Spotlight

Bayer Leverkusen: Simon Rolfes’ Arbeit – Eine Kampfansage im Stillen

11. Juli 2022 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Auf dem Platz war Simon Rolfes stets ein Spieler, der über einen gewissen Weitblick verfügte, eine Mannschaft führen konnte. Große Teile seiner Karriere verbrachte der Mittelfeldspieler bei Bayer 04 Leverkusen, spielte häufig im Europapokal. Titel blieben ihm verwehrt, was sich nun ändern soll. In anderer Rolle, aber auch als Anführer.

Simon Rolfes: Schrittweise Einbindung bei Bayer Leverkusen 

Im Sommer 2015, zehn Jahre nach seinem Wechsel von Alemannia Aachen zu Bayer 04 Leverkusen, beendete Simon Rolfes (mittlerweile 40) seine aktive Laufbahn als Fußballprofi. Drei Jahre später startete er in Leverkusen zunächst als Leiter der Nachwuchsabteilung, schnell wurde er aber zum Sportdirektor. 3 1/2 Jahre hatte er Zeit, in einem Umfeld mit Rudi Völler (62), der bis zum Sommer als Geschäftsführer Sport fungierte, und Fernando Carro (57), dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, zu reifen. 

Rolfes lernte Tipps und Tricks, die für das Geschäft Profifußball unabdingbar sind. Sukzessive übernahm er mehr Verantwortung, durfte mehr Entscheidungen treffen. Kein Wunder, dass er mittlerweile als Völler-Nachfolger als Geschäftsführer Sport mit einer noch größeren Aufgabe betreut wurde. Der 62-Jährige hätte sich selbst nicht derart deutlich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, wenn er nicht gewusst hätte, dass sein Nachfolger dieser Aufgabe gewachsen ist. 

Rolfes

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Entscheidungen traf der 40-Jährige schon vorher und auch jetzt gibt es im Klub Personen, die ihm mit Ratschlägen zur Seite stehen können. Die Zeit scheint nach nun vier Jahren aber reif zu sein. Dafür, dass Simon Rolfes seine eigenen Vorstellungen noch etwas konsequenter umsetzen kann. An Fußballkompetenz sollte es ihm dafür nicht mangeln. 



Bayer Leverkusen auf der Suche nach Kontinuität

Bayer 04 Leverkusen mangelte es in den letzten Jahren häufig an der nötigen Kontinuität. Abgesehen von Roger Schmidt (55) und Peter Bosz (58) war seit dem Jahr 2011 kein Trainer länger als zwei Jahre am Stück im Amt. Das sorgte automatisch dafür, dass im Kader eine hohe Fluktuation herrschte. Der Kreislauf war damit aber noch nicht beendet, es folgten bessere und schwächere Saisons, mal wurde die Champions League verpasst. Topspieler waren nicht immer einfach zu halten. 

In dieser Zeitspanne verlor Bayer 04 Spieler wie Arturo Vidal, Andre Schürrle, Emre Can, Heung-min Son, Hakan Calhanoglu, Chicharito, Bernd Leno, Julian Brandt, Kai Havertz oder Leon Bailey. Die Voraussetzungen bei den Transfers waren nicht immer identisch, manche Spieler waren dem Klub auch einfach entwachsen, aber namhafte Abgänge Jahr für Jahr erschweren es, langfristig etwas aufzubauen. Das merkte man auch bei der Werkself. Nachdem das Projekt Peter Bosz scheiterte und Hannes Wolf (41) nur eine kurze Lösung war, installierte der Klub Gerardo Seoane (43) auf der Trainerbank. 

Dieser kam nicht als ein Startrainer, aber als jemand, der in der Schweiz mit phasenweise beeindruckendem Offensivfußball auf sich aufmerksam machen konnte. Für temporeichen, attraktiven Fußball wollte man in Leverkusen ohnehin schon immer stehen. Und die erste Saison verlief vielversprechend. Die Qualifikation für die Champions League gelang, Trainer, Mannschaft und Verantwortliche sind gewillt, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. 

Weitere News und Berichte rund um die Bundesliga 

Auch dank Rolfes: Leverkusen trifft kluge Entscheidungen

Natürlich hatte auch Rolfes einen Anteil daran, dass Seoane nun den Posten als Cheftrainer inne hat. Von außen lässt sich schwer beurteilen, wer in Leverkusen wie viel Anteil an den Entscheidungen, die letztlich getroffen wurden, hatte. Allerdings fällt auf, dass die Transfers zuletzt nachhaltiger wurden. Das Scouting in Leverkusen, das schon immer dafür bekannt war, junge Talente entdecken zu können, empfahl einige spannende Talente. Rolfes und co. gelang es im Anschluss, diese auch für Leverkusen zu begeistern. 

Paulinho (21) ist ein Beispiel. Der Offensivspieler wartet zwar noch auf seinen endgültigen Durchbruch, Talent ist aber zweifelsohne vorhanden. Edmond Tapsoba (23), Moussa Diaby (22), Odilon Kossounou (21), Amine Adli (22) oder zuletzt Adam Hlozek (19) sind weitere positive Beispiele. Leverkusen scoutet Spieler, die das Potenzial haben, binnen weniger Monate nicht nur in der Bundesliga Fuß zu fassen, sondern auch eine tragende Rolle zu übernehmen. Nicht jeder Transfer sitzt, aber ein klarer Plan lässt sich erkennen. Die guten Voraussetzungen, die Rolfes und die Verantwortlichen der Werkself vorfinden, ermöglichen das natürlich. Diese alleine garantieren aber auch keinen Erfolg, wie diverse Beispiele aus dem Profigeschäft zeigen. 

Bayer Leverkusen: Mit Rolfes, Seoane und viel Ruhe zu einem Titel?

Die letzten Transferperioden sorgten dafür, dass Leverkusen mit einer hervorragenden Basis in den Sommer 2022 gehen konnte. Viel musste und muss sich nicht ändern, denn die Balance stimmt, die Leistungsträger sind überwiegend jung und können ihrerseits in einem homogenen Umfeld in Führungsrollen hineinwachsen. Sollte Moussa Diaby den Klub noch in Richtung England verlassen, wäre noch Bedarf, aber auch viel Geld vorhanden, denn weniger als 70 Millionen Euro will Leverkusen nicht einnehmen. Das ist eine klare Ansage der Verantwortlichen und sinnbildlich für die aktuelle Transferstrategie.

Leverkusen kann es sich also auch leisten, Spieler zu behalten und Angebote abzulehnen. Mehr noch: Mit Patrik Schick (26), der in der Vorsaison 24 Tore in 31 Spielen schoss, verlängerte der Klub sogar bis 2027, offenbar ohne Ausstiegsklausel. Supertalent Florian Wirtz (19), der in Topform fast nicht auszuschalten ist, verlängerte ebenfalls vorzeitig um ein weiteres Jahr. Und das, ohne einen Medienbericht, der das ankündigte. Ein Verbleib von Diaby ist also nicht einmal unwahrscheinlich, vor allem vor dem Hintergrund, dass auf Interessenten wie Newcastle lange und zähe Verhandlungen zukommen könnten.

Wirtz Rolfes Leverkusen

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Ein Lautsprecher ist Simon Rolfes nun nicht. im Dreitagesrhythmus alle Fragen der Medien zu beantworten, gefällt ihm nicht. Spricht er dann aber in den Presserunden, die zu seiner Arbeit nun einmal dazu gehören, wählt er seine Worte bewusst, antwortet fundiert, sachlich und ruhig. Diese Ruhe tut der Werkself gut, stürmisch darf es ruhig auf dem Platz zugehen. Die Verbindung zwischen Rolfes und Trainer Seoane scheint davon auch zu profitieren. Der Trainer formuliert Wünsche, der Geschäftsführer Sport versucht, diese umzusetzen.

Und so entwickelte sich zuletzt eine Zusammenarbeit, die Potenzial für mehr hat. Mehr als „nur“ eine Qualifikation für die Champions League oder das Ärgern des ein oder anderen Topteams. Titel sollen her in Leverkusen, dafür arbeitet jeder im Klub Jahr für Jahr. Dass die Meisterschaft nur über den FC Bayern geht und mit Dortmund und Leipzig zwei starke Mannschaften ebenfalls ihre Ambitionen formulieren, ist bekannt. Doch es gibt auch noch andere Wettbewerbe, in denen die Werkself ein Wörtchen mitreden kann. Vor allem, wenn sich die sehr positiven Ansätze weiterhin bestätigen.

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


Ähnliche Artikel