner so richtig zufrieden mit dem Ergebnis. Borussia Dortmund führte lange und musste sich letztendlich mit nur einem Punkt begnügen und Bayer 04 Leverkusen musste trotz erdrückender Dominanz das zweite Remis der Saison hinnehmen. Die Werkself ging die Partie wie gewohnt im 3-4-3 an, während der BVB zumindest auf dem Papier in einem 4-2-3-1 auflief.
Nach einem ruhigen Spielaufbau wurde ein langer Ball auf Niclas Füllkrug geschlagen. Als dieser den Ball kontrollieren konnte und auf Jamie Bynoe-Gittens spielte, begab sich Marcel Sabitzer im Vollsprint an die Strafraumkante. Dort belagerte er zusammen mit dem Mittelstürmer sowie Marco Reus die Leverkusener Dreierkette, während Julian Ryerson, Julian Brandt und Bynoe-Gittens den linken Flügel besetzten und dort für eine Überzahlsituation sorgten. Dann ging es schnell und die beiden Hauptakteure lauteten Füllkrug und Reus.
Der Ex-Kapitän ging ein paar Meter zurück und forderte vehement den Ball vor dem Strafraum, da dort kein Leverkusener zur Stelle war. Bynoe-Gittens, der mit seiner Positionierung Jeremie Frimpong außen band, spielte in die Mitte, Exequiel Palacios versuchte vergeblich Reus zu stören, der allerdings sofort auf Sabitzer spielte. Der Österreicher leitete recht glücklich per Hacke zu Füllkrug weiter, der wiederum den Ball extrem stark absicherte und auf einen passenden Empfänger wartete. Hier kam wieder Reus ins Spiel: Nach seinem Initialpass startete er sofort einen Lauf in die Tiefe, der sowohl Jonathan Tah als auch Odilon Kossounou in Alarmbereitschaft versetzte. Die beiden nahmen die Verfolgung auf und so öffnete sich ein kleiner Raum für Ryerson, der zuvor einrückte. Füllkrug bediente ihn clever und der Norweger schloss trocken zur frühen Führung ab.
Reus zieht gleich zwei Mitspieler auf sich und öffnet den Passweg auf Ryerson, der dadurch frei zum Abschluss kommt.
Direktes Passspiel, clevere Tiefenläufe, viel Bewegung, die Physis von Füllkrug und eine enorm gute Strafraumbesetzung: Der BVB spielte mit einem klaren Plan, gut koordinierten Abläufen sowie dem nötigen Mut. Das Problem: Danach ging nach vorne gar nichts mehr. Vor allem Sabitzer und Ryerson suchten zwar immer wieder den Weg nach vorne, um weitere Überzahlsituationen zu kreieren, aber es fehlte die Präzision, um diese dann auch auszuspielen. Da Leverkusen die gewohnte Dominanz zeigte, wurde auch der Respekt der Gäste deutlich spürbar. Der BVB wurde viel zu passiv, ließ sich in der eigenen Hälfte einschnüren und sorgte kaum noch für Entlastung.
Mehr News und Storys rund um die Bundesliga
Terzics defensiver Ansatz: Zentrum dicht statt Spielkontrolle
Das lag insbesondere am Mittelfeld, das kaum den Ball halten konnte. Dortmund stand extrem tief, teilweise mit neun Feldspielern im eigenen Strafraum und setzte auf lange Bälle in Richtung Füllkrug. Dass dieser regelmäßig seine Duelle verlor, war vorprogrammiert. So bekam der BVB keine Ruhe in sein Spiel und überließ Bayer den Ball. Da Brandt und Reus extrem fleißig in der Defensive waren, hatte die Werkself allerdings auch Probleme, im Zentrum für Gefahr zu sorgen. Die Mitte, so war auch der Plan, war fast durchgehend dicht. Leverkusen hatte den Ball nicht dort, wo sie ihn eigentlich haben wollten.
Florian Wirtz und Jonas Hofmann wurden ständig bewacht und die sonst so zielgenauen Kombinationen der Werkself wurden in Bereiche verdrängt, die für die Gäste angenehm waren. „In der Mitte war es ziemlich eng und deswegen musste ich mir Raum auf den Außen suchen“, erklärte Wirtz nach dem Spiel. So wollte es der BVB auch. Denn wenn das Spiel der Leverkusener auf eines nicht ausgerichtet ist, dann auf Flanken. Der Tabellenführer hat in der laufenden Spielzeit gerade einmal 96 Flanken geschlagen. Nur Darmstadt und Frankfurt versuchten es noch seltener. 31 dieser Hereingaben wurden im Spiel gegen Dortmund geschlagen und nur eine fand ihr Ziel. „Wir haben es geschafft, sie zu zwingen, paar Dinge zu tun, die sie nicht so gerne haben“, teilte Terzic auf der Pressekonferenz nach dem Spiel mit.
(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)
Sein Plan ging dahingehend voll auf – allerdings auf Kosten der Offensive. Kurz vor der Pause zeigte sich auch, warum der BVB so auftrat. Nach einem Ballgewinn sah es kurzzeitig so aus, als könnten die Gäste zur Abwechslung mal wieder einen Angriff starten, Ryerson machte sich auf den Weg nach vorne, um wieder für eine Überzahlsituation zu sorgen. Doch dann ging der Ball verloren, der Linksverteidiger fehlte hinten und die Gastgeber spielten ihre Stärken voll aus. Victor Boniface machte den Ball fest, Hofman spielte raus auf Frimpong, der nicht mehr einzufangen war und Wirtz bediente. Dieser nutzte einen Blackout von Marius Wolf zum vermeintlichen 1:1 aus. Einmal war ein wenig Platz da und sofort klingelte es. Dass der nigerianische Stürmer zuvor minimal im Abseits stand, war aus Dortmunder Sicht enorm glücklich.
Dortmund mit (zu) viel Respekt vor Leverkusen
Spätestens jetzt war es klar: Geht Dortmund auch nur ein minimales Risiko ein, steht ein wenig höher oder nicht so dicht gestaffelt, wird Leverkusen es sofort bestrafen. Dementsprechend passiv blieb Dortmund dann auch über die zweite Halbzeit. Der Vizemeister spielte wie ein Aufsteiger und dachte sich: „Das müssen wir über die Zeit bringen.“
Doch die Defensive bröckelte im Verlauf des zweiten Durchgangs ein wenig. Brandt und Reus fehlten zunehmend die Kraft, um schnell nach hinten zu laufen, sodass der Sechserraum dann öfters von Can und Sabitzer besetzt werden musste. Die Dortmunder wirkten müde, was nach dem Kraftakt unter der Woche in Mailand nur allzu verständlich war. Dazu lief man beim Spitzenreiter der Bundesliga 90 Minuten dem Ball hinter her. Irgendwann tritt dann die Müdigkeit ein und dadurch auch Konzentrationsfehler. So ergaben sich mit der Zeit Räume für die Alonso-Elf, die sie zuvor nicht hatten.
So fiel dann auch der Ausgleich. Kossounou dribbelte immer wieder an, aber anstatt wie im ersten Durchgang auf ein Bollwerk zuzulaufen, hatte er vor sich Platz. Der eingewechselte Karim Adeyemi stand im Vergleich zu Bynoe-Gittens deutlich höher und konnte deshalb nur noch die Verfolgung aufnehmen. Dadurch musste sich Ryerson auf der linken Seite alleine auf Frimpong konzentrieren. Es entstand eine Lücke, durch die der Innenverteidiger dribbeln konnte. Dass Mats Hummels sich dann einen Bock leistete und auf einen Pass zu Frimpong spekulierte, führte zum hochverdienten Ausgleich. In der ersten Halbzeit wären wohl noch weitere schwarzgelbe Akteure in der letzten Reihe gewesen, sodass der Schritt nach Außen womöglich nicht sofort zum Gegentreffer geführt hätte. So hatte der eingewechselte Patrik Schick leichtes Spiel, Boniface zu finden, der nur noch einschieben musste.
Der verdiente Ausgleich: Kossounou hat nur noch Hummels direkt vor sich, der sich verspekuliert und so den Raum für Schick öffnet.
Terzic hat Recht, wenn er sagt, dass seine Mannschaft leidenschaftlich und gut verteidigt hat, aber es war auch ein ganz klares Eingeständnis der eigenen Unterlegenheit. Der BVB spielte in Leverkusen wie ein gut eingestellter Underdog. Aus Angst vor dem Gegner wurde aber das Spiel mit dem Ball eingestellt. Es fehlt schlichtweg die Qualität, um Gegner dieser Klasse auch nur über kurze Phasen zu kontrollieren. Lieber schenkte man den Ball her, machte das Zentrum dicht und konzentrierte sich auf die Defensive. Es ist ein komplett legitimer und in der aktuellen Situation auch wohl der richtige Ansatz, um gegen die Alonso-Elf zu bestehen. Einen offenen Schlagabtausch hätte man definitiv nicht gewonnen. Das zeigten die Situationen beim Ausgleich und dem Abseitstor. Doch nach fünf Minuten das Offensivspiel quasi einzustellen, war definitiv zu passiv.
Der BVB, so viel ist klar, gehört nicht mehr zur absoluten Spitzengruppe der Bundesliga. Eine Mannschaft, die weder konstruktiven Ballbesitz-, noch gefährlichen, präzisen Umschaltfußball auf den Rasen bringen kann, sondern sich oft auf individuelle Qualitäten verlassen muss, wird nicht um Titel mitspielen können. Nicht bei der starken Konkurrenz in dieser Saison.
(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)