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HSV | Reis, Schonlau und Co.: Neu aber schon unverzichtbar?

23. Juli 2021 | Spotlight | BY Sarom Siebenhaar

Spotlight | Der Hamburger SV versucht im vierten Anlauf den Aufstieg in die Bundesliga zu realisieren und hat sich dafür punktuell verstärkt. Neben Schonlau verpflichteten die Rothosen unter anderem auch Glatzel und Reis. Wie passen die Neuzugänge zum HSV und dem neuen Coach Tim Walter?

HSV: Punktuelle Verstärkungen für Walters System

Insgesamt sechs Neuzugänge stellte der Hamburger SV bislang in diesem Transferfenster vor. Mit ein oder zwei Ausnahmen hat jede dieser Neuverpflichtungen das Potenzial, sich als Stammkraft zu etablieren. Die Rothosen haben sich in jedem Mannschaftsteil punktuell verstärkt (zwei Verteidiger, zwei Mittelfeldspieler und zwei Angreifer). Es wurden Akteure verpflichtet, die zum Spielstil des neuen Trainers Tim Walter (45) passen.



Besonders interessant sind vor allem drei der Neuzugänge. Dabei handelt es sich um Robert Glatzel (27), Sebastian Schonlau (26) und Ludovit Reis (21). Glatzel soll die Lücke füllen, die der Abgang von Torjäger Simon Terodde (33) hinterlassen hat. Das ist allerdings einfacher gesagt als getan. In den letzten Jahren erzielte der mittlerweile 33-Jährige immer mindestens 20 Treffer in Liga zwei. Und das für drei verschiedene Vereine (16/17 VfB Stuttgart, 18/19 1. FC Köln, 20/21 HSV).

Glatzel: Große Fußstapfen zu füllen

Glatzel ist selbst sehr zweitligaerfahren, hat 74 Spiele (21 Treffer, sechs Vorlagen) in Liga zwei auf dem Buckel. Objektiv betrachtet ist Glatzel ein anderer Spielertyp als Terodde, allein schon von seiner Torausbeute her. Der 27-Jährige nimmt deutlich mehr am Spiel teil, ist anders als Terodde kein reiner Strafraumstürmer. Denn trotz seiner Körpergröße von 1,93 Meter ist Glatzel kein klassischer Stoßstürmer.

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Das zeigte sich bereits in der Vorbereitung des ehemaligen Bundesliga-Dino. Dort ließ sich der groß gewachsene Angreifer auch immer wieder fallen oder zog auch mal von außen in die Mitte. Abschlüsse von außerhalb des Sechzehners sind ebenfalls keine Seltenheit. „Robert vereint physische Stärke, Torriecher und fußballerisches Können. Er ist zweitligaerfahren, mit 27 Jahren aber auch noch entwicklungsfähig. Zudem hat er einen guten Charakter und wird das Teamgefüge dementsprechend bereichern“, sagte Sportdirektor Michael Mutzel (41) über den Neuzugang.

Glatzel (HSV) gegen Basel

Photo by Imago

Glatzel sammelte sogar bereits Bundesliga-Erfahrung und schnupperte auch Luft im Ausland. Nach seinem Engagement beim 1. FC Heidenheim wechselte er 2019 für sechs Millionen Euro auf die Insel zu Cardiff City. Für die Waliser absolvierte Glatzel 51 Partien (zehn Tore, zwei Assists) in der zweitklassigen englischen Championship. Im Januar 2021 folgte die Rückkehr nach Deutschland zum 1. FSV Mainz 05 (13 Spiele | zwei Treffer, ein Assist).

Schonlau: Neuzugang aber trotzdem Kapitän

Bis auf den Torriecher sind diese Qualitäten auch bei Schonlau zu finden. Der Innenverteidiger kommt ligaintern vom SC Paderborn. Der mittlerweile 26-Jährige verbrachte insgesamt sechs Jahre beim SCP und entwickelte sich dort zu einem der besten Verteidiger der zweiten Bundesliga. In der abgelaufenen Saison übernahm er mehr Verantwortung und führte die Mannschaft als Kapitän auf das Feld. Dasselbe Amt übernimmt Schonlau nun auch prompt bei seiner neuen Station an der Elbe. Der neue HSV-Kapitän steht vor allem für einen guten, soliden Spielaufbau. Etwas, was den Nordlichtern in den letzten Jahren fehlte.

Aufgrund seiner Qualitäten und Führungsstärke ist Schonlau von Beginn an wohl unumstrittener Stammspieler unter Walter. Der Abwehrspezialist betonte zwar selbst, dass die Verantwortung auf viele Schultern verteilt werde. Nichtsdestotrotz hat es Aussagekraft, dass Walter Schonlau die Binde anvertraut. Seine Fähigkeiten im Passspiel machen den HSV gefährlicher und geben dem Spielaufbau des HSV neue Qualität und Souveränität, die zuletzt fehlten. Es wird spannend zu sehen sein, wen Walter neben Schonlau im Abwehrzentrum aufbieten wird. Wenn alle fit sind, würde die Wahl wohl auf Stephan Ambrosius (22) fallen. Dieser fehlt aber noch mindestens bis Anfang November (Kreuzbandriss).

Schonlau Sebastian (HSV) gegen Silkeborg

Photo by Imago

Walter hat aktuell vier Optionen. Neben Moritz Heyer (26), der die Nase etwas vorne haben dürfte, scharren auch Routinier Toni Leistner (30) und Youngster Jonas David (21) mit den Füßen. Maximilian Rohr (26), der in der Vorbereitung einen guten Eindruck gemacht hat, besitzt trotz guter Auftritte wohl nur Außenseiterchancen.

Ist „Neuzugang“ Walter das fehlende Puzzleteil?

Allgemein wirkt die Stimmung innerhalb des Teams sehr gut. Walter bringt neben einer offensiven und dominanten Spielidee auch führungstechnisch einige neue Ansätze mit. Der 45-Jährige gab selber zu, sich in seiner vereinslosen Zeit viele Gedanken gemacht zu haben. Vor allem über die Art und Weise der Führung einer Mannschaft. Bei seiner letzten Station VfB Stuttgart wurde Walter trotz des sportlichen Erfolgs entlassen, gilt hin und wieder als Typ mit Ecken und Kanten.

Aber könnte eventuell genau dieser Umstand vielleicht das sein, was dem HSV in den letzten Jahren gefehlt hat? Die Tatsache, dass manche Spieler Walter bereits kennen, ist ebenfalls förderlich. So spielten David Kinsombi (25) und Neuzugang Jonas Meffert (26) bereits bei Holstein Kiel unter dem neuen Trainer, genossen dort wohl ihre beste Zeit.

Tim Walter (HSV) gegen Basel

Photo by Imago

Reis: Hoch veranlagt, Konstanz fehlt aber noch

Einer, der Walter erst noch besser kennenlernen muss, ist Neuzugang Ludovit Reis. „Er hat mir ein gutes Gefühl gegeben und war einer der Hauptgründe, warum ich mich für einen Wechsel zum HSV entschieden habe“, sagte Reis über Walter im Interview mit HSV TV. Der junge Niederländer gilt als hochveranlagt und soll ein Versprechen für die Zukunft sein, besticht vor allem durch seine Beidfüßigkeit und sein Passspiel. „Er macht im Spielaufbau kaum Fehler“, sagte Sportdirektor Mutzel über ihn. Der 21-Jährige bezeichnet sich als „aggressiven Box-to-Box-Spieler“, der immer den Ball haben will.

Reis stammt aus der Jugend des FC Groningen, wo er auch bereits mit 17 Jahren sein Profidebüt feierte. Seine Leistungen für Groningen veranlassten schließlich den großen FC Barcelona dazu, ihn 2019 für 3,25 Millionen Euro loszueisen. Dort kam er zwar nur für die Reserve zum Einsatz, trainierte allerdings regelmäßig mit den Profis um Lionel Messi und Co. 2020 folgte dann die Leihe zum VfL Osnabrück.

Ludovit Reis (HSV) gegen Silkeborg

Photo by Imago

Für die Lila-Weißen stand er 30-mal auf dem Platz, konnte den Abstieg in Liga drei am Ende aber auch nicht verhindern. Interessante Randnotiz: Um mit Osnabrück die Relegationsduelle gegen den FC Ingolstadt ausfechten zu können, verzichtete Reis auf die Teilnahme an der U21-Europameisterschaft mit den Niederlanden. Das spricht für den Charakter und die Einstellung des Mittelfeldspielers. In Normalform ist Reis in jedem Fall eine Bereicherung. Vor allem in Walters System, dass auf Ballbesitz und Gegenpressing ausgelegt ist.

Dass er zum Saisonauftakt gegen Schalke 04 in der Startelf stehen wird, scheint wahrscheinlich. Walter machte die Andeutung, dass die elf Spieler, die im letzten Test gegen den FC Basel (1:0) beginnen durfte, diejenigen sind, die aktuell die Nase vorn haben. Natürlich hat aber auch Reis noch Facetten in seinem Spiel, die es zu verbessern gilt. Vor allem im körperlichen Bereich muss der U21-Nationalspieler noch zulegen, insbesondere in dieser so körperbetonten 2. Bundesliga. Des Weiteren gilt es, Konstanz in die eigenen Leistungen zu bringen. Zu oft tauchte der Mittelfeldspieler in mehreren Partien ab und war kaum am Spiel beteiligt. Die enorme Konkurrenz im Mittelfeld der Rothosen dürfte Reis stetig pushen.

Fazit

Alles in allem haben Jonas Boldt und Co. kluge Transfers getätigt, die zudem auf die Spielidee von Neu-Coach Tim Walter ausgelegt sind. So etwas kann zwar schnell mal nach hinten losgehen. Im Erfolgsfall aber genau so gut Früchte tragen. Betrachtet man alle sechs Neuzugänge, hat sich der HSV durch die Bank weg sowohl in der Spitze als auch in der Breite gut verstärkt. Bleibt abzuwarten, ob Walter die PS seiner Mannschaft nun auch auf den Platz bringen kann. 

Photo: Passion2Press/Markus Fischer / Imago

Sarom Siebenhaar

Die Oranje-Connection entfachte seine Leidenschaft für den HSV. Durch zahlreiche Tiefen schmecken die vereinzelten Höhen umso süßer. Schätzt attraktiven Offensivfußball genauso wie kämpferische Höchstleistungen. Internationaler Top-Fußball findet sich nicht nur in den Big Five. Seit 2021 bei 90PLUS.


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