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Buenos Díaz Abstiegskampf! – Der Hoffnungsträger des HSV im Portrait

5. Februar 2015 | Spotlight | BY Chris McCarthy


Am Deadline Day konnte der HSV nach Ivica Olic einen weiteren routinierten und erfahrenen Neuzugang präsentieren, der den Dino möglichst weiter am Leben erhalten soll: Marcelo Diaz. Zinnbauer setzt große Hoffnungen in den kleinen Chilenen (1,66m)
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Aller Anfang ist schwer

Marcelo Diaz begann 1997, im Alter von 11 Jahren seine Fußballkarriere als Juniorenspieler bei Universidad de Chile. Nicht viele trauten ihm den großen Sprung zu, erst recht nachdem Diaz 2003 einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen musste. Sein Bruder Gonzalo nahm sich das Leben. Noch heute sagt Diaz:

„Ich habe seinen Tod nicht überwunden, aber ich habe gelernt, damit zu leben.“

Nichts desto trotz erhielt der sympathische Chilene 2004 seinen ersten Profivertrag. Doch die Anfangszeit als Profi war schwer, nach sechs Jahren auf der Bank und unzähligen Positionswechseln wurde er schließlich an Deportes La Serena verliehen. Dort fand der mittlerweile 23-Jährige endlich seine Schlüsselposition im zentralen Mittelfeld. Infolgedessen wurde Diaz nach seiner Rückkehr zum Hauptstadtclub unter Sampaoli zum Stammspieler und absolvierte letztendlich 205 Partien für den Verein. Der Höhepunkt dieser acht Jahre war ohne Frage der erste Copa Sudamericana Titel der Vereinsgeschichte im Jahre 2011. Wenige Monate später folgte die Berufung zur Nationalmannschaft.

„Wenn es am schönsten ist sollte man aufhören“, dachte sich wohl Diaz und riskierte 2012 den Schritt nach Europa. Mit dem FC Basel wurde der Mittelfeldmotor direkt Meister, erreichte das Halbfinale der Euro League und wurde auf Anhieb Stammspieler. In der kommenden Saison folgte die nächste Meisterschaft und im Sommer letzten Jahres dann das Highlight: die WM 2014 in Brasilien.

Chile beeindruckte bei dem 2-0 über Spanien und schied letztendlich äußerst unglücklich im Elfmeterschießen gegen Brasilien aus. Während Alexis Sanchez und Arturo Vidal die unangefochtenen Stars der La Roja sind, ist es Marcelo Diaz, der von der chilenischen Presse als „Trainer auf dem Platz“ bezeichnet wird – doch dazu später mehr.

Auch in dieser Saison ist Basel mit 8 Punkten Vorsprung Tabellenerster. Also warum tauschte Diaz nun das internationale Geschäft gegen Abstiegskampf ein?

Diaz: „Meine Integration dort ist insgesamt nicht optimal verlaufen. Woran es genau gelegen hat, kann ich mir auch nicht erklären. Zum einen war es meine erste Auslandsstation. Alles war neu: die Sprache, die Kultur – ein komplett anderes Leben. Außerdem passte ich nicht so gut ins System der Trainer.“ [MoPo]

 

Seine Qualitäten und sein Einfluss auf die HSV-Offensive

Nun ist Diaz also in Hamburg, €2m Ablöse überwies das Bundesliga-Urgestein an den FC Basel. Doch was für ein Spielertyp ist Diaz, was zeichnet ihn aus und warum könnte er vielleicht einer der besten Transfers der Winterpause sein?

Bei der Lösung dieser Fragen unterstützt uns Südamerika-Experte Jonas Giæver (@CheGiaevara): Jonas hat bereits Veröffentlichungen in Norwegen und England vorzuweisen und verfolgt seit Carlos Tevez bei den Boca Juniors für Aufsehen sorgte, intensiv den südamerikanischen Fußball.

90PLUS: Was für ein Spielertyp ist Diaz?

Jonas: Diaz ist der Spieler, der Balance in die Mannschaft bringt. Er versteht, dass er durch seine Bewegung und sein Stellungsspiel das Pressing seiner Mitspieler animiert. Das bedeutet, dass sich die Verteidiger sehr oft an ihm orientieren. Er ist ebenfalls derjenige, der den Ball in Rollen bringt und Angriffe von hinten initiiert. Diaz sorgt dafür, dass der Ball durch die eigenen Reihen läuft, er legt quasi den Grundstein für seine Mitspieler – er ist der Regisseur.

90PLUS: Wie entwickelte sich Diaz und was ist seine Bedeutung für die chilenische Nationalelf?

Jonas: Er ist ein Spätzünder und wurde eigentlich erst 2012 (im Alter von 25) unter Sampaoli eine tragende Figur der Nationalmannschaft. Das ist kein Zufall, denn Sampaoli war bereits sein Trainer bei Universidad de Chile und folglich spielte Diaz unter dem Argentinier dieselbe Rolle wie schon im Verein. Während der WM-Quali und dem Turnier in Brasilien war er ein absoluter Schlüsselspieler, sicherte hinter Charles Aranguiz & Arturo Vidal ab und ermöglichte somit den Beiden am Offensivspiel teilzunehmen.

Anmerkung 90PLUS: Diaz verpasste während der Qualifikation 5 Spiele – Chile verlor 4 davon.

90PLUS: Was kann Diaz dem HSV bieten und wie kann er das Team im Abstiegskampf unterstützen?

Jonas: Basierend auf dem, was ich diese Saison von Hamburg gesehen habe, braucht das Team Stabilität in der Zentrale und jemanden, der die elf Spieler auf dem Platz miteinander verbindet. Das werden sie mit Diaz zu 100% erhalten, wenn er sich schnell an das Tempo der Bundesliga gewöhnt.

Wie bereits oben erwähnt, legt Diaz viel Wert darauf, dass der Ball durch die eigenen Reihen rollt. Er ist sehr spielintelligent und weiß, wann es Zeit für einen langen Diagonalball ist oder ob das Tempo durch schnelles Kurzpassspiel gehalten werden soll. Für eine Mannschaft wie dem HSV, die Wert auf Ballbesitz legt und diesen geschickt einsetzen will, ist Diaz ideal. …

Anmerkung von 90PLUS: Der HSV hat unter den Teams der unteren Tabellenhälfte den zweithöchsten Ballbesitz vorzuweisen (49,8% hinter dem BVB), jedoch ist die Passgenauigkeit die fünftschlechteste der Liga (71,4%).

Jonas: … Er ist aus seiner Zeit bei Universidad de Chile, aber auch durch die Nationalmannschaft, ein hohes Tempo gewöhnt. Ich denke, dass eine Mittelfeldzentrale aus Diaz und Behrami langfristig äußerst interessant ist, da Diaz durch den Schweizer einen aggressiven & zweikampfstarken Partner hätte. Das würde Diaz mehr Zeit mit dem Ball ermöglichen. Das bedeutet jedoch nicht, dass er nicht den Zweikampf sucht. Diaz wird zweifelsohne durch Tacklings und gezielte Läufen an der Balleroberung teilnehmen, obwohl er selten auf diese Mittel zugreifen muss, da sein Stellungsspiel so gut ist.

Zusammenfassend könnte man sagen, dass er der kühle Kopf ist, der die Balance aufrecht erhält und das Chaos vor sich ordnet.

90PLUS: Bei Hamburg ist ohne Frage das Toreschießen das Hauptproblem. Gerade einmal 12 Treffer erzielten die Hanseaten bisher. Welchen Einfluss kann Marcelo Diaz auf die kränkelnde HSV-Offensive haben?

Jonas: Er ist ein exzellenter Standardschütze und bringt ohne Mühe gefährliche Freistöße & Ecken in den Strafraum. Darüber hinaus versucht Diaz Räume zu finden und Steilpässe zu spielen, dies hängt natürlich davon ab wie tief er aufgestellt sein wird. Aufgrund der Rolle, die er unter Sampaoli hatte, ist er wohl nicht der geeignete Spieler um eine Abwehr auszuhebeln. Nichts desto trotz würde eine offensivere Rolle ihm die Freiheit geben, dies zu tun. Es würde mich jedoch überraschen, wenn er dazu verpflichtet worden wäre, da es nicht die Position ist, für die er heute bekannt ist.

90PLUS: Du sagst, er sei ein Spätzünder. Bei Basel hat es gegen Ende nicht mehr gepasst, bist du mit seiner Entwicklung etwas enttäuscht? Wie sieht deiner Meinung nach seine Zukunft aus?

Jonas: Ja ich bin etwas enttäuscht. Ich dachte ursprünglich, dass die Station in Basel vielleicht als Sprungbrett dienen könnte, um letztendlich zu einem größeren Verein zu wechseln. Ich erwarte, beziehungsweise hoffe, dass er seine Rolle nun in einer großen europäischen Liga wie der Bundesliga, bei einem namhaften Club festigen kann. Dazu hat er in Hamburg eine gute Chance.

Sollte Diaz sich schnell eingewöhnen, könnte der HSV ein wichtiges Puzzle-Teil auf dem Transfermarkt entdeckt haben. Er könnte das fehlende Bindeglied im Mittelfeld sein und die Truppe von Zinnbauer durch Spielintelligenz und Routine in ruhige Gewässer führen. Wenn das funktioniert könnte beim Bundesliga-Dino mittelfristig endlich mal wieder Ruhe einkehren. Doch zunächst heißt es für den kleinen Strategen: Buenos Díaz Abstiegskampf!

Vielen Dank an Jonas Giæver für das angenehme & aufschlussreiche Interview!

 

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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