Der 1. FC Heidenheim stieg im Sommer 2023 erstmals in die Bundesliga auf. Das Team schaffte nicht nur den Klassenerhalt, sondern erreichte die Teilnahme an den Playoff-Spielen zur Conference League. Das große Ziel liegt auf der Hand, man will sich in der Beletage etablieren.
Dabei will Frank Schmidt mit seinem Team den Unkenrufen trotzen, wonach das zweite Jahr in einer höheren Spielklasse immer das schwerste ist. Klar, jeder kennt nun den Spielstil der Heidenheimer, aber die Mannschaft hat sich wiederum an die gestiegenen Anforderungen gewöhnt.
Heidenheim: Bloß nicht neu erfinden
Viele Experten sahen Heidenheim nach dem Aufstieg in die Bundesliga als einen der wahrscheinlichsten Kandidaten für den Abstieg. Doch das Team von der Brenz bewies seine Tauglichkeit für die höchste deutsche Spielklasse schnell, sammelte Punkte – und das Lob der Gegner. Der intensive Spielstil aus der 2. Bundesliga zog sich weiterhin durch die Spiele, aber Frank Schmidt hatte den Fußball der Heidenheimer angepasst, ihn kompatibel gemacht für die neuen Anforderungen.
Der Lohn: Heidenheim kassierte nur zwölf Niederlagen, schoss 50 Tore. Die 42 Punkte, die am Ende auf der Habenseite standen, reichten für Platz acht. Und der aufgrund glücklicher Umstände für die Playoffs zur Conference League. Die Erwartungen wurden deutlich übertroffen, die Kritiker verstummten. Und Spieler, die schon in Liga zwei wichtig waren, wuchsen mit ihren Aufgaben und präsentierten sich dem nationalen wie internationalen Markt.
Das hatte Konsequenzen. Leihspieler Eren Dinkci konnte nicht gehalten werden, er kehrte zunächst zu Werder Bremen zurück, wechselte dann nach Freiburg. Tim Kleindienst zog es für sieben Millionen Euro nach Gladbach, Jan-Niklas Beste sogar für eine noch höhere Summe zu Benfica. Drei der wichtigsten Spieler wurden also abgegeben, ebenfalls einige Spieler für die Breite, allesamt ohne Ablöse.
Große Sprünge auf dem Transfermarkt waren nicht möglich, also musste klug gescoutet und eingekauft werden. Für Leo Scienza, Sirlord Conteh und Mikkel Kaufmann wurden insgesamt rund 2,5 Millionen Euro investiert. Julian Niehues, Luca Kerber, Mathias Honsak und Maximilian Breunig kamen ablösefrei. Die großen Namen sind das nicht, aber es sind Systemspieler, die Heidenheim weiterhelfen können. Für ein wenig Glamour sorgt die Leihe von Paul Wanner, der vom FC Bayern kam und 2023/24 in Elversberg überzeugte.
(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)
Vereinfacht gesagt: Heidenheim geht den Heidenheim-Weg in aller Konsequenz weiter. Die mannschaftliche Geschlossenheit und eine Homogenität im Kader sind das A und O. Und mal ehrlich: Wer eine solche Entwicklung hinter sich hat, der sollte sich auch bloß nicht neu erfinden.
Forsches Auftreten auch in der neuen Saison erwünscht
Das bedeutet: Wenn Heidenheim spielt, dann bekommt man als Zuschauer auch die volle Drohung Heidenheim. Die Mannschaft will auch in der neuen Saison nach vorne spielen, eine hohe Intensität an den Tag legen und dem Gegner jederzeit das Gefühl vermitteln, dass man an die Siegchance glaubt. So hat der FCH in der vergangenen Saison unter anderem Bayern geschlagen, vielen anderen Topklubs Probleme bereitet. Denn der Spielstil ist nicht nur intensiv, er unterliegt auch einigen Automatismen, die sich schon früh in der Vorbereitung wieder zeigten. Jeder weiß, was er zu tun hat. Und das ist ein essenzieller Faktor.
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Der ein oder andere mag anmerken, dass die Gegner nun wissen, was sie von der Schmidt-Elf erwarten können. Das stimmt im Prinzip auch, dennoch ist die Art des Fußballs so konzipiert, dass es nur eine kurze Phase der Unachtsamkeit des Gegners benötigt, damit der FCH zuschlagen kann. Natürlich, die Intensität ist hoch und die Saison lang, gerade wenn es die Heidenheimer schaffen, gegen Häcken weiterzukommen und sich für die Conference League zu qualifizieren.
Aber die Kaderbreite stimmt, abgesehen von der Abwehr vielleicht, in jedem Fall. Alleine vier bis fünf adäquate Optionen gibt es für das Mittelfeldzentrum, Paul Wanner, Adrian Beck, Denis Thomalla, Mathias Honsak, Leo Scienza und Sirlord Conteh sind die Offensivoptionen für die Positionen hinter den vier Mittelstürmern im Kader. Gerade wenn frische Akzente im Spiel nach vorne gesetzt werden sollen, kann der FCH extrem gut nachlegen.
Paul Wanner: Der „Alleskönner“ für die Offensive
Dass Bayern-Leihgabe Wanner eine wichtige Rolle spielen könnte, wurde schon angedeutet. Nach den Abgängen von Kleindienst (14 Tore, fünf Vorlagen) und Beste (acht Tore, 14 Vorlagen) muss sich die Offensivhierarchie erst neu entwickeln. Auch Dinkci war ein wichtiger Spieler, aber nicht der zentrale Akteur. Jedenfalls ist Wanner ein Spieler, der zwar nicht beide Lücken füllen, aber seine ganz eigne Duftmarke setzen kann. Technisch bringt der Offensivspieler nämlich alles mit: Kluge Bewegungen in den engen Räumen, einen brillanten First Touch, eine enge Ballführung und ein gutes Passspiel.
(Photo by Aitor Alcalde/Getty Images for DFB)
Der Juniorennationalspieler, der langfristig beim FC Bayern eingeplant ist, zeigte schon in Elversberg, dass ihm ein intensiver Spielstil, wie ihn auch Heidenheim fordert, sehr gut liegen kann. Körperlich legte er in Liga zwei zu, lernte vieles im Spiel gegen den Ball, was ihn noch kompletter machte. Seine Vorbereitung war gut, im Pokal konnte er sofort treffen und dabei ist er noch gar nicht lange bei seinem neuen Klub. Von ihm können die Fans des FCH einiges erwarten, er kann in engen Spielen den Unterschied ausmachen. Und das mit 18 Jahren.
Wiederholt sich die Erfolgssaison des FCH?
Die Wunschvorstellung der Heidenheimer ist natürlich, die letzte Saison irgendwie in einer ähnlichen Form zu wiederholen. Dass das fußballerisch einigermaßen möglich sein wird, steht außer Frage. Die Spieler sind ideal für den Schmidt-Fußball, die Mannschaft ist fit, kam im Pokal souverän weiter und auf einigen Positionen herrscht Konkurrenzkampf. Sollte allerdings am Ende wirklich die Zusatzbelastung durch die Conference League hinzukommen, dann warten neue Aufgaben auf die Mannschaft.
Zu den Erfolgsgeheimnissen gehörte es nämlich, in jedem Spiel hochintensiv agieren zu können. In der Schlussphase der Saison häuften sich die Stimmen, wonach den Spielern langsam aber sicher die Kräfte ausgehen. Kommen hier noch einmal acht Vorrundenspiele plus mögliche Partien in der K.O.-Runde hinzu, wird der Verschleiß deutlich größer sein. Wir reden hier noch vom Konjunktiv, aber im Fall der Fälle ist eine Abwägung notwendig, inwieweit es erforderlich ist, im Saisonverlauf die Spielweise zu modifizieren, ohne dabei den Wiedererkennungswert zu verlieren.
Vorerst ist das aber Zukunftsmusik. Heidenheim geht hochmotiviert und gut gerüstet in die neue Saison. Der Auftakt mit St. Pauli, Augsburg, Dortmund und Freiburg ist zudem ausgewogen. Und je früher die ersten Erfolgserlebnisse gefeiert werden können, desto schneller kommt Heidenheim auch in den Rhythmus der vergangenen Saison. Gelingt das, wird es vielleicht nicht wieder für Europa reichen. Aber zumindest ein souveräner Klassenerhalt ist dann sehr realistisch. Auch nicht übel für die vermeintlich schwerste Saison.
Text von Manuel Behlert
(Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)