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BVB | Jude Bellingham: Ein Pressingmonster für Marco Rose

18. Juli 2021 | Trending | BY Simon Lüttel

Während Jude Bellingham nach der Europameisterschaft noch einige Tage im Urlaub verweilt, startete Neu-Trainer Marco Rose mit seinen BVB-Kollegen bereits in die Vorbereitung. Der 18-Jährige könnte unter Rose zum Schlüsselspieler werden. Wir erklären warum.

Marco Rose: Produkt der RB-Trainerschmiede

Am 1. Juli wurde Marco Rose als neuer Trainer von Borussia Dortmund vorgestellt. „Er steht für einen modernen, attackierenden, offensiven Fußball, der sehr gut zu Borussia Dortmund passt“, erklärte Sportdirektor Michael Zorc und betonte: „Es gibt eine sehr gute Balance zwischen dem nötigen Spiel gegen den Ball, das ist die Salzburg-Schule mit Gegenpressing und Umschaltspiel, aber auch ein Spiel gekennzeichnet von guten und kreativen Lösungen im eigenen Ballbesitz.“

 

Die Salzburg-Schule. Hier lernte Marco Rose nach Anfangsschritten beim 1. FSV Mainz 05 II und Lokomotive Leipzig zwischen 2013 und 2019 sein Fach. Über die U16 des FC Red Bull Salzburg arbeitete er sich hoch zum Cheftrainer. Der Spielstil Roses entspricht dem typischen Stil der Red-Bull-Teams. Charakteristisch für den Fußball der roten Bullen ist ein aggressives Angriffspressing gepaart mit einer grundsätzlich hohen Dynamik und Variabilität. Die Mannschaften der RB-Klubs folgen übergeordneten Prinzipien, die bereits in den Jugendmannschaften umgesetzt werden. Die koordinierte und schnellstmögliche Rückeroberung des Balls ist ein wesentlicher Bestandteil der RB-Philosophie, die auch Marco Rose verinnerlichte.

Diese möchte Rose nach zwei Jahren an der Seitenlinie von Borussia Mönchengladbach nun bei Borussia Dortmund umsetzen. „Nach Dortmund passt Arbeiter-Fußball, also viel laufen, Bälle gewinnen und das Stadion hinter sich bringen“, sagte er bei seiner Präsentation.

(Gegen-)Pressing als Erfolgsrezept

Ein großer Vorteil der sofortigen Rückeroberung des Balls ist, dass die Organisationsstruktur des Gegners nicht ideal ist. Durch schnelles Umschalten ergeben sich für das eigene Team Räume, die in einer eigenen länger anhaltenden Ballbesitzphase nicht bespielbar gewesen wären. Darüber hinaus können Mannschaften trotz vermeintlich schwächerer Einzelspieler einen stärkeren Gegner durch ein gut koordiniertes Gegenpressing in die Bredouille bringen.

Das bekam der BVB 2017/2018 selbst zu spüren. Von der Tribüne beobachtete Hans-Joachim Watzke wie herausragende Salzburger den BVB im Achtelfinale der Europa League mit 2:1 im eigenen Stadion schlugen. Das Rückspiel endete torlos. Rose und Co. hinterließen am Abend des 18. März 2018 einen bleibenden Eindruck bei den Dortmunder Verantwortlichen, wie Watzke gegenüber der Sportbild bestätigte.

Bereits bei den ersten Trainingseinheiten wurde aufgrund der gewählten Spielformen deutlich, dass Rose viel Wert auf die schnellstmögliche (Wieder-)Eroberung des Balls legt. Daraus machte der 44-Jährige nach der ersten Trainingseinheit kein Geheimnis: „Wir sind in drei verschiedenen Grundordnungen angelaufen, aber es ging vor allem um allgemeine Dinge. Darum, nicht vogelwild durch die Gegend zu laufen. Aber das haben die Jungs ohnehin grundsätzlich drin.“

Für die Umsetzung seiner Spielidee benötigt der Ex-Gladbacher athletische Einzelspieler mit guter Physis. Das wird deutlich, wenn man die drei teuersten Gladbach-Transfers aus der Ära Rose betrachtet. Stefan Lainer, Breel Embolo und Marcus Thuram entsprechen allesamt einem kräftigen und dynamischen Spielertyp. Beim BVB hat er einen Prototypen dafür bereits im eigenen Kader: Jude Bellingham.

Bellingham: Von der Championship in die Champions League

Jude Bellingham wurde zwar erst vor wenigen Wochen volljährig, doch geht bereits in seine dritte Profisaison. Früh zeigte sich, dass der Engländer über gute physische Anlagen verfügt. In den Jugendmannschaften von Birmingham City spielte er regelmäßig in den älteren Jahrgängen. Seinen gleichaltrigen Kollegen war er stets einen Schritt voraus.

Mit gerade einmal 16 Jahren beorderte Birmingham-Trainer Pep Clotet den Engländer im Sommer 2019 zu den Profis. Bellingham überzeugte auf Anhieb und wurde beim Zweitligisten zur Stammkraft. In der Championship herrscht bekanntlich ein etwas raueren Ton. Dass sich ein 16-Jähriger auf physischer Ebene mit seinen Gegenspielern auf diesem Niveau ebenbürtig zeigte, sorgte bei Topclubs aus ganz Europa für Aufsehen. Im Sommer 2020 folgte der Wechsel zum BVB für eine Ablösesumme von 25 Millionen Euro.

 

Beim BVB überzeugte Bellingham in seiner ersten Saison auf ganzer Linie. Wettbewerbsübergreifend kam der 1,86 Meter große Mittelfeldspieler zu 46 Einsätzen. Besonders auf internationaler Bühne sorgte er mit beeindruckenden Leistungen für Aufsehen. Auch im eigenen Land. Im November 2020 wurde er zum drittjüngsten Spieler, der jemals für die englische Nationalmannschaft zum Einsatz kam. Im Sommer durfte er mit zur Europameisterschaft. Nun, wieder zurück beim BVB, könnte er 2021/2022 zum Schlüsselspieler werden.

Exzellent im Spiel gegen Ball

Wie aktiv Bellingham besonders im Gegenpressing, also dem Pressing unmittelbar nach dem Ballverlust des eigenen Teams, ist, veranschaulichten die Statistiker von Statsbomb im März. Mit 6,2 Gegenpressingaktionen pro 90 Minuten konnte der junge Engländer die viertmeisten Gegenpressingaktionen aller Spieler aus Europas Topligen in der laufenden Spielzeit 2020/21 vorweisen.

Und es gibt weitere Werte, die Bellinghams Stärken im Spiel gegen den Ball untermauern. Mit 23,26 Pressingaktionen pro 90 Minuten von den 6,53 erfolgreich sind, kann das junge Kraftpaket auf beachtliche Zahlen vorweisen. Die nebenstehenden Zahlen geben dabei an, in welchem Perzentil sich Bellinghams Wert im Vergleich zu anderen Mittelfeldspielern aus Europas Top-Fünf-Ligen befindet.

Quelle: fbref.com

Die Daten zeigen, dass Bellingham in der vergangenen Spielzeit besonders im Angriffs- und Mittelfeldpressing besonders aktiv ist. Trotz seines jungen Alters wirkt Bellingham bereits beeindruckend routiniert, was sich in Zweikampfführung, Positionierung und Passspiel widerspiegelt. Im Gegenpressing agiert er kompromisslos, indem er den Zweikampf nach einem Ballverlust nahezu reflexartig sucht.

Bellingham und Rose: Das perfekte Match beim BVB

In welcher Stammformation der BVB in der Saison 2021/22 aufläuft, ist noch offen. Ohnehin wäre es für Rose und sein Trainerteam typisch, wenn sie sich nicht auf ein taktisches Korsett festlegen. Daher wäre es keine Überraschung, wenn die Dortmunder sich variabler und flexibler formieren als in den vergangenen Spielzeiten. Bei der Wahl der Grundordnung werden nicht nur die Stärken und Schwächen des eigenen Teams berücksichtigt sondern auch auf die Fähigkeiten des Gegners. Vorstellbar ist, dass Rose wie in Salzburg auf eine Raute setzt und Bellingham als linker oder rechter Achter im Mittelfeld zum Einsatz kommt.

BVB-Neu-Trainer Marco Rose mit seiner Mannschaft

Photo: Imago

Laufstarke und dynamische Mittelfeldspieler sind eine Quintessenz für den energetischen Spielstil. Bellingham bietet ein vielseitiges Skillset, das ihn zu einer Allzweckwaffe zwischen den Sechzehnmeterräumen macht.

Bereits in der Klopp-Ära konnten die Dortmunder Anfang der 2010er-Jahre zahlreiche Erfolge mit einem exzellenten Gegenpressing feiern. Nun folgt mit der Rose-Verpflichtung wieder ein Trainer, der mit dieser Philosophie daran anknüpfen möchte. Das Pressingmonster Jude Bellingham gibt ihm dafür das perfekte Werkzeug.


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