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Analyse zur Situation des VfB Stuttgart nach der Korkut-Entlassung

7. Oktober 2018 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Es war der 12. Mai 2018, als die Spieler des VfB Stuttgart nach dem Schlusspfiff in der Allianz Arena ein wenig verdutzt auf die Anzeigetafel schauten. Der VfB gewann gerade mit 4:1 beim deutschen Rekordmeister und sorgte dafür, dass die Laune bei der anschließenden Meisterfeier zumindest etwas getrübt war. Die Schwaben blickten auf eine sensationelle Rückrunde zurück und hatten große Pläne für die kommende Saison – mit Trainer Tayfun Korkut.

Am heutigen Sonntag, den 7. Oktober, ist davon nicht mehr viel übrig. Der VfB Stuttgart ist Tabellenletzter, Tayfun Korkut wurde entlassen. Wir blicken auf die aktuelle Situation des VfB Stuttgart und verraten am Ende noch, welche Trainer derzeit auf dem Markt sind. 

 

Korkut und der frische Wind

Als Tayfun Korkut am 29. Januar 2018 als Nachfolger von Hannes Wolf vorgestellt wurde, waren die Reaktionen in den sozialen Medien – allen voran seitens der VfB-Anhänger – eindeutig. Fast niemand konnte nachvollziehen, warum diese Entscheidung getroffen wurde. Und die Skepsis war nicht unberechtigt, hatte Korkut doch zuvor, sowohl in Leverkusen als auch in Kaiserslautern und mit Abstrichen in Hannover, mit schwankenden Leistungen und alles andere als idealen Resultaten zu kämpfen.

(Photo by Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images)

Korkut sollte diese Kritiker zunächst aber eines besseren belehren. Er strahlte eine positive Aura aus, wirkte in seinen Interviews zielstrebig und stabilisierte die Mannschaft. Der Effekt des Trainerwechsels war definitiv vorhanden und die Schwaben punkteten sofort in Wolfsburg, schlugen anschließend Gladbach und Augsburg mit 1:0. Mit einer defensiven Grundstabilität, mehr Kompaktheit und sicherlich auch dem Momentum auf der eigenen Seite, nachdem zu Beginn viele Dinge, die Korkut ansprach, funktionierten, entfernte man sich sukzessive von den Abstiegsrängen.

Das Vertrauen in die Arbeit von Tayfun Korkut wuchs, der Mannschaft tat die Veränderung sichtlich gut. Und im Hintergrund arbeitete Michael Reschke schon am Kader für die neue Saison, während die Schwaben in der Tabelle sogar dem Europapokal immer näher kamen. Die Mischung aus Bissigkeit, wie sie ein Ascacibar an den Tag legt, der Erfahrung eines Gentner, Gomez oder Badstuber und aufstrebende Spieler wie Pavard, Thommy, Akolo oder Donis stimmte und auch wenn fußballerische Leckerbissen nicht an der Tagesordnung waren, sprach der Erfolg für die Ansätze des neuen Trainers.

Talfahrt nach spannendem Transfersommer

Die neue Saison sollte nun noch besser werden! Michael Reschke ließ seine Kontakte spielen und zeigte sein Verhandlungsgeschick auf dem Transfermarkt, denn die Transferperiode des VfB ist weitgehend sehr positiv zu beurteilen. Mit Maffeo und Sosa wurden zwei begabte, hungrige Außenverteidiger verpflichtet, Badstuber, eine Stütze der vergangenen Saison, verlängerte letztlich doch noch, Kempf sollte für noch mehr Möglichkeiten im Defensivzentrum sorgen, Castro und Didavi ihre Erfahrung im Mittelfeld einbringen und der junge Nicolas Gonzalez im Sturm zeigen, warum man fast 9 Millionen Euro für ihn bezahlen musste.

(Photo by Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Doch schon im Pokal in Rostock wurden Probleme sichtbar, die eigentlich vergessen schienen. Der VfB wackelte in der Abwehr, produzierte individuelle Fehler, die sofort bestraft wurden. Das Spiel wurde verloren, aber nicht als Beinbruch tituliert. Diese Fehler könne man abstellen. Doch auch beim Saisonauftakt in Mainz waren Probleme sichtbar, der VfB fand nicht zu seinem Spiel, kassierte einen Gegentreffer und verlor, ebenso wie beim 0:3 zuhause gegen den FC Bayern. Auch das wilde 3:3 in Freiburg war keine besondere Verbesserung, auch wenn offensiv vieles besser lief. Es folgte ein 0:0 gegen Düsseldorf, eine 0:2-Niederlage in Leipzig, ein überaus glücklicher Erfolg gegen Werder und eine 3:1-Niederlage in Hannover, die am Ende ausschlaggebend für die Trennung war.

Wo liegen die Gründe?

Doch warum fährt der VfB Stuttgart nicht die nötigen Resultate ein, wenn der Kader doch in der Breite und eigentlich auch in der Spitze nicht schlechter wurde, man sogar mehr Möglichkeiten hat? Diese Möglichkeiten müssen auch ausgeschöpft werden! Korkut, der in der letzten Saison durch seinen Stabilitätsfokus auffiel und durch die konstant guten Resultate eben jenen Weg, den er einschlug, weitergehen konnte, musste in dieser Saison einiges verändern. Bedingt durch die Resultate, aber auch die Art und Weise des Zustandekommens eben dieser. Beim Auswärtsspiel in Freiburg überraschte er mit einem Mittelfeld aus Ascacibar, Aogo, Gentner und Castro. Tempo? Fehlanzeige! Diesen Fehler korrigierte er in der Halbzeit, als er Akolo brachte.

Und auch zuletzt in Hannover spielte der VfB personell extrem defensiv, bot neben einer 5er-Kette noch Ascacibar, Gentner und Castro auf – doch auch das half nichts. Stuttgart wirkte in vielen Szenen überfordert, machte es den Niedersachsen, die selbst mit schwierigen Resultaten zu kämpfen hatten, häufig viel zu einfach. Erst die Anpassungen in der zweiten Halbzeit sorgten für eine kleine Verbesserung, doch am Ende konnte die Niederlage erneut nicht verhindert werden.

(Photo by Oliver Hardt/Bongarts/Getty Images)

Eine Negativspirale aus fehlender Stabilität, fehlenden Ideen, Rückschlägen und Aufstellungen und Ausrichtungen, die nicht nachvollziehbar waren sind die Hauptgründe für die Talfahrt des VfB. Daran hat natürlich Tayfun Korkut einen großen Anteil, entsprechend folgerichtig scheint die Trennung zum jetzigen Zeitpunkt. Die Länderspielpause steht an und die Schwaben haben genug Zeit um den Markt zu sondieren, Gespräche zu führen und müssen keine schnelle Lösung finden. Bis ein neuer Trainer gefunden ist übernimmt Andreas Hinkel den Trainingsbetrieb.

Das Potenzial ausschöpfen

Der neue Trainer des VfB sieht sich mit einigen Aufgaben konfrontiert, kann aber auch auf einen Kader setzen, der auf allen Positionen über Qualität verfügt. Für die Schwaben ist es wichtig, dass der neue Übungsleiter das Potenzial, über das der VfB zweifelsohne verfügt, auch ausschöpft. Dabei geht es in erster Linie natürlich um Resultate, mit der Zeit aber eben auch um eine spielerische Weiterentwicklung, die mit Castro, Didavi, Thommy, Özcan, Akolo, Donis, Gonalez, Gomez und offensivstarken Außenverteidigern erfolgen muss. Die Lage in Stuttgart ist keineswegs dramatisch, gerade in Anbetracht dieser Vorzeichen, aber eben deutlich schlechter als erwartet.

Und deswegen handelte der VfB, um eine noch größer werdende Negativspirale zu verhindern und um dem neuen Trainer, der dann womöglich eine Mannschaft übernimmt, die noch unsicherer ist, einen guten Einstieg zu ermöglichen. Klar ist aber auch, dass die Schwaben sich mit der Entscheidung Zeit lassen sollten, denn die Fluktuation auf dem Trainerposten in den letzten Jahren ist ein großes Problem, Kontinuität Fehlanzeige.

Diese Trainer sind auf dem Markt

Der Trainermarkt gibt, sofern man beim VfB keine überraschende, vielleicht unbekannte Lösung parat hat, einige altbekannte Namen her. Peter Bosz, der vergangene Saison bei Borussia Dortmund entlasten wurde, ist ebenso auf dem Markt wie Ralph Hasenhüttl, der schon mit Bayer 04 in Verbindung gebracht wurde. Auch Markus Weinzierl sucht seit geraumer Zeit nach einem Job, das passende Angebot war in der letzten Zeit nicht dabei.

Weitere Kandidaten, die verfügbar sind: Martin Schmidt, Andre Schubert, Andries Jonker und Markus Gisdol. Während der Länderspielpause dürfte eine Entscheidung zu erwarten sein.

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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