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FC Bayern vor wichtigstem Transfersommer der letzten Jahre: Fragen und Antworten

4. Mai 2022 | Trending | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern hat in der Saison 2021/22 die Meisterschaft gewonnen, in den anderen wichtigen Wettbewerben geht der Rekordmeister leer aus. Nicht nur das sorgt dafür, dass die Stimmung rund um die Säbener Straße nicht überragend ist. Die Leistungen sind seit Wochen durchwachsen, neben dem Platz herrscht punktuell Unruhe. In München wird die Frage nach der Qualität des Kaders im Vergleich mit den eigenen Ansprüchen gestellt. Und das aus gutem Grund. 

Aussetzer in Spielen wie gegen den VfL Bochum (2:4) oder im Pokal in Mönchengladbach (0:5) wurden mit Verweis auf menschliche Fehler und vor allem die wichtige Saisonphase, in der der Rekordmeister oft liefert, abgetan. Doch auch rund um das Aus im Viertelfinale der Königsklasse gegen Villarreal zeigte sich kaum ein Spieler in seiner Bestform, gesamtmannschaftlich haperte es ebenfalls. Es bleibt eine Saison, an deren Ende viele Fragen offen bleiben, was dazu führt, dass nachjustiert werden muss. Eine der wichtigsten Transferphasen der letzten Jahre steht an. Und wir wollen versuchen, Antworten auf die drängendsten Fragen zu geben.

Wo liegen die aktuell größten Probleme des FC Bayern?

Wenn die Saison 2021/22 etwas gezeigt hat, dann, dass nicht das eine Problem im Spiel des Rekordmeisters ausgemacht werden kann. Das Fehlen von Alphonso Davies in den ersten Monaten des Jahres 2022 zeigte auf, dass es auf den Außenverteidigerpositionen keinen adäquaten Ersatz für ihn gibt, um das Spiel auf einer Seite schnell zu machen und auch für die entsprechende Konterabsicherung zu sorgen. Die Konterabsicherung der Defensive war ohnehin ein Faktor in der laufenden Saison. Der FC Bayern kassierte zu viele Gegentore und lud den Gegner zu häufig ein. Die Abwehr, die im Sommer 2021 mit Dayot Upamecano noch einen neuen Reiz erhielt, war häufig das Thema Nummer eins.



Auch, weil sie mit dem Ball mitunter Probleme hatte. Der Qualitätsverlust im Spielaufbau in den letzten Jahren war extrem signifikant. Jerome Boateng und David Alaba waren vor allem in Topform exzellente Aufbauspieler, mit Niklas Süle geht im Sommer ein Verteidiger nach Dortmund, der ebenfalls seine Momente im Aufbau hat. Der Ist-Stand der aktuellen Innenverteidigung der neuen Saison macht zumindest in diesem Teilbereich Sorgen. Tanguy Nianzou zeigte hier gute Ansätze, über mehr kam aber keiner der verbleibenden Verteidiger im Zentrum hinaus. Kaschieren ließe sich dies sicher durch einen klassischen Aufbauspieler im Mittelfeldzentrum.

Doch auch hier herrscht ein Kreativitätsvakuum. Joshua Kimmich und Leon Goretzka sind in Topform sicher sehr gute Spieler, doch das fußballerische Gesamtpaket eines Thiago Alcantara wird schmerzlich vermisst. Die Folge: Das Risiko im Spiel des FC Bayern führt zu größeren Abständen. Ist der Aufbau schon unkoordiniert oder ungenau, gibt es mehr Möglichkeiten für den Gegner, selbst in Umschaltaktionen zu kommen. Und das wiederum sorgt für Stress in der ohnehin schon wackeligen Abwehr. Kurzum: Die Balance im Kader fehlt, die Ausgewogenheit zwischen Athleten und technisch versierten Fußballern ist nicht vorhanden. Das gilt selbst für die schnellen Flügelspieler.

Wie steht es um die Finanzen des Rekordmeisters?

Die Berichte der letzten Wochen lassen vermuten, dass der FC Bayern finanziell derzeit zumindest nicht derart auf Rosen gebettet ist, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen haben das Festgeld schrumpfen lassen, die Einnahmen durch eine Vollauslastung der Allianz Arena fehlen und Vertragsverlängerungen kosten viel Geld. Im obersten Regal wird der Rekordmeister sich nicht bedienen können. Hasan Salihamidzic und auch Oliver Kahn kündigten an, dass es auch zum Konzept gehören muss, Spieler zu verpflichten, die nicht sofort Weltklasse haben, aber schnell in diese vorstoßen können. Beispiele sind Alphonso Davies oder Jamal Musiala.

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Allerdings: Das Budget für die neue Saison ist noch nicht festgesetzt. Intern gibt es viele Gespräche, Trainer Nagelsmann will zur Optimierung der Abläufe jeden Stein, der sich umdrehen lässt, auch umdrehen. Gemeinsam wird dann entschieden, was auf dem Transfermarkt erledigt werden muss und in welchem Rahmen sich dabei bewegt werden kann. Ein gewisses, kalkulierbares Risiko scheint möglich zu sein. Unverantwortlich handeln wird der Rekordmeister aber nicht. Das heißt, dass sich zumindest das Transferminus einigermaßen in Grenzen halten sollte. Doch es gibt auch Spieler, die eine gewisse Transfersumme einbringen könnten.

FC Bayern: Welche Spieler sollen oder können im Sommer gehen?

Es gibt aktuell nicht gerade wenige Spieler, die den FC Bayern im Sommer neben Corentin Tolisso und Niklas Süle verlassen könnten. Davon ausgehend, dass Spieler wie Lars Lukas Mai oder Adrian Fein keine allzu große Summe einspielen, sollte sich auf die anderen Akteure konzentriert werden. Alexander Nübel wird bei einer Verlängerung von Manuel Neuer nicht nach München zurückkehren, in den letzten Monaten hat sich der Torhüter in Monaco gesteigert und solide entwickelt, sodass eine vernünftige Summe eingestrichen werden kann. 

Zirkzee FC Bayern

(Photo by VIRGINIE LEFOUR/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Bei Bouna Sarr dürfte alleine das eingesparte Gehalt schon eine Erleichterung für das Budget des FC Bayern sein. Chris Richards, der in Hoffenheim als Leihspieler einige sehr gute Phasen hatte, könnte ebenso wie Joshua Zirkzee, der in Anderlecht weit mehr als 20 Torbeteiligungen sammelte, gar eine zweistellige Millionensumme einbringen. In diesen Sphären bewegen sich auch mögliche Verkäufe von Marc Roca und/oder Marcel Sabitzer, deren Verbleib jeweils ungewiss ist. Je nach Nachfrage und Verhandlungsgeschick könnten also durchaus 40-50 Millionen Euro zusätzlich in die Kassen gespült werden, ohne überhaupt einen Abgang von einem der Topspieler wie Robert Lewandowski oder Serge Gnabry einzukalkulieren. Lewandowski soll ohnehin nicht abgegeben werden, bei Gnabry ist derzeit alles offen. 

Auf welchen Positionen muss der FC Bayern personell nachlegen?

Davon ausgehend, dass Lewandowski und Gnabry dem Rekordmeister zumindest noch eine Saison erhalten bleiben, muss der Kader nicht einmal auf dramatisch vielen Positionen verändert werden, um wieder eine richtige Richtung einzuschlagen. Noch sind die Probleme lösbar, wenn das kommende Transferfenster aber „verschlafen“ wird, droht zur europäischen Elite ein größerer Rückstand. Auf der Rechtsverteidigerposition muss sich zwingend etwas tun, denn Benjamin Pavard spielte zwar gerade in den letzten Wochen wieder häufiger sehr seriös, im offensiven Bereich hat er aber Defizite. Ein technisch versierter Spieler, der auch im kombinativen Bereich seine Stärken hat und als Gegenpol von Davies in einer Viererkette den Druck hochhalten, aber auch mal als Wingback spielen kann, wird gesucht.

Um das Problem des Spielaufbaus in die Hand zu nehmen, gibt es mehrere Optionen. Ein klassischer Spielaufbau-Innenverteidiger oder jemand, der zumindest sehr schnell in diese Position heranwachsen kann, wäre eine. Darüber hinaus wäre es möglich, im zentralen Mittelfeld auf einen weiteren Goretzka-Typen zu verzichten und einen klaren, spielmachenden Sechser zu verpflichten. Diese existieren aber nicht wie Sand am Meer, schon gar nicht auf Bayern-Niveau. Hier müsste also sehr wahrscheinlich viel Geld in die Hand genommen werden. Angesichts des ablösefreien Abgangs von Tolisso und der unsicheren Zukunft von Roca und Sabitzer müsste aber ohnehin ein Spieler auf dieser Position kommen – mindestens. Hier keinen Reiz durch einen Techniker, der dazu noch Qualitäten im Gegenpressing hat, zu setzen, könnte ein Irrtum sein.

In der Offensive wäre ein neuer Reiz sicher nicht schlecht. Ein Spieler, der auf dem Flügel spielen kann, aber auch Spielmacherelemente in das Angriffsspiel des Rekordmeisters einbringt, fehlt dem Kader noch, abgesehen von Jamal Musiala, der aber gleich mehrere Positionen bekleiden kann und muss. Angesichts der anderen Baustellen im Kader und der finanziellen Lage wäre das allerdings eher ein Bonus, zumal die Offensive von mehr Qualität im Aufbau und einer besseren Balance auf den Außenverteidigerpositionen automatisch profitieren würde.

Und welche Namen werden aktuell in München gehandelt?

Auf der Rechtsverteidigerposition soll Noussair Mazraoui von Ajax nach München wechseln. Die Gespräche befinden sich im Endstadium, eine mündliche Zusage liegt vor. Fix ist der Deal noch nicht, was auch mit dem Tod des Beraters des Marokkaners, Mino Raiola, zu tun haben könnte. Hier sieht es aber so aus, als könnte der FC Bayern in Kürze Vollzug melden. Als Innenverteidiger wird ein Teamkollege gehandelt: Jurrien Timber. Der 20-Jährige durchlief die Ajax-Schule, ist technisch sehr gut ausgebildet und wäre ein Spieler, der in die Rolle des Aufbauspielers wachsen könnte. Und: Ihn könnte man rein theoretisch durch die angesprochenen Verkäufe finanzieren. Die Spur zu Bremer (Torino) wurde in den letzten Wochen immer kühler.

Mazraoui FC Bayern

(Photo by JOHN THYS/AFP via Getty Images)

Im Mittelfeld ist das Interesse an Ryan Gravenberch, ebenfalls Ajax, gesichert. Die Verhandlungen zwischen den Klubs laufen, aktuell entspricht das Angebot des FC Bayern aber noch nicht den Vorstellungen der Niederländer. Der 19-Jährige ist bis 2023 gebunden, will nach München wechseln, aber hier stellt sich eine Grundsatzfrage. Gravenberch wäre eher ein Spieler der Kategorie „nice to have“ als ein Pflichttransfer. Er bringt zwar fußballerische Qualitäten mit, ist aber auch eher ein dynamischer, athletischer Spieler.

Sollten zwei Mittelfeldspieler benötigt werden, weil Roca und Sabitzer den Verein verlassen, wäre der Niederländer in Kombination mit einem technisch starken Gegenpart sicher eine Option, aber schwer finanzierbar. Hier muss also eine möglichst kluge Abwägung stattfinden. Gerüchte um Frenkie de Jong oder Gavi (beide FC Barcelona) sind derzeit relativ haltlos, Konrad Laimer von RB Leipzig wäre ebenfalls nicht der spielmachende Typ, der so dringend benötigt wird. Vor dem Transfersommer des FC Bayern gibt es also noch viele Fragen zu beantworten. Sicher scheint aktuell nur, dass die Entscheidungen sitzen müssen. Verschläft der Klub einen weiteren Sommer, drohen die Baustellen Überhand zu nehmen.

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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