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Die Renaissance des Min-jae-Kim: Wie Bayerns Südkoreaner wieder zum „Monster“ wurde

22. November 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Mit großen Vorschusslorbeeren wechselte Min-jae Kim im Sommer 2023 aus Neapel zum FC Bayern. Der Start war vielversprechend, die zweite Saisonhälfte aus verschiedenen Gründen allenfalls durchwachsen. 

Es wurde mit Spannung erwartet, wie der Verteidiger in die Saison 2024/25 starten würde. Unter einem neuen Trainer, mit einer angepassten Ausrichtung. Und siehe da: Bis dato liefert der Südkoreaner bis auf ein, zwei kleine Wackler zu Beginn ab. Das hat Gründe, genau wie die schwächere Phase in der Vorsaison.

Min-jae Kim: Eine Saison wie eine Tortur

Gut 50 Millionen Euro ließ sich der FC Bayern Min-jae Kim im Sommer 2023 kosten. Er war vorher der defensive Stabilisator, der Neapel zum Scudetto trug, wurde zum Verteidiger des Jahres in der Serie A gewählt, war natürlich auch im Team des Jahres vertreten. Entsprechend groß waren die Erwartungen des Rekordmeisters. Doch die erste Saison des Südkoreaners stand unter keinem guten Stern, schon im Sommer nicht. Denn er musste – einen abgeschwächten – Militärdienst in der Heimat absolvieren. Der Körper wurde ganz anders belastet als es im Fußballalltag der Fall war, was Spuren hinterließ. Mit Rückstand startete der Spieler in München, musste erst einmal viel Energie aufwenden, um sein normales Grundlevel zu erreichen. 



Erinnern wir uns dann noch an die Hinrunde der Saison 2023/24 zurück: Der FC Bayern hatte mit massiven Verletzungssorgen zu kämpfen. Die Folge: Nach einem sehr anstrengenden Sommer quasi ohne Pause musste Kim jedes der 16 Spiele in der Liga bis Weihnachten bestreiten. 14 davon über 90 Minuten. Hinzu kamen fünfmal 90 Minuten in der Champions League, Einsätze im Supercup und DFB-Pokal und natürlich drei Länderspielreisen nach Asien mit fünfmal 90 und einmal 75 Minuten. 

Und während seine Teamkollegen in die Winterpause gingen, musste ein körperlich überlasteter Kim auch noch den Asien-Cup spielen. Wieder eine lange Reise, wieder hohe Belastung. Anschließend gab es eine Mini-Pause und sofort dreimal 90 Minuten gegen Leverkusen, Lazio und Bochum. Hier wirkte Min-jae nicht ganz sicher, machte leichte Fehler. Verständlich, nach dieser wirklich außergewöhnlichen Belastung. Im weiteren Verlauf der Rückrunde wurde er eher als Teilzeitkraft eingesetzt, was durchaus nachvollziehbar war.

Ein normaler Sommer und neue Ansätze

Was dann folgte, wird dem Spieler extrem gut getan haben: Ein normaler Sommer. Der Verteidiger konnte ein wenig abschalten, die Akkus aufladen. Diesmal waren es andere Spieler, nämlich die Europäer, die ein Kontinentalturnier spielen mussten. Zwar im Sommer und nicht mitten in der Saison und immerhin mit etwas Urlaub danach, aber trotzdem war es eine Mehrbelastung. Kim jedenfalls wollte die Zeit nutzen und sich ideal auf die neue Saison vorbereiten. Doch schon im ersten Ligaspiel in Wolfsburg (3:2) wackelte die Abwehr vor allem zu Beginn der zweiten Halbzeit deutlich. Vorboten einer erneuten Defensivproblematik?

Min-jae Kim

(Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Drei Monate später lässt sich sagen: Nein. Klar, in den Auswärtsspielen gegen Barcelona (1:4) und Frankfurt (3:3) gab es den ein oder anderen unaufmerksamen Moment, aber einerseits waren das auch extrem formstarke Gegner, andererseits agierte in Barcelona das Kollektiv nicht auf einem hohen Niveau und bei einer normalen Chancenverwertung wäre das Frankfurt-Spiel gar nicht zum Thema geworden. Min-jae Kim ist jedenfalls Teil einer Defensive, die in neun Pflichtspielen die Null gehalten hat. Gegen Leverkusen und Stuttgart, Meister und Vizemeister, wurde kaum eine Torchance zugelassen. Das spricht für die Entwicklung in der Abwehr, sowohl in der Gesamtheit als auch auf individueller Basis. 

Kim glänzt mit Weitsicht und brillantem Passspiel

Der Südkoreaner überzeugt auch deswegen, weil er die Grundtugenden seines Spiels wieder vollumfänglich auf den Platz bringt. Trotz seiner Größe (1,90m) ist er nämlich ein schneller Spieler, der nicht so leicht im Sprintduell abzuschütteln ist. Er verteidigt mit Weitsicht, weiß, wie intensiv er einen Zweikampf führen muss, um eben kein Foulspiel zu begehen. Hinzu kommt, dass er das Vertrauen des Trainers spürt, der gleich nach dem schwächeren Wolfsburg-Spiel einen flammenden Appell in der Kabine ausgesprochen hat – für Kim und Partner Dayot Upamecano.

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Das zahlte sich aus. Vincent Kompany hat nicht nur das Selbstvertrauen der Abwehr gestärkt, sondern damit auch indirekt dafür gesorgt, dass die Entscheidungsfindung besser wird. Dass der Belgier selbst ein Weltklasseverteidiger war, hilft dabei natürlich auch ungemein, er kann direkt coachen, Dinge ansprechen. Mit Erfolg, denn Szenen, in denen Min-jae etwas übermotiviert aus der Kette rückt und Lücken offenbart, sind zu einer Seltenheit geworden. Und wenn er rausrückt, dann konsequenter, was oftmals zu gewonnenen Zweikämpfen führt. Das gesamte Spiel ist einfach besser als in der letzten Saison, alles läuft runder.

Und genau deswegen übernimmt der Abwehrspieler nun auch deutlich mehr Verantwortung im Spielaufbau. Er spielt hier intuitiver, durch das Plus an Selbstvertrauen auch weniger zögerlich. Zudem stimmen die Automatismen im Spiel immer mehr, was der gesamten Mannschaft und im Endeffekt eben auch ihm hilft. Und auch die Statistiken bestätigen das: Von den Verteidigern der Top-5-Ligen spielt Min-jae Kim nicht nur die meisten Pässe pro 90 Minuten, sondern auch mit großem Abstand die meisten Pässe nach vorne, wie diese Grafik unterstreicht. 

Klar, es ist erst circa ein Drittel der Saison vorüber und noch lässt sich nicht absehen, ob der Defensivakteur auch über die gesamte Spielzeit hinweg in der Lage ist, das aktuelle Level zu halten. Fest steht aber, dass es seit seinem Wechsel zum FC Bayern noch keine bessere Version von Min-jae Kim gab, als es zurzeit der Fall ist. Vor seinem Transfer nach München nannten sie ihn nicht selten „Monster“, weil er das absolute Gesamtpaket mitbrachte. Es bedarf nicht mehr vieler guter Spiele, ehe das wieder zu einem gängigen Begriff wird.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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