Hertha BSC: Fragen und Antworten zur Entlassung von Korkut
13. März 2022 | Trending | BY Manuel Behlert
Hertha BSC hat sich aufgrund der sportlichen Talfahrt von Tayfun Korkut getrennt. Die letzten acht Spiele wird der Klub mit einem neuen Trainer angehen. Wer dies sein wird, ist aktuell noch unklar. Nach der Entscheidung am Sonntagmorgen stellen sich einige Fragen.
Hertha BSC: Wie kam es zur Korkut-Entlassung?
Im Anschluss an die 0:2-Niederlage im direkten Duell im Abstiegskampf bei Borussia Mönchengladbach handelte Hertha BSC. Die Entlassung von Trainer Tayfun Korkut kam nicht überraschend, deutete sich bereits in den letzten Wochen an. Es war ohnehin eine etwas skurrile Woche in der Hauptstadt.
Nach der 1:4-Pleite gegen Frankfurt gab es eine Krisensitzung, beteiligt war die Mannschaft und Fredi Bobic. Von Trainer Korkut keine Spur. Der hielt eine Rede beim nächsten Training, schwor die Mannschaft noch einmal ein. Zumindest einen Funken Aufbruchstimmung hätte man zu diesem Zeitpunkt entfachen können, wenn da nicht die Aufstellung gegen die Fohlen gewesen wäre.
Der Trainer bereitete damit quasi seine eigene Entlassung vor. Zwei wuchtige Stürmer standen auf dem Feld, dahinter aber im Prinzip nur noch Destruktivität. Fünf Verteidiger, ein laufstarkes Mittelfeld, das für Ordnung sorgen sollte. Das Problem war: Es gab trotzdem keine gute Ordnung im Spiel von Hertha BSC. Gladbach, selbst nicht von Selbstvertrauen getränkt, gewann am Ende ungefährdet mit 2:0. Das war aber nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Abgesehen von einem Sieg gegen Dortmund gab es wenige Highlights in der kurzen Amtszeit Korkuts.
Die Bilanz: 13 Ligaspiele, neun Punkte, 0,69 im Schnitt. Dazu 33 Gegentore in diesem Zeitraum. Und natürlich das Pokalaus zuhause im Derby gegen den FC Union. Nach sieben Punkten aus den ersten vier Spielen und zumindest leichten positiven Ansätzen folgten zuletzt fünf Niederlagen in Folge, bei denen man zusehen konnte, wie das Team immer weiter auseinanderbrach. Die Entscheidung ist also folgerichtig.
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Wie geht es jetzt weiter?
„Wir stehen derzeit auf einem Abstiegsrang. Es bleiben noch acht Partien, um die nötigen Punkte für den Klassenerhalt zu holen. Dafür werden wir alles tun und wollen mit dieser Entscheidung unterstützen, dass alle Beteiligten nochmal intensiver für die Situation sensibilisiert sind. Wir setzen auf die positiven Effekte eines Neuanfangs“, wird Fredi Bobic in der Pressemitteilung zitiert. Wie der Neuanfang genau aussehen soll, ist aktuell allerdings noch unklar. Ein neuer Trainer ist noch nicht gefunden, soll aber zeitnah präsentiert werden.
Klar ist, dass die Mannschaft schnell wieder aufgerichtet werden muss. Viel Zeit dafür ist nicht, schon am Samstag geht es mit einem Heimspiel gegen eine starke TSG Hoffenheim weiter. Es folgt eine Länderspielperiode, in der der neue Trainer nur mit einem Teil des Kaders wird arbeiten können. Die Gegner danach: Leverkusen und Union. Es sollten dringend Punkte geholt werden, ehe es gegen die Konkurrenten im Abstiegskampf, namentlich Augsburg, Stuttgart und Bielefeld, geht. Mainz und Dortmund schließen die Saison für die „Alte Dame“ ab.
Hätte die Trennung früher erfolgen müssen?
Natürlich ist man hinterher immer schlauer, aber vermutlich ja. Die Alarmsignale gab es schon früh, die Spiele nach dem soliden Start glichen sofort einer Entwicklung in den negativen Bereich. Hertha BSC hat möglicherweise Zeit verspielt, die ein neuer Trainer hätte nutzen können, um der Mannschaft seinen Stil mit auf den Weg zu geben. Es lässt sich allerdings noch früher ansetzen, denn die Entscheidung, Korkut überhaupt zu verpflichten, wurde schon im Moment der Vorstellung kritisch beäugt. Viel Erfolg hatte der Cheftrainer bei seinen letzten Stationen nicht gehabt, das Gefühl kam auf, dass eher die Verbindung zu Bobic ausschlaggebend war.
Bobic sollte in der gesamten Thematik auch mit einbezogen werden. Schuldlos ist er auf keinen Fall, denn die Kaderplanung warf ebenfalls fragen auf. In der Phase nach der deutlichen 1:6-Niederlage gegen Leipzig hätte er zudem erkennen müssen, dass ein Schritt nach vorne unter Korkut nur noch sehr schwer vorstellbar ist. Das könnte dem Klub im Kampf gegen den Abstieg zum Verhängnis werden.
Hertha BSC: Wer könnte der Nachfolger werden?
Das Dilemma ist nun greifbar. Bei verhältnismäßig wenig Zeit und einer Länderspielphase gleich zu Beginn der Amtszeit des neuen Trainers wird es für jeden Kandidaten, der langfristig bei Hertha BSC etwas aufbauen soll, schwierig. Trainer wie Daniel Farke oder auch Niko Kovac wären verfügbar, aber bei Kovac würde sich die Frage stellen, ob er überhaupt Interesse hat, einen Klub im Abstiegskampf zu übernehmen. Weniger problematisch wäre das bei Farke, der kürzlich in Krasnodar zurücktrat. Doch sein Spielstil ist alles andere als unkompliziert und so weit weg von dem, was Hertha zuletzt zeigt, wie es nur möglich ist.
Gehandelt werden aktuell David Wagner, jüngst bei den Young Boys in der Schweiz entlassen, und Friedhelm Funkel, der sich zuletzt bereits anbot, Schalke 04 für den Rest der Saison zu übernehmen. Funkel wäre mit seiner Erfahrung natürlich ein Kandidat, um als typischer „Feuerwehrmann“ zu fungieren, spielerische Leckerbissen können unter ihm aber nicht erwartet werden. Für die acht verbleibenden Spiele kann das aber auch nicht das Ziel sein, es müssen Punkte her. Zumindest ein positiver Einfluss auf die Motivation der Spieler wäre ihm zuzutrauen. Wagner hingegen verkörperte auf Schalke zum Ende seiner Amtszeit ebenfalls nur die Ratlosigkeit, übernahm eine starke Mannschaft der Schweiz und lief dort dem FC Zürich mit großem Abstand hinterher.
Vielleicht überrascht Fredi Bobic und zieht noch einen Kandidaten aus dem Hut, den aktuell niemand auf dem Schirm hat. Die Möglichkeiten sind jedoch begrenzt. Und die nächste Entscheidung muss sitzen. Die Lage ist in jedem Fall brenzlig.
(Photo by Maja Hitij/Getty Images)
Manuel Behlert
Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.