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BVB-Entwicklung unter Terzic: Plötzlich wieder Titelkandidat?

4. November 2023 | Spotlight | BY Damian Ozako

Der BVB empfängt am Samstagabend den FC Bayern München. Im Schatten anderer Mannschaften erkämpfte sich die Terzic-Elf langsam, aber sicher eine ansprechende Form. Reicht dies, um nochmal im Titelkampf eingreifen zu können?

Vor dem Duell mit dem FC Bayern: Ist mit dem BVB zu rechnen?

Bayer 04 Leverkusen spielt den attraktivsten sowie erfolgreichsten Fußball in der Bundesliga, der VfB Stuttgart zeigt ebenfalls sehr ansprechende, durchdachte sowie erfolgreiche Spielansätze, RB Leipzig hatte zwar schon den ein oder anderen Patzer, aber bleibt weiterhin gefährlich und der FC Bayern ist nun einmal der FC Bayern. „Die Konstellation der Bundesliga ist sehr erfreulich, die Spitze enger zusammengerückt. Mehrere Teams können spielerisch mithalten. Für mich ist Bayer Leverkusen sogar der größte Rivale der Bayern“, brachte es Lothar Matthäus zuletzt in einem kicker-Kommentar auf den Punkt.

Ein Aspekt, der in den vergangenen Wochen ein wenig unterschlagen wurde, nannte der Rekordnationalspieler allerdings auch: „Den BVB muss ich loben, wie er aus der pikanten Situation mit verspielter Meisterschaft und mäßigem Saisonstart herausgekommen ist. Deshalb ist mit ihm bei der Titelvergabe zu rechnen.“

Ambitionen auf dem Platz zunächst nicht gezeigt

Nach dem katastrophalen Ende der vergangenen Spielzeit präsentierten sich die Schwarzgelben äußerst ambitioniert. Der Tenor: Mit uns ist zu rechnen. „Der Schmerz aus diesem Spiel wird die Motivation für morgen sein“, erklärte Edin Terzic im August im Aktuellen Sportstudio in Bezug auf das 2:2 gegen Mainz, bei dem der BVB den Titel verspielte. Der 41-Jährige blickte dennoch auch positiv auf seine erste vollständige Saison als Cheftrainer: „Wir haben viele Dinge entstehen lassen, unser Weg geht weiter.“

Er sollte Recht behalten, denn man erkannte viele Aspekte des Dortmunder Spiels, die an die vergangene Saison erinnerten. Und zwar vor allem an die extrem durchwachsene Hinrunde. Dortmund startete mit einem super glücklichen 1:0-Sieg gegen den 1. FC Köln. In Anbetracht der darauffolgenden Leistungen der Domstädter unterstreicht dies den schwachen Auftritt des BVB. Es folgten zwei Unentschieden gegen den VfL Bochum (1:1) und Heidenheim (2:2). Der Schulterschluss mit den Fans, der in den Monaten zuvor entstand, war dahin. Das Team rund um Neu-Kapitän Emre Can war extrem weit davon entfernt, die Stabilität und offensive Wucht der letzten Rückrunde auf den Platz zu bringen.

Gegen Freiburg (4:2) gab es zwar einen Befreiungsschlag, aber auch nur deshalb, weil die Breisgauer einen Platzverweis kassierten. Wenige Tage später war gegen Paris Saint-Germain (0:2) direkt wieder zu sehen, wie weit die Borussia davon entfernt ist, ein Topteam darzustellen. Gegen nicht gerade starke Franzosen strahlte die Terzic-Elf keinerlei Gefahr aus. Es war ein mutloser, uninspirierter Auftritt, der erneut zeigte, dass zwischen dem Selbstverständnis der Mannschaft und der Realität der erbrachten Leistungen Welten lagen.

Der BVB funktionierte einfach nicht mehr, wie er es über weite Strecken des Jahres tat. Essentiell wichtige Spieler, wie Sebastien Haller, Emre Can und Karim Adeyemi befanden sich in einem krassen Formtief. Vor allem für den ivorischen Stürmer gilt das nach wie vor, was angesichts seiner erst kürzlich überstandenen Krebserkrankung auch verständlich ist.

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Langsame, aber stetige Steigerung

Terzic musste nachjustieren und tat dies auch erfolgreich. Erst Ende September fing sich der Vizemeister allmählich. Ein unspektakulärer, aber dafür souveräner 1:0-Sieg gegen den VfL Wolfsburg leitete die langsame, aber kontinuierliche Wende ein. Der BVB-Coach fokussierte sich vor allem auf defensive Kompaktheit, um seine Mannschaft aus dem Formtief zu reißen. Es brauchte Punkte, um die Saison nicht schon an den ersten Spieltagen wegzuwerfen. Hinten stand die Borussia kompakt, ließ nur wenig zu und vor dem gegnerischen Tor reichten erst einmal Einzelaktionen. Hierbei kann sich Dortmund neben Julian Brandt (zehn Scorer in 13 Spielen) vor allem auf Marco Reus verlassen, der sich nach Startschwierigkeiten in die erste Elf spielte. Der Ex-Kapitän bereichert das Spiel der Borussia enorm. Mit seiner Spielintelligenz hebt er sich deutlich vom Rest des Kaders ab.

„Wir haben immer wieder gesagt, wie wichtig Marco für uns, für uns als Mannschaft, für uns im Trainerteam ist“, ließ Terzic schon vor einiger Zeit verlauten und hatte damit vollkommen Recht. Damit war nach der letzten Saison nicht unbedingt zu rechnen. Ein Aspekt, der bei dem taktisch mitunter limitierten BVB-Trainer bei aller berechtigten Kritik manchmal ein wenig untergeht: Er schafft es regelmäßig, formschwache Akteure wieder auf Spur zu bringen.

Was Salih Özcan in den vergangenen Partien zeigte, war beeindruckend. Die Leistungssteigerung von Felix Nmecha, der zuvor auch unter mangelnder Fitness litt, ist ebenfalls beachtlich. Wie Gio Reyna aus der langen Verletzungspause zurückkehrte, macht dem BVB-Anhang ebenfalls berechtigte Hoffnung und selbst der extrem kriselnde Karim Adeyemi legte zuletzt gegen Frankfurt seinen besten Auftritt der laufenden Saison hin.

BVB: Terzic kann sich auf Reus verlassen

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

BVB: Auch Terzic legt positive Entwicklung hin

Doch nicht nur die mittlerweile passenden Ergebnisse sowie verbesserten Individualleistungen sind erwähnenswert, auch der Übungsleiter selbst lernt offensichtlich dazu. In der vergangenen Spielzeit war die Mannschaft des 41-Jährigen aufgeschmissen, wenn Plan A nicht funktionierte. Mittlerweile sieht es anders aus – auch wenn noch nicht alles klappt. Nach einer wilden Halbzeit in Frankfurt, in der Dortmund Glück hatte, mit einem 1:2 in die Kabine zu gehen, stellte Terzic die Mannschaft um. Im Spielaufbau agierte der BVB dann aus einer Dreierkette heraus. Es blieb eine chaotische Partie, aber die Umstellung brachte einen wertvollen Punkt bei einem starken Gegner ein.

Terzic reagiert während der Spiele auf taktische Kniffe der Gegner mittlerweile deutlich besser. Es ist eine Steigerung zu erkennen, auch wenn diese nicht so klar und schnell erfolgt, wie sich das so mancher Fan gerne wünschen würde. Dem BVB mangelt es noch an Spielkontrolle, muss derzeit für jeden gewonnenen Punkt deutlich mehr Kraft investieren als die Konkurrenz. Regelmäßig müssen knappe Führungen über die Ziellinie gebracht werden. Der Killerinstinkt, einem Gegner einfach mal frühzeitig den Stecker zu ziehen, hat der BVB momentan nicht.

So gab es auch den ein oder anderen glücklichen Punktgewinn, aber die hat jeder Klub. Guckt man sich auf Social Media Beiträge des kritischen Anhangs an, könnte man denken, dass die Borussia Woche für Woche eine Amateurelf auf den Platz schicke, die jeden Zähler nur zufällig holt. Bei aller berechtigten Kritik an Terzic und seinem Team, ist das definitiv nicht der Fall. Der BVB hat noch viel Luft nach oben, aber diese wird Woche für Woche geringer.

BVB: Schritt für Schritt zum Titelkandidaten?

„Man kann von einer sehr konstanten Entwicklung sprechen“, betonte der 41-Jährige nach dem 1:0-Sieg gegen Werder Bremen und fuhr weiter fort: „Wir haben im letzten Sommer versucht, unsere Schlüsse zu ziehen. Weniger sexy, mehr Erfolg.“ Eine Aussage, die für Stirnrunzeln beim BVB-Anhang sorgte, denn der maximale Erfolg, den Terzic einfordert, wurde im vergangenen Mai verspielt. Aber folgender Zusatz wurde kaum beachtet: „Wir hören nicht auf, weiter über Lösungen nachzudenken.“

Und das, so ungeduldig auch viele im Umfeld der Dortmunder sein mögen, kann man sehen. „Stück für Stück“ will Terzic Verbesserungen in Angriff nehmen. Das ist zu spüren. Der BVB brachte sich wieder in Position, um ein ernstzunehmender Gegner für Topklubs zu sein. Gegen Newcastle zeigten die Mannen von Terzic die bislang beste Saisonleistung und ansprechenden Offensivfußball. Newcastle-Coach Eddie Howe sprach nach dem Aufeinandertreffen von einer „Lektion“.

Jetzt geht es darum, in der Liga gegen den FC Bayern erneut den nächsten Schritt zu gehen. „Wir wissen, dass diese Spiele durch Kleinigkeiten entschieden werden können. Wir müssen eine gewisse Form von Effektivität in unser Spiel bekommen“, teilte der BVB-Trainer mit. Die Form- sowie Lernkurve seiner Mannschaft spricht zumindest dafür, dass es für die Bayern nicht leicht werden dürfte. Und mit einem Sieg wäre Dortmund, aller Zweifel zuwider, auch wieder mitten im Titelrennen. Dieses Team kann zuverlässig punkten und auch Topteams ärgern. Allein diese Entwicklung spricht dafür, was Terzic in den vergangenen Wochen, im Schatten von Leverkusen und Co., entstehen ließ.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Damian Ozako

Als Kind von Tomas Rosicky verzaubert und von Nelson Haedo Valdez auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht worden. Geblieben ist die Leidenschaft für den (offensiven) Fußball. Seit 2018 bei 90PLUS.


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