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Schalke zieht die Reißleine: Fragen und Antworten zur Kramer-Entlassung

19. Oktober 2022 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der FC Schalke 04 spielte am Dienstagabend im DFB-Pokal bei der TSG 1899 Hoffenheim und unterlag deutlich. Die zunehmende Kritik an Trainer Frank Kramer sorgte dafür, dass dieser am Tag nach dem Spiel entlassen wurde. 

Kramer: Die Pokalniederlage war ausschlaggebend

Schon am Wochenende rechneten viele Experten mit einer Reaktion der Schalker Verantwortlichen. Diese blieb aus, Frank Kramer (50) durfte die Mannschaft im Pokalspiel noch betreuen. Vor der Partie sprach dieser in der Pressekonferenz auch über seine aktuelle Situation, sinnbildlich war aber eine andere Aussage, nämlich die, dass er nicht damit rechnet, dass die TSG viel verändern werden. Nun, das musste sie auch nicht. Am Freitag (0:3) hatte Schalke zwar gute Momente, konnte die Kraichgauer aber in den entscheidenden Phasen nicht stoppen.

 



Auch wenn das Ergebnis Pokalspiel (5:1) nur ein Tor höher ausfiel, so trennten beide Mannschaften diesmal aber Welten. Hoffenheim ließ einige Chancen ungenutzt, hätte höher gewinnen können. Schalke produzierte Ballverlust en masse, hatte wieder keine Struktur im Aufbauspiel, ließ wieder Spielfreude vermissen. Dass sich die Mannschaft dann auch noch reihenweise durch simple Doppelpässe oder kurz ausgeführte Eckbälle übertölpeln ließ, passte zum Gesamtbild. Am Mittwoch kam dann die Pressemitteilung: Der Cheftrainer ist nicht länger im Amt. 

Was waren die Gründe für die Entlassung von Kramer?

Die Entlassung hat sich über einen längeren Zeitraum angebahnt. Schalke 04 punktete in der Bundesliga nicht besonders gut, was für einen Aufsteiger aber auch nicht komplett unüblich ist. Allerdings waren auch nur wenige Leistungen in den ersten Wochen der Saison überzeugend. Beim 2:2 gegen Borussia Mönchengladbach, beim Sieg gegen den VfL Bochum und mit Abstrichen bei den Remis gegen Wolfsburg und Stuttgart waren ordentliche Ansätze zu erkennen. Das ist aber zu wenig, vor allem, weil auch die Entwicklung im Team fehlte. Schalke spielte einen defensiven, eher destruktiven Stil, der nur dann funktionieren kann, wenn hinter den einfachen Mitteln im Spiel nach vorne zumindest ein Plan steckt.

Doch Schalke spielte wenige Pässe, hatte keine gute Passquote und selbst die lange Bälle und Folgeaktionen wirkten nicht durchdacht. Dazu gab es im Umschaltverhalten Probleme, die nicht behoben wurden. Dass dann auch noch phasenweise die Spieler, die fußballerisch einen positiven Einfluss hätten haben können, auf der Bank saßen, verschlechterte die Ausgangslage für den Trainer deutlich. Diversen Beichten zufolge schwand der Rückhalt in der Mannschaft und wenn ein Trainer im Abstiegskampf die Kabine zu einem Teil verliert, sieht es schlecht aus. Die Niederlagen gegen Hoffenheim mit 1:8 Toren binnen fünf Tagen sorgten dann dafür, dass Rouven Schröder (47) handeln musste.

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Ist der Trainer alleine für die Misere verantwortlich?

Natürlich nicht. Ein Trainer ist ein Teil eines ganzen Teams, der einerseits von jemandem eingestellt wurde, andererseits auch mit dem Material arbeiten muss, das ihm zur Verfügung gestellt wird. Und da kommt bei Schalke 04 einiges zusammen. Zuerst einmal haben sich die Verantwortlichen bewusst für den Kramer-Weg entschieden. Schalke 04 war nicht dessen erste Trainerstation, er in Fußballdeutschland kein unbeschriebenes Blatt. Die Verantwortlichen wussten, was man tat, als der Trainer eingestellt wurde. Nun bleibt zu erwähnen, dass es offensichtlich nicht ganz leicht war, hochkarätige Trainer von der sicher nicht leichten Aufgabe in Gelsenkirchen zu überzeugen.

Zudem spricht es für den Coach, dass er es sich zugetraut hat, in dieser Situation mit der nun einmal bekannten finanziellen Lage einen Job wie diesen zu übernehmen. Er hat seine Stärken und Schwächen, wobei letztere deutlich aufgezeigt wurden. An einigen taktischen Defiziten hat er natürlich als Cheftrainer einen großen Anteil, aber mitunter fehlte die Qualität im Kader auch und ein Teil der individuellen Fehler sind nur kaum zu erklären. Letztlich ist der Trainer am Ende immer das schwächste Glied und muss fast immer als erstes seinen Hut nehmen, wobei die Entscheidung, den 50-Jährigen zu entlassen, nicht zu kritisieren ist.

Ist der Zeitpunkt der Entlassung der richtige?

Wohl aber der Zeitpunkt. Denn: Schalke 04 hat in den letzten Wochen schon eine Fortschritte gemacht. Im Gegenteil: Die Defizite wurden größer, die Aufstiegseuphorie, die auch bei den Fans vorhanden war, verflog. Die Beziehung zwischen Mannschaft, Trainerteam, Verantwortlichen und den Fans, die auf Schalke nun einmal essenziell sind, kam dadurch ins Wanken. Eine frühere Entlassung hätte dafür sorgen können, dass es in einer Situation, die nicht ganz so prekär ist wie sie sich aktuell darstellt, zu neuen Impulsen kommt. Spätestens nach dem Freitag in Sinsheim, als gute Ansätze kurzzeitig sichtbar waren, aber wieder einmal die gleichen, naiven Fehler gemacht wurden, hätte Schalke die Reißleine ziehen müssen.

Kramer Schalke Terodde

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Getty Images)

Und dabei ist es völlig egal, ob schon ein Nachfolger bis zum nächsten Spiel hätte übernehmen können. Wer, wenn nicht Mike Büskens (54), ist der ideale Mann, um die Mannschaft für ein Spiel zu motivieren? Seine Erfahrung bei den Königsblauen, mit der er das Team zum Aufstieg motivierte, hätte für ein besseres Abschneiden im Pokal sorgen können. Vielleicht nicht für ein Weiterkommen, aber für ein enges Spiel, das die Moral nicht erneut komplett deutlich herunterzieht. Hier müssen sich Schröder und co. an die eigene Nase fassen.

Wer wird der Nachfolger bei Schalke 04?

Offiziell ist noch nichts. Zunächst einmal wird es eine interne Interimslösung geben, die aber wohl nicht allzu lange im Amt bleiben wird. Schon vor dem Spiel am Freitag zuhause gegen die TSG Hoffenheim galt es als wahrscheinlich, dass Thomas Reis (47), der im Saisonverlauf in Bochum entlassen wurde, eine sehr gute Chance auf den Trainerposten bei Schalke 04 haben wird. Diese Berichte halten sich bis jetzt. Reis traut sich zu, das Team wieder in die Spur zu bringen und die Klasse zu halten, wie er es in der Vorsaison mit dem VfL Bochum machte.

Je nachdem, wie schnell der Kontakt intensiviert wird, kann es schon in den kommenden Tagen zu einem Vollzug kommen. Auch Adi Hütter (52) wurde kürzlich im Zusammenhang mit einem Job bei Schalke 04 erwähnt, heißer als ein kurzes Auftauchen in der Gerüchteküche wurde dieses Thema aber nicht. Alles deutet auf den 47-jährigen Ex-Trainer der Bochumer hin.

(Photo by ROBERTO PFEIL/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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