Dr. Jekyll & Mr. Hyde – Die Erkenntnisse zum BVB-Erfolg über PSG

2. Mai 2024 | News | BY Steven Busch

Angetrieben durch ein frenetisches Publikum im Signal-Iduna-Park konnte Borussia Dortmund anlässlich des Champions-League-Halbfinal-Hinspiels das Starensemble von Paris Saint-Germain mit 1:0 bezwingen. Die Tür in Richtung Finale auf der „Road to Wembley“ ist einen Spalt geöffnet. Einmal mehr zeigte der BVB am Mittwochabend sein Königsklassen-Gesicht der Saison 2023/24. Unser 90PLUS-Redakteur Steven Busch liefert Euch drei Erkenntnisse zum Erfolg der Schwarz-Gelben!

BVB-Erfolg über PSG – Drei Erkenntnisse zur Champions-League-Partie

„Da haben wir unsere miese Bundesliga-Saison durch eine sehr gute Champions-League-Saison kaschiert!“ Mit diesen wirkungsvollen wie zutreffenden Worten bewertete BVB-Routinier Mats Hummels im Anschluss an das Champions-League-Halbfinal-Hinspiel gegen Paris Saint-Germain (1:0) die vorzeitige Qualifikation für die kommende Spielzeit in der Königsklasse. Hintergrund: Durch die Champions-League-Reform werden zwei weitere Plätze im elitären Wettbewerb über ein UEFA-Einjahresranking vergeben. Nach der italienischen Serie A darf sich nun auch die Bundesliga über diese lukrative Belohnung freuen. Profiteur: Borussia Dortmund!



Aber wie Hummels bereits andeutete, kann niemand im schwarz-gelben Lager ansonsten mit der Saison in der Beletage des deutschen Fußballs zufrieden sein. (Noch-)BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke blies in dasselbe Horn, als er konstatierte, dass Platz fünf „nicht der Anspruch des BVB“ sei. Tapetenwechsel! Am gestrigen Abend offenbarten die Westfalen in den öffentlichkeitswirksamen Gefilden der Königsklasse einmal mehr ihr glanzvolles Gefieder. Zweikampfstark, akribisch, bissig, effizient – Tugenden, von denen Borussia Dortmund im Bundesliga-Alltag nur selten zehrt. Es ist mit dem achtfachen deutschen Meister wie im Filmklassiker Dr. Jekyll & Mr. Hyde – eine Melange aus strahlendem Lächeln und hässlicher Fratze! Welche Erkenntnisse überwiegen aber nunmehr?

1. Erkenntnis: BVB = International hui, national pfui!

Während das nationale Brot- und Buttergeschäft Bundesliga (Platz fünf) und DFB-Pokal (0:2 im Achtelfinale beim VfB Stuttgart) dem BVB in dieser Saison schwer von Hand geht, folgen regelmäßige Glanzvorstellungen auf europäischem Terrain. Die Mannschaft schafft es bislang, mit wenigen Ausnahmen, nur in der Champions League über sich hinauszuwachsen. Auf einmal werden die treuen Fans im Signal-Iduna-Park mit verschollen geglaubten Attributen wie Angriffspressing oder Kombinationsfreudigkeit verwöhnt.

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Doch warum nicht in der Bundesliga? Es gibt manchmal unerklärliche Spielzeiten, in denen eine solch eklatante Dysbalance zwischen den einzelnen Wettbewerben zutage tritt. Beispiel gefällig? Auch der 1. FC Kaiserslautern erlebt eine Saison der Extreme. Abstiegskampf in Liga zwei, aber zugleich DFB-Pokalfinalist. Ähnlich gelagert ist der Fall BVB. Vielleicht fehlt es dem Kader schlicht an taktischer Reife oder individueller Qualität, um im nationalen Alltag konstant zu performen. Sobald aber die Champions-League-Hymne erklingt, wirkt die Mannschaft von Trainer Edin Terzic fokussierter respektive motivierter. Exemplarisch dafür steht die Defensivabteilung der Schwarz-Gelben. Neun „weiße Westen“ in 31 Bundesliga-Partien (29 Prozent) sind ein solider Wert, aber fünf Zu-Null-Spiele in lediglich elf Begegnungen der Königsklasse (45 Prozent) lassen sich in einem vermeintlich stärkeren Teilnehmerfeld als außergewöhnliches (Zwischen-)Zeugnis bilanzieren.

Es wirkt fast so, als wären alle (kleinen) Puzzleteile im BVB-Aufgebot mittlerweile auf die Mission „Road to Wembley“ eingeschworen. Ein großes Ziel! Neben der mannschaftlichen Geschlossenheit trumpfen auch einzelne Protagonisten in der Champions League in nonchalanter Manier auf. Sinnbildlich fungiert die Personalie Karim Adeyemi. Am vergangenen Wochenende bei der 1:4-Pleite in Leipzig aufgrund einer indisponierten Darbietung noch zur Pause ausgewechselt, wirkte der Tempodribbler gegen PSG wie verwandelt und malochte bis die Kräfte ihm schließlich ausgingen.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

2. Erkenntnis: Niclas Füllkrug kann auch in wichtigen Spielen für den BVB treffen

Im Sommer 2023 wechselte Angreifer Niclas Füllkrug für kolportierte 16,5 Millionen Euro vom SV Werder Bremen zu Borussia Dortmund. Eine Reaktion auf die Verletzungssorgen beziehungsweise latente Formschwäche beim angestammten Platzhalter auf dieser Position – Sébastien Haller. Obwohl „Fülles“ Quote in seiner Debütsaison im schwarz-gelben Trikot durchaus bemerkenswert erscheint – wettbewerbsübergreifend bislang 25 Scorerpunkte in 40 Einsätzen – wird der deutsche Nationalspieler bisweilen kritisch beäugt.

Zu wenig ins Spiel eingebunden, technische Unzulänglichkeiten oder übertriebene Theatralik – der 31-Jährige muss noch um die Gunst der AnhängerInnen kämpfen. Am besten schießt sich ein Mittelstürmer über wichtige Tore in die Herzen der Fans. Und in dieser Disziplin wird der einsatzfreudige Füllkrug immer wichtiger für den BVB. Exemplarisch dafür stehen Treffer im Bundesliga-Topspiel gegen Bayer 04 Leverkusen oder in den Champions-League-Krachern gegen Atlético de Madrid und Paris Saint-Germain.

Ein Siegtor, wie am gestrigen Abend gegen PSG, ist Balsam auf die Seele jedes Offensivakteurs. Besonders der extrovertierte Füllkrug, der reflektiert wie realistisch seine Stärken und Schwächen einschätzen kann, giert offenkundig nach der Liebe der BVB-Fans. Sollte dem deutschen Nationalspieler (15 Spiele/ elf Tore) weitere Treffer in dieser Saison gelingen, dürfte damit die Nominierung für den EM-Kader zur Gewissheit und zudem die Mission „Road to Wembley“ nicht zur Utopie für Borussia Dortmund werden.

(Photo by FRANCK FIFE/AFP via Getty Images)

3. Erkenntnis: Für den Champions-League-Triumph bedarf es auch eines Quäntchen Glücks

Wenn der vermeintliche Außenseiter BVB ein Champions-League-Duell mit dem Starensemble von Paris Saint-Germain erfolgreich bestreiten möchte, bedarf es dafür auch eines Quäntchen Glücks. Selbstredend sind Offensiv-Virtuosen wie Mbappé, Dembélé und Co. nicht gänzlich abzuschalten. Folgerichtig braucht es disziplinierte, mannschaftlich geschlossene Defensivarbeit, einen  formidablen Torhüter wie Gregor Kobel, aber auch etwas Fortune.

So durften sich die Westfalen in der 52. Minute des Halbfinal-Hinspiels gleich in doppelte Hinsicht beim Aluminium bedanken, denn sowohl Kylian Mbappé als auch Achraf Hakimi verpassten die Egalisierung des Resultats nur um Zentimeter. Sollte sich dieser Glückszustand auch am kommenden Dienstag (21 Uhr/Prime Video) im Pariser Prinzenpark fortsetzen, kann der BVB den Finaleinzug packen.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

(Photo by Lars Baron/Getty Images)

Steven Busch

Die Außenristpässe eines Tomás Rosicky entfachten seinen Enthusiasmus für den Fußball und die Affinität zu den schwarzgelben Borussen aus dem Ruhrgebiet. WM-Held Mario Götze brach ihm mit dem Wechsel in den Süden der Republik einst sein Fanherz und der Glaube an die Fußballromantik schwand.


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