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Batigoal – ein unvollendeter WM-Held

5. Juli 2014 | Spotlight | BY Marius Merck


Argentinien kann heute zum ersten Mal seit 1990 in Italien das Halbfinale einer Weltmeisterschaft erreichen. Ein besonderer Spieler dieser Fußballnation scheiterte seitdem abermals an diesem Vorhaben und drückt heute vor dem TV sicher die Daumen, dass seine Nachfolger um Lionel Messi heute dieses Ziel erreichen.

 

Gabriel Omar Batistuta (geboren am 01.02.1969) gilt als einer der besten Stürmer in der ruhmreichen Geschichte der argentinischen Nationalmannschaft, wenn nicht gar aller Zeiten.

Auf Klubebene begann der „blonde Engel“ seine Karriere 1988 in Argentinien bei den Newell´s Old Boys. Über River Plate und Boca Juniors landete Batistuta 1991 beim AC Florenz.

In der Toskana schlug er voll ein und wurde absoluter Fanliebling. Dies ist vor allem durch die Tatsache begründet, dass Batistuta im Jahr 1993 der Viola trotz des Abstiegs (u. a. mit Stefan Effenberg) in die Serie B trotz vieler Offerten die Treue hielt und umgehend zum den Wiederaufstieg schoss. Bereits 1996 errichteten die Tifosi zu Ehren Batigoals eine lebensgroße Bronzestatue, im selben Jahr konnte er mit der Fiorentina die Coppa Italia gewinnen. Nur zu einem Meistertitel sollte es für Florenz nicht langen, selbst dann nicht als man 1998 Giovanni Trapattoni als neuen Coach verpflichten konnte und die Mannschaft mit einigen internationalen Spitzenspielern wie z. B. Rui Costa verstärkte. Um dem großen Traum Meistertitel näher zu kommen entschloss sich Batistuta 2000 zu einem Wechsel, die Fiorentina legte ihrem Mannschaftskapitän wegen seiner großen Verdienste (269 Ligaspiele, 168 Tore) keine Steine in den Weg.

Den Zuschlag sicherte sich der AS Rom, der für den Argentinier 32,5 Millionen € in die Toskana überwies. In einer furiosen Offensive um Francesco Totti, Marco Delveccio und Vincenzo Montella konnte Batistuta bereits in seinem ersten Jahr endlich die Meisterschaft erringen. Er selbst war mit 20 Treffern direkt der beste Torschütze des Teams. Nachdem er durch mehrere Verletzungen seine Form und seinen Stammplatz in der ewigen Stadt verlor, wurde er zur Rückrunde in der Saison 2002/2003 an Inter Mailand ausliehen.

Nach dem Kurzintermezzo in Mailand wechselte Batistuta 2003 nach Katar zu Al-Arabi (einmal mehr sein Mitspieler dort: Stefan Effenberg), wo er sich den Spätherbst seiner Karriere fürstlich entlohnen ließ. Nichts desto Trotz stellte er noch kurz vor dem Karriereende noch einen Torrekord in Katar auf, als er in 21 Spielen 25 Tore erzielte und Torschützenkönig der ansässigen Liga wurde.

In der argentinischen Nationalmannschaft debütierte „Batigoal“ am 27.03.1991 mit 22 Jahren. Im selben Jahr konnte er mit der „Albiceleste“ die Copa America gewinnen, wo er auch mit 6 Treffern Torschützenkönig wurde. Diese beiden Erfolge konnte Batistuta 1993 wiederholen, auch wenn er sich den goldenen Schuh mit 4 Treffern mit dem Venezolaner José Dolgotta teilen musste. Mit der Nationalmannschaft nahm er an den Weltmeisterschaften 1994, 1998 und 2002 teil. Jedes mal gehörten die Argentinier mit ihrem Weltklassestürmer zu den absoluten Topfavoriten, jedes mal erreichte sie nicht das Halbfinale.

 

1994: „Der Urin Gottes“

1994 reiste die argentinische Mannschaft als amtierender Vizeweltmeister und zweimaliger Copa America Gewinner zur Endrunde in die Staaten. Aufgrund dieser Ausgangslage wurden die „Albiceleste“ noch vor dem späteren Gewinner Brasilien als absoluter Topfavorit gehandelt. In den Abwehr hielten José Antonio Chamot (Lazio) und Roberto Sensini (Parma) den Laden zusammen, das Mittelfeld wurde Fernando Redondo (Real Madrid) und Diego Simeone (Atletico Madrid) organisiert und im Angriff wirbelten Kaliber wie Claudio Caniggia (Benfica), Abel Balbo (Roma) und eben „Batigoal“. Trainer Alfio Basile hatte in jedem Mannschaftsteil mehrere herausragende Optionen.

Der Mann im Fokus war natürlich ein anderer Star. Diego Armando Maradona gab nach seiner Sperre wegen Kokainkonsums 1991 sein viel umjubeltes Comeback auf der großen Bühne und führte als Kapitän das Team an. In der Gruppenphase sollte die Mannschaft auf Griechenland, Nigeria und Bulgarien treffen.

Im ersten Spiel ging es gegen WM-Neuling Griechenland in Foxborough. Angetrieben von einem überragenden Maradona wurde „Hellas“ überrannt. Am Ende gewannen die Argentinier 4:0. Batistuta feierte ein WM-Debüt nach Maß und erzielte gleich mal einen Dreierpack. Das 3:0 erzielte Maradona nach einer wunderbaren Kombination und präsentierte sich auch sonst in einer viel besseren Form als es ihm viele vor dem Turnier zugetraut hatten. Insgesamt war der ganze Auftritt so überzeugend, dass Argentinien spätestens ab diesem Zeitpunkt als absoluter Topfavorit gehandelt wurde.

Auch das zweite Spiel gegen Nigeria fand in Foxborough statt. Gegen die Nigerianer tat die die „Albiceleste“ schwerer und gewann mit Mühe 2:1. Siasa brachte Nigeria früh in Führung, „Batigoal“´s Sturmpartner Caniggia konnte den Rückstand in einen Sieg drehen (21., 28.) Nach zwei Spielen und 6 Punkten war das Achtelfinale zum Greifen nahe. Doch dann kam der schwarze Tag, welche die argentinische Euphorie komplett zerstören sollte.

Nach dem Spiel gegen Nigeria musste Maradona eine Dopingprobe abgeben, in welchen verbotenen Substanzen (u. a. Ephedrin) nachgewiesen wurden, weshalb die FIFA ihn vom Turnier ausschloss. Maradona selbst erklärte dazu: „Ich habe nicht gedopt! Die FIFA verfolgt mich und hat mir die Beine abgeschnitten! Ich bin unendlich traurig.“ Trotz seiner großen Traurigkeit schloss Argentiniens ehemaliger Goldjunge einen Vertrag mit dem TV-Sender „Canale 13“ um für eine Gage von 1,5 Mio Dollar als WM-Kommentator in den USA zu bleiben. Der Skandal um den Topfavorit war perfekt.

Von diesen Querelen abgelenkt wurde das letzte Gruppenspiel in Dallas gegen Bulgarien überraschend mit 0:2 verloren – Christo Stoitschkow zeigte mit einem Doppelpack, wieso diese WM „seine“ werden sollte, weshalb er am Ende des Jahres zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde. Durch diese Niederlage rutschte Argentinien sogar auf Platz 3 in Gruppe ab! Damals gab es jedoch noch einen anderen Modus mit lediglich 6 Gruppen, weshalb die zwei besten Dritten ebenfalls ins Achtelfinale einzogen. Am Ende wurde Nigeria (6 Pkt., 6:2 Tore) vor Bulgarien (6 Pkt., 6:3 Tore) Gruppensieger, die sich aufgrund des besseren Vergleichs gegenüber Argentinien (6 Pkt., 6:3 Tore) Platz 2 sichern konnten.

Im Achtelfinale spielte die „Albiceleste“ gegen Rumänien. Vor über 90.000 Zuschauern bei sengender Hitze im Rose Bowl in Pasadena konnten die Rumänen mit 3:2 triumphieren und schickten Argentinien nach Hause. Batistuta konnte in ersten Halbzeit den zwischenzeitlichen Ausgleich zum 1:1 erzielen. Gheorghe Hagi erzielte mit dem 3:1 den schönsten Treffer des Turniers.

Nachdem man mit so vielen Vorschusslorbeeren angereist war, stellte das Ausscheiden gegen Rumänien eine Ernüchterung dar. Es fällt jedoch nicht schwer den Hauptgrund für den Leistungsabfall zu finde: seit Maradonas positivem Dopingstest war die „Albiceleste“ nur noch ein Schatten seiner selbst – oder anders ausgedrückt: Der „Urin Gottes“ hat Argentinien in einer spielerisch äußerst schwachen Endrunde eine richtig dicke Chance versaut!

 

1998: Ortegas Kopfnuss und Bergkamps Geniestreich

Auch 1998 hatte Argentinien einen absoluten Topkader. Die Abwehr um Chamot und Sensini wurde durch Roberto Ayala (Napoli) ergänzt, im Mittelfeld gab der neue Kapitän Diego Simeone mit den Jungspunden Ariel Ortega (Valencia), Juan Sebastian Veron (Sampdoria) und Javier Zanetti (Inter) den Takt vor, im Angriff „Batigoal“ Unterstützung von Newcomern Claudio Lopez (Valencia) und Hernan Crespo (Parma). Der Trainer war die Legende Daniel Passarella, der ein wenig eigenwillig war. So äußerte er vor dem Turnier, dass er keine Spieler mit langen Haaren mit zur Endrunde nehmen würde und ließ daraufhin tatsächlich Fernando Redondo daheim, der Real Madrid mit Jupp Heynckes gerade vor der WM zum Champions League Sieg geführt hatte. Tatsächlich war Batistuta der einzige Spieler mit längerer Mähne im argentinischen Kader. „Batigoal“, so Passarella, „sei unersetzbar!“ In der Gruppe waren Jamaika, Japan und Kroatien die Gegner.

Im ersten Spiel gab es einen müden 1:0 Sieg gegen Japan. „Batigoal“ erzielte in Toulouse in der 28. Minute den Siegtreffer. Im zweiten Spiel brannte die „Albiceleste“ in Paris ein wahres Feuerwerk ab. Jamaika hatte keine Chance und musste sich mit 5:0 geschlagen geben. Ariel Ortega sorgte mit einem Doppelpack nach einer Stunde für die Vorentscheidung. Dann kann die „Batishow“! In nur zehn Minuten (73., 78., 83.) erzielte Batistuta einen lupenreinen Hattrick. Dies ist bis heute der schnellste Hattrick, der je bei einer WM erzielt wurde. Außerdem stellte damit Batistuta einen weiteren Rekord auf: er ist der einzige Spieler, dem bei zwei verschiedenen Endrunden drei Treffer gelangen (siehe 1994 gegen Griechenland). Im letzten Gruppenspiel wurde mit einem 1:0 Erfolg gegen Kroatien der Gruppensieg mit der Maximalausbeute von 9 Punkten und keinem Gegentor perfekt gemacht.

Im Achtelfinale in St. Etienne traf man auf einen alten Bekannten aus historischer Sicht: England. Dieses Spiel sollte zu einem der besten des Turniers werden. Bereits in fünften Minute konnte Batistuta per Elfmeter treffen, Alan Shearer glich ebenfalls per Elfmeter wieder aus (10.). Der 18jährige Michael Owen erzielte kurz darauf das Tor, welches in berühmt machen sollte, Javier Zanetti erzielte nach einem schönen Freistoßtrick mit dem Halbzeitpfiff den Ausgleich. Nachdem in der regulären Spielzeit und in der Verlängerung keine Tore mehr fallen wollten, gab des für Argentinien einen Vorteil – es kam zum Elfmeterschießen. David Batty hieß der tragische englische Held dieses Sommers – „Batigoal“ verwandelte auch im Nervenspiel souverän.

Das Viertelfinale sollte wieder in St. Etienne stattfinden. Die Albiceleste traf auf das niederländische Dreamteam der Mitneunziger. Patrick Kluivert und Claudio Lopez sorgten für ein Unentschieden zur Halbzeit. In der zweiten Hälfte erwies Ortega seinem Team einen Bärendienst und flog nach einer Kopfnuss gegen Edwin Van der Sar vom Platz. In der Hitzeschlacht waren die dezimierten Argentinier nun klar im Nachteil. In der 89. Minute spielte Frank de Boer einen 50m Traumpass (Daryl Blind hat sich wohl vor dem Spanien Spiel genau diese Highlights angesehen) auf Dennis Bergkamp, der den Ball traumhaft kontrollierte, Ayala narrte und herrlich mit dem Außenriss in den Winkel traf. Wieder war die argentinische Mannschaft durch ein Traumtor ausgeschieden, wieder hatte die Nummer 10 (erst Maradona, nun Ortega) ein großes Verschulden daran. Immerhin konnte sich Batistuta mit seinen fünf Turniertoren den silbernen Schuh als zweitbester Torjäger sichern.

 

2002: Alptraum in Fernost

Schon im Vorfeld war klar, dass diese WM für den mittlerweile 33jährigen Batistuta die letzte Endrunde werden würde. Viele Säulen von 1998 standen wieder im Kader, ergänzt durch einige junge Neue wie Walter Samuel (Roma), Kily Gonzales oder Pablo Aimar (beide Valencia). Die jungen Megatalente Juan Riquelme und Javier Saviola wurden von Coach Marcelo Bielsa nicht berücksichtigt.

Argentinien kam in die „Todesgruppe“ F mit England, Schweden und Nigeria, trotzdem gab es am Weiterkommen keine Zweifel. Das Land selbst befand sich in der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte und die Mannschaft versprach sich daher besonders für ihre Landsleute einzusetzen.

Das Turnier begann standesgemäß mit einem 1:0 Sieg über Nigeria – Batistuta erzielte das Tor des Tages. Im zweiten Gruppenspel konnten die Engländer und vor allem der Siegtorschütze David Beckham erfolgreich Revanche für 1998 nehmen. So kam es im letzten Gruppenspiel zum Endspiel gegen Schweden, denen ein Unentschieden gereicht hätte. Die „Albiceleste“ war gewarnt, bereits am Vortag war Titelverteidiger Frankreich ausgeschieden.  Nach einer Stunde brachte Anders Svensson die Schweden per Freistoss in Sendai in Führung. Die Argentinier rannten nun wütend an und vergaben Chance um Chance – vor allem das Sturmduo Batistuta und Crespo. Letzterer konnte kurz vor Schluss noch den Ausgleich erzielen. Zum Sieg sollte es jedoch nicht mehr reichen. Schweden rettete das Unentschieden über die Zeit und sicherte sich den Gruppensieg vor England. Für den Favoriten aus Argentinien war damit das Turnier bereits frühzeitig beendet. Gabriel Batistuta erklärte nach dem Spiel seinen Rücktritt aus dem Nationalteam.

Was bleibt… ist das Batitstuta mit 56 Toren in 78 Länderspielen der erfolgreichste Torjäger seines Landes ist (natürlich wird Messi wohl auch diesen Rekord irgendwann brechen) und mit 10 Toren bei WM Endrunden ebenso einer besten WM Torschützen aller Zeiten. Es ist schade, dass dieser sympathische Stürmer aus den oben benannten Gründen niemals ein WM Halbfinale spielen konnte, weshalb er zu den vielen unvollendeten WM-Helden gehört.

Seit seinem Karriereende ist „Batigoal“ kaum in Bezug zu Fußball in Erscheinung getreten. In seiner Freizeit beschäftigt sich der blonde Engel, der vor allem durch seine letzte Karrierestation bei den Scheichs ausgesorgt haben sollte, am liebsten mit Golf und Poker – lässig!

Marius Merck

Eine Autogrammstunde von Fritz Walter weckte die Leidenschaft für diese Sportart, die über eine (“herausragende”) Amateurkarriere bis zur Gründung von 90PLUS führte. Bei seinem erklärten Ziel, endlich ein “Erfolgsfan” zu werden, weiter erfolglos.


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