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Schalke unter Geraerts: Kompakte Defensive und kollektives malochen

23. November 2023 | Spotlight | BY Jannek Ringen

Die Fußballfans in Deutschland machen sich derzeit wohl um kaum einen anderen Club mehr Sorgen als um den FC Schalke 04. Der neue Trainer Karel Geraerts möchte den traditionsreichen Verein wieder nach oben führen.

Schalke unter Geraerts – was hat sich verändert?

Einfach haben es die Fans des FC Schalke 04 dieser Tage wahrlich nicht. Nach der desaströsen Hinrunde im vergangenen Jahr stiegen die Königsblauen trotz guter Rückrunde in die 2. Bundesliga ab. Als Aufstiegskandidat war man ins Rennen gegangen und findet sich nach 13 Spieltagen auf Platz 16 mitten im Abstiegskampf wieder. Die katastrophale Entwicklung hat Thomas Reis (50) den Job gekostet. Nachdem Co-Trainer Matthias Kreutzer für zwei Spiele übernommen hatte, verkündete der Verein die Verpflichtung von Karel Geraerts (41).

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Geraerts mit denkbar ungünstigem Start auf Schalke

In Deutschland war Geraerts, der laut Sportdirektor Andre Hechelmann „perfekt vorbereitet“ für die Aufgabe auf Schalke gewesen war, bisher ein unbeschriebenes Blatt. In Belgien war er einige Jahre Co-Trainer bei Royale Union Saint-Gilloise, ehe er das Amt des Cheftrainers übernahm und den Club auf Platz drei in der Liga sowie in das Viertelfinale der Europa League geführt hatte. Auf Schalke wurde Belgiens Trainer des Jahres mit einem Vertrag bis 2025 ausgestattet und nahm am 9. Oktober die Arbeit auf. Die erste Aufgabe war nach der Länderspielpause ein Auswärtsspiel in Karlsruhe.

Bei dem Auswärtsspiel in Karlsruhe bekam Geraerts die komplette Wucht des FC Schalke zu spüren. Seine Mannschaft zeigte eine enttäuschende und spielerisch schwache Leistung und lag bereits zur Pause mit 0:2 zurück. Daraufhin stellten die Fans den Support ein und verließen in Teilen den Auswärtsblock. Nach der Partie mussten sich die Spieler den wütenden Ultras stellen, die eine Antwort für die blamable Leistung haben wollten. Das erste Spiel als Trainer der Königsblauen hat sich der 41-Jährige sicherlich anders vorgestellt.

Nach dem katastrophalen Auftritt in Karlsruhe meldete sich Schalke jedoch zurück und konnte gegen Aufstiegskandidat Hannover 96 und den 1. FC Nürnberg zwei wichtige Siege einfahren. Damit distanzierte sich die Geraerts-Elf von den Abstiegsplätzen und fand den Anschluss ans Mittelfeld der Liga. Doch vor der Länderspielpause machte die Mannschaft einen erneuten Rückschritt und ließ sich in der heimischen Arena von Zweitliga-Neuling Elversberg mit 1:2 schlagen. Schalke bleibt auch unter dem neuen Trainer unberechenbar und inkonstant, hat sich jedoch in einigen Bereichen enorm verbessert.

Ralf Fährmann nach der Niederlage von Schalke in Karlsruhe.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Voller Fokus auf die Defensive – Geraerts denkt pragmatisch

Die oberste Prämisse von Geraerts beim Amtsantritt auf Schalke war es, die instabile Defensive in den Griff zu bekommen. Bevor der Belgier zum Trainer bei den Königsblauen wurde, war diese das große Sorgenkind des Clubs, was sich bereits in mehreren Partien gezeigt hatte. In den ersten neun Spielen fing die Defensive um Marcin Kaminski 20 Gegentreffer und spielte lediglich gegen den 1. FC Kaiserslautern, der große Teile der zweiten Halbzeit zu neunt absolvierte, zu Null. Unter Geraerts fing sich die Mannschaft acht Gegentreffer in vier Partien, was immer noch ein schwacher Wert ist, blickt man jedoch auf weitere Zahlen, wird deutlich, dass der 41-Jährige die Defensive stabilisiert hat.

Während Reis ein offensives 4-3-3 in der 2. Bundesliga spielen ließ, änderte Geraerts die Philosophie der Mannschaft komplett. Das System stellte er auf ein 3-5-2 um und durch die Dreierkette stabilisierte sich die Mannschaft. Der xGA-Wert, der in den neun Spielen zuvor bei 2,09 im Schnitt lag, senkte sich auf 1.26. Zudem ließ der FC Schalke pro Partie drei Torschüsse weniger zu. Besonders bemerkbar machte sich die Umstellung in Sachen Großchancen. Vor dem Trainerwechsel ließen die Königsblauen im Schnitt fast vier Großchancen pro Spiel zu, was ein katastrophaler Wert ist. Danach sank dieser auf 1,75.

Die neu gewonnene Stabilität des FC Schalke geht natürlich zunächst einmal auf Kosten der Offensive. Zwar kommt die Umstellung auf Dreierkette insbesondere Thomas Ouwejan zugute, der mit seinen Läufen und Flanken das Offensivspiel der Schalker massiv verbessert, allerdings haben sich die absoluten Zahlen minimal verschlechtert. Während sich die durchschnittliche Anzahl an Torschüssen marginal nach oben verbessert hat, senkte sich die Anzahl der Tore und Großchancen ebenfalls marginal. Nach vier Spielen sind all diese Werte zwar nicht repräsentativ, zeigen jedoch einen ersten Trend.

Auf Schalke wird Fußball wieder gearbeitet.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Endlich wieder im Kollektiv – Schalke soll zusammen malochen

Doch Geraerts krempelte nicht nur das System des Champions-League-Achtelfinalisten von 2019 um, sondern auch die komplette Art und Weise zu spielen. Kurz vor der Entlassung von Reis kritisierte Verteidiger Timo Baumgartl den Ansatz des Trainers. „Das ist die Philosophie vom Trainer. Er gibt uns das vor. […] Dann ist es 1-gegen-1 hinten, das ist natürlich risikoreich. Gegen spielstarke Mannschaften wie Magdeburg oder St. Pauli wird es so schwer für uns“, kritisierte er den Trainer, der kurze Zeit später entlassen wurde. Unter dem neuen Übungsleiter verteidigt die Mannschaft mehr im Verbund und weniger mannorientiert, was insbesondere in der Defensive zum Erfolg führte.

Die Schalker agieren etwas abwartender als noch unter Reis, weshalb der Ballbesitz sich von 51 Prozent auf 49 Prozent verringert hat. Im Spiel nach vorne sind die Königsblauen jedoch deutlich geradliniger und zielstrebiger als noch unter ihrem Vorgänger. Der vertikale Ball wird öfter gesucht, was das Spiel jedoch auch fehleranfälliger gemacht hat. Die Passquote ist unter Geraerts von 80 Prozent auf 76 Prozent eingebrochen, jedoch nahmen Mut und Risiko im eigenen Ballbesitz zu, was für den Trainer spricht.

In der Schalke-DNA spielt der Begriff „Malocher“ eine wichtige Rolle. Es ist ein Verein der Arbeiterklasse, der eng mit dem Bergbau verbunden ist, wie auf der Einlauftunnel in der Veltins-Arena zeigt. Und mit dem neuen Trainer Geraerts scheint es so, als wenn die Mannschaft ihren Arbeitsethos zurückgewonnen hätte. Gleich im ersten Spiel unter dem 41-Jährigen stellte die Mannschaft die beste Laufleistung der Saison auf. In den vier Spielen unter dem neuen Übungsleiter lief das Team knapp 2,5 Kilometer mehr pro 90 Minuten. Zudem erhöhte sich die Anzahl der Sprints pro Partie von 201 auf 236, was eine enorme Steigerung ist.

Sicherlich sind die vier Zweitligaspiele und das Spiel im Pokal gegen St. Pauli eine zu kleine Sammlung, um Karel Geraerts als neuen Schalke-Trainer bewerten zu können. Jedoch zeigen die ersten Spiele bereits, dass sich der Belgier auf die Basics beruft und die Spieler mehr arbeiten sollen, als noch unter Vorgänger Reis. Diese Arbeit kann den Grundstein legen, um der Mannschaft wieder Selbstbewusstsein einzuhauchen und sie zurück in sicheres Fahrwasser zu bringen.

Die Spieler des FC Schalke wollen die Fans wieder hinter sich bringen.

(Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Jannek Ringen

Sozialisiert durch die Raute von Thomas Schaaf, gebrochen durch den Abstieg unter Florian Kohfeldt. Fußball in Deutschland ist sein Fachgebiet, aber immer mit einem Blick in England und Italien.


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