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Debütantenball beim BVB: Tom Rothe und ein bedeutungsvolles Zeichen

17. April 2022 | Spotlight | BY Florian Weber

Borussia Dortmund feierte mit dem 6:1 gegen den VfL Wolfsburg einen Kantersieg. Größer und wichtiger für den Verein war allerdings etwas anderes: Mit Tom Rothe, Lion Semic und Jamie Bynoe-Gittens debütierten drei Spieler aus der U19 in der Profimannschaft.

Eine weitere Saison ohne Titel, Zweifel an der Tauglichkeit von Marco Rose (45), die alles überstrahlende Causa um Erling Haaland (21): Die Stimmung bei Borussia Dortmund ist seit Monaten labil. Auf große Euphorie (Kantersiege gegen Frankfurt, Freiburg und Gladbach) folgte zu oft tiefe Tristesse (die Liste wäre zu lang). Zweiteres war in der laufenden Spielzeit der dominierende Zustand. Und auch wenn das 6:1 gegen den VfL Wolfsburg vermuten lässt, dass der Kantersieg für eine erneute schwarz-gelbe Euphorie sorgt, war die bezauberndste Geschichte des Wochenendes eine andere: Drei U19-Spieler haben beim BVB debütiert.



Tom Rothe: Unglaubliche Reife, unglaubliches Debüt

Besonders der Name von Tom Rothe (17) war am Samstag allgegenwärtig. Weil sich beim Abschlusstraining Thorgan Hazard (29) unglücklich verletzte, kam Trainer Marco Rose auf Tom Rothe, wie dieser nach dem Spiel erzählte, zu und fragte ihn: „Tom, hast du Bock auf Bundesliga?“ Etwas ungläubig antwortete der 17-Jährige mit „Klar!“ Und so kam es, dass Rothe gegen Wolfsburg, vor knapp 80.000 Zuschauern, in der Startelf stand.

Rothe wechselte im Sommer 2021 aus der Jugendabteilung des FC St. Pauli in die U19 des BVB. Schon nach wenigen Wochen war Trainer Mike Tullberg (31) begeistert von dem hochgewachsenen Linksverteidiger. Gleich ab dem ersten Ligaspiel der U19 gehört Rothe zum Stammpersonal und erzielte in 27 Pflichtspielen für die U19 drei Tore und bereitet elf Tore vor. Beachtung fanden diese Leistungen auch beim DFB. So debütierte Rothe im März für die U19-Nationalmannschaft und absolvierte seine ersten drei Spiele für diese. Übrigens unter Trainer Hannes Wolf (41), der vor Jahren selbst Trainer der U19 von Borussia Dortmund war.

Eine Eigenschaft, die sowohl Tullberg, als auch Wolf und Rose an Rothe schätzen, ist seine unglaubliche Reife. Gleich von der ersten Bundesligaminuten wirkte es, als würde Rothe schon jahrelang auf dem höchsten deutschen Niveau Fußball spielen. „Er war von Anfang an im Spiel und hat sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Für sein Alter hat er, genau wie ich ihn kenne, ein abgeklärtes Spiel gemacht“, resümierte Rose nach dem Spiel. Grund dafür war sicherlich auch das, was Rothe nach 24 Spielminuten erlebte.

Julian Brandt brachte beim Stand von 0:0 einen Eckball von der linken Seite scharf nach innen. Im Rücken seines Gegenspielers Sebastiaan Bornauw (23) verschaffte sich Rothe mit einer kleinen Bewegung Platz, sah den Ball auf sich zufliegen, stieg hoch und köpfte den Ball ins rechte Eck. Er sah den Ball im Netzt zappeln, die über 20.000 Fans auf der Südtribüne jubeln, grölen und Bierbecher werfen und anschließend seine strahlenden Teamkollegen auf ihn zustürmen. Doch die Namen seiner Teamkollegen lauteten an diesem Tag nicht Bradley Fink (18), Göktan Gürpüz (19) und Lion Semic (18). Sondern Marco Reus (32), Axel Witsel (33) und Julian Brandt (25).

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Rothe selbst fehlten nach dem Spiel die Worte, um diese Szene zu beschreiben. „Was soll ich sagen – unglaublich“, stammelte er glückselig vor sich hin. Mit dem Tor hat er sich sogar in den Geschichtsbücher der Bundesliga verewigt. Die Statistik ist zwar eine durchaus gestelzte, aber trotzdem erwähnenswerte: Noch nie hat ein jüngerer Debütant bei seinem Bundesliga-Debüt ein Tor erzielt.

Marco Rose: „Die Nachwuchsarbeit hier beim BVB ist hervorragend“

Nicht nur er, auch Trainer Rose war nach dem Spiel glücklich über das gelungenen Debüt seines Schützlings. „Der Junge hat das hervorragend gemacht“, sagte Rose. „Wir haben Tom natürlich schon länger auf dem Zettel. Er war im Sommer bereits mit uns im Trainingslager. Und allgemein: Die U19 spielt eine tolle Runde. Die Nachwuchsarbeit hier beim BVB ist hervorragend.“

Aus dieser U19, die die A-Junioren Bundesliga West souverän mit sieben Punkten Vorsprung anführt und in der Youth League sensationell Manchester United schlug und bis ins Viertelfinale vorstürme, debütierten gegen den VfL Wolfsburg zwei weitere Spieler. Rechtsverteidiger Lion Semic (18) und Flügelstürmer Jamie Bynoe-Gittens (17) wurden in der 88. Spielminute eingewechselt.

Besonders für Bynoe-Gittens ertönen aus dem Umfeld des Klubs nur Lobeshymnen. Nicht nur die Tatsache, dass er aus der Jugend von Manchester City zum BVB wechselte, erinnert an Jadon Sancho (22). Der Englänger ist auch von seiner Spielweise mit seinem Landsmann vergleichbar. Mit schnellen Dribblings verknotet er in der A-Junioren Bundesliga und der Youth League seinen Verteidigern immer wieder die Beine. Er sei ein Spielertyp, den Borussia Dortmund aktuell in der Profimannschaft nicht habe, sagte Marco Rose. Jemand der isoliert auf dem Flügel 1-gegen-1-Situationen sucht – und mit seiner Spielweise ein Stadion entzünden kann.

Seit Jahre legt der BVB bereits großen Wert auf die Jugendarbeit. Die U19 sowie die U17 spielen immer wieder um Titel mit, junge Talente wechseln bereits in der Jugend zu Borussia Dortmund. In den letzten Jahren schien der Fokus des Klubs sich allerdings zu verändern. Die Borussen entwickelten sich zu einer der vielversprechendsten Anlaufstationen für die größten Talente Europas. Jadon Sancho, Erling Haaland und Jude Bellingham (18) wechselten aber nicht in die Jugendabteilung, sondern sofort in die Profiabteilung des Klubs. Dass trotz dieser schillernden Verpflichtungen noch immer eine Durchlässigkeit zwischen Jugendabteilung und Profimannschaft vorhanden ist, ist eine gute Nachricht. Und etwas, falls sich dieser Trend in den nächsten Monaten und Jahren verfestigen sollte, dass Rose und seinem Team angerechnet werden sollte.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)


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