Die DFL und der Investorendeal: Neun Monate bis zum Knall

21. Februar 2024 | News | BY sid

Erst das Nein, dann grünes Licht mit anschließenden Rückzügen, ganz viel Protest – und am Ende das doch überraschend plötzliche Aus: Der turbulente Weg der Investoren-Idee, vom ersten Scheitern des Milliardendeals bis zum endgültigen K.o.

DFL: Der Weg zum Scheitern

24. Mai 2023: Monatelang wurde getrommelt, die Deutsche Fußball Liga (DFL) hoffte auf Milliarden – doch der Deal ist (vorerst) geplatzt: Der umstrittene Investoren-Einstieg bei der DFL scheitert am massiven Widerstand aus den eigenen Reihen. Bei der Versammlung der 36 Profivereine wird die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für die Aufnahme von Verhandlungen mit potenziellen Geldgebern verfehlt. 20 Vereine stimmen geheim für die Investorenpläne, aber auch elf dagegen. Dazu kommen fünf Enthaltungen. Fanvertreter werten das Ergebnis als „großen Erfolg“, DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke erklärt das Thema für „beendet“. Von wegen.

21. August 2023: Keine drei Monate später erklärt eben jener Watzke in einem viel zitierten FAZ-Interview: „Ich persönlich kann mir vorstellen, dass das Projekt noch einmal überarbeitet und neugestaltet werden muss. Wahrscheinlich sollten wir ein kleineres Paket schnüren und uns auf die Themen Internationalisierung und Digitalisierung fokussieren.“ Genauso kommt es.

11. Dezember 2023: Die permanente Lobbyarbeit von Watzke und weiteren Bossen hinter den Kulissen hat Erfolg. Die Sorge um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga verfängt, zudem zeigt die Drohkulisse einer Abspaltung der 1. Liga vom Unterhaus anscheinend Wirkung. Im zweiten Anlauf macht der deutsche Profifußball den Weg für den Investoren-Einstieg frei. Ein halbes Jahr nach dem Nein kommt die Zwei-Drittel-Mehrheit für DFL-Verhandlungen mit potenziellen Geldgebern bei einer weiteren Versammlung der 36 Erst- und Zweitligisten gerade so zustande – und könnte nicht knapper ausfallen: 24 Ja-Stimmen, zehn Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen. Der neue Plan sieht vor, sechs bis neun Prozent der Anteile einer DFL-Tochtergesellschaft, in welche die kompletten Medienrechte ausgelagert werden, für 20 Jahre zu verkaufen. Dafür soll es zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro geben.



12. Dezember: Für Wirbel sorgt das Abstimmungsverhalten von Martin Kind. Der Geschäftsführer des Zweitligisten Hannover 96 soll entgegen der Anweisung seines Vereins für den Investoreneinstieg gestimmt haben. Mit einer Stimme weniger wäre der Deal gescheitert. Sollte Kind dem Einstieg gegen die Anweisung der Vereinsspitze zugestimmt haben, droht ein juristisches Nachspiel. Sollte Kind allerdings bei seinem Verweis auf die geheime Abstimmung bleiben und sich nicht öffentlich erklären, wäre das Votum wohl kaum anfechtbar.

15./16./17. Dezember 2023: Zwölfminütiges Schweigen, Wurfgeschosse und Schmähgesänge: Die Fans in den Stadien machen ihrem Ärger über den umstrittenen Investorendeal Luft. Am 15. Bundesliga-Spieltag lassen sich die Anhänger allerhand einfallen, werfen Schokotaler und Tennisbälle und zünden Pyrotechnik. Dies sorgt mancherorts für Spielunterbrechungen. Es sollte aber nur der Auftakt einer gewaltigen Protestwelle sein.

17. Januar 2024: Das DFL-Präsidium reduziert den Kreis der Interessenten für eine strategische Vermarktungspartnerschaft von drei auf zwei und kündigt „weitere Prozessschritte und Verhandlungen“ mit CVC und Blackstone an. Zunächst hatte es fünf Interessenten gegeben.

3. Februar 2024: Tim Walter und Pal Dardai, die beiden Trainer des Zweitliga-Spitzenspiels, stehen an der Seitenlinie und schütteln nur noch mit dem Kopf angesichts des XXL-Fanaufstands von Berlin. Immer wieder fliegen aus Protest gegen die DFL-Pläne Tennisbälle auf den Platz. Nicht alle auf einmal, nein, stetig neue Filzkugeln landen auf dem Rasen, manche mit kleinen Katapulten geworfen. Die mehr als 30-minütige Unterbrechung der Partie von Hertha BSC gegen den Hamburger SV ist nur eine der vielen Fanaktionen rund um die Spiele der deutschen Profiligen – sie ist allerdings der bisherige Höhepunkt und wohl spektakulärste Aufstand gegen den geplanten Einstieg.

8. Februar 2024: Der konzertierte Protest zeigt anscheinend Wirkung. Nach Präsident Claus Vogt vom VfB Stuttgart fordert auch dessen Amtskollege Dirk Zingler von Union Berlin eine Wiederholung der umstrittenen Abstimmung vom 11. Dezember. Der Druck auf die DFL-Spitze steigt.

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13. Februar 2024: Nächster Rückschlag für die DFL. Das Finanzunternehmen Blackstone zieht sich aus dem Bieter-Rennen zurück. Als Gründe werden in einem Bericht von Bloomberg die Fan-Proteste und das zögerliche Verhalten der Bundesliga-Klubs angeführt.

14. Februar 2024: Durch den Rückzug des Finanzunternehmens Blackstone bleibt der DFL bei der Investorensuche nur noch das Private-Equity-Unternehmen CVC als Kandidat. Immerhin: SID-Informationen zufolge ist in den Verhandlungen für eine strategische Vermarktungspartnerschaft nicht mit einer Absage des letzten verbliebenen Kandidaten zu rechnen. Aus gut informierten Kreisen ist zu hören, CVC sei „weiterhin mit vollem Elan bei der Sache“ und „vom Deal überzeugt“, die DFL führt den „weiteren Prozess im vorgesehenen Zeitplan mit CVC fort“. Die Fanorganisation Unsere Kurve sieht den Blackstone-Rückzug unterdessen als ersten Sieg an. Die Wiederholung der umstrittenen Abstimmung über den Einstieg eines Geldgebers vom 11. Dezember bleibt das große Ziel der Fanvertreter.

16. Februar 2024: Auch Bernd Neuendorf verfolgt die Entwicklungen mit Sorge, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) habt die Bedeutung der 50+1-Regel hervor. „Allein der Verdacht, es könnte in diesem Zusammenhang zu einem Verstoß gegen die 50+1-Regel gekommen sein“, gefährde „die Reputation des Fußballs in Deutschland“, sagt er dem SID: „Wir sollten die eigenen Statuten sehr ernst nehmen.“ Unterdessen ruft Watzke noch einmal zur Deeskalation auf. „Ich bitte die Fan-Szenen an dieser Stelle, den Eskalationspunkt nicht weiterzutreiben. Unser Gesprächsangebot steht“, sagt er kurz vor dem nächsten Bundesliga-Spieltag im Bild-Interview.

16. Februar 2024: Ebenfalls am 16. Februar fordert der 1. FC Köln öffentlich eine erneute Abstimmung über den Investoren-Einstieg. Der Klub kündigt einen entsprechenden Antrag an, „die im Raum stehenden Vorwürfe, insbesondere ein möglicher Verstoß gegen die 50+1-Regel, müssen ausgeräumt werden“, heißt es in der Begründung. Diesem Ansinnen schließen sich mehrere Klubs an.

18. Februar 2024: Ein weiteres Bundesliga-Wochenende geht zuende, die Proteste setzen sich unvermindert fort, und die Stimmung beginnt auch bei den Aktiven zu kippen. „Es muss so schnell wie möglich eine Lösung gefunden werden. Noch diese Woche, nicht nächste Woche. So kann es nicht weitergehen“, schimpft der genervte Nationalspieler Niclas Füllkrug von Borussia Dortmund. In der 2. Liga sieht Greuther Fürths Trainer Alexander Zorniger gar die Zeit für Spielabbrüche gekommen. „Wenn der Schiedsrichter und die Vereine so am Nasenring durch die Arena gezogen werden – was ist denn dann, wenn wir wirklich mal abbrechen?“

20. Februar 2024: Im Vorfeld der außerordentlichen Präsidiumssitzung der DFL sorgen Medienberichte für weiteres Unverständnis bei den Fans. Das Präsidium, ist zu hören, denke über Szenarien neuer Abstimmungen mit einfachen Mehrheiten nach. Diese Idee sei „nichts als ein Taschenspielertrick, der verschleiern soll, dass eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist“, sagt Jost Peter, 1. Vorsitzender des Fanbündnisses Unsere Kurve dem SID: „Alle deutschen Fan- und Mitgliederorganisationen fordern weiterhin eine transparente und offene Neuabstimmung über den Einstieg eines Investors.“

21. Februar 2024: Doch dazu kommt es nicht mehr. Im Anschluss an die Präsidiumssitzung verkündet Hans-Joachim Watzke das Ende des Deals. „Eine erfolgreiche Fortführung des Prozesses scheint in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht mehr möglich“, sagt er. Die Auseinandersetzungen zwischen Profifußball und Fans, aber auch innerhalb des Ligaverbands und sogar innerhalb der Klubs geben den Ausschlag – der deutsche Profifußball habe „inmitten einer Zerreißprobe“ gestanden.

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(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)


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