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Der BVB unter Peter Bosz – diese Spieler stehen auf der Kippe

15. Juni 2017 | Spotlight | BY 90PLUS Redaktion

 

„Mit 29 Spielern ist unser Kader ein bisschen groß.“. So wurde Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc kürzlich von einem deutschen Sportmagazin zitiert. Die erste Aufgabe des neuen Trainers wird es also sein, in möglichst kurzer Zeit zu beurteilen, wer für seinen technisch anspruchsvollen wie intensiven Positionswechsel- und Pressingfußball geeignet ist – und wer nicht.

 

Pass- und Ballsicherheit auf den Außen

Ein Markenzeichen von Bosz’ aufregender Ajax-Mannschaft war im vergangenen Jahr das Spiel der Außenverteidiger. Setzten seine Vorgänger hier noch auf klassische Flügelspieler wie den kraftvollen Kenny Tete, etablierte Dortmunds neuer Hoffnungsträger bald eine Kultur der Pass- und Ballsicherheit, sowie der strategischen Besetzung offensiver Halbräume. Das Ergebnis: Kenny Tete fand sich im zweiten Glied wieder, ihm wurde der defensivschwächere Joel Veltman vorgezogen. Auch auf der linken Seite setzte Bosz voll auf Technik, Spielintelligenz und ein sauberes Passspiel, als er zeitweilig gar den offensiven Mittelfeldspieler Daley Sinkgraven zum Außenverteidiger umfunktionierte.

Wendet man diese Beobachtungen auf den aktuellen BVB-Kader an, scheint der mit Abstand passschwächste Außenbahnspieler Erik Durm ein logischer Streichkandidat zu sein. Ebenso könnte Felix Passlack den Verein (wie bereits kolportiert) per Leihe verlassen – er schien im vergangenen Jahr noch nicht reif genug für das spielerische Level des BVB. Bleibt Bosz dem in Amsterdam praktizierten 4-3-3 treu (und sieht den extrem ballsicheren Raphael Guerreiro nicht im zentralen Mittelfeld), könnte im Extremfall gar Kapitän Marcel Schmelzer aus der ein oder anderen Startformation rutschen. Für Matthias Ginter bedeutet der neue Coach jedoch vielleicht eine Renaissance als Außenverteidiger.

(Photo by TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images)

Spielstarke Innenverteidiger

Bartra, Sokratis, Bender, Ginter, Zagadou, Subotic, Toprak: Der BVB hat zu viele Innenverteidiger. Peter Bosz verlangte von Spielern dieser Position in der Vergangenheit vor allem zweierlei: Eine rege (und möglichst saubere) Beteiligung am Spiel in die Tiefe und kluge Pressingvorstöße à la Mats Hummels. Während letzteres beinahe allen BVB-Innenverteidigern zuzutrauen ist (Abstriche: Ginter und Zagadou), sind die Rollen beim Thema Passspiel schon klarer verteilt: Hier zeigen der zuletzt ausgeliehene Neven Subotic und Ömer Toprak die geringsten Fähigkeiten, bzw. die geringste Affinität (Toprak passt zwar sauber, aber auch eher konservativ).

Fazit: Neven Subotic scheint beim BVB schon lange abgeschrieben zu sein, doch auch der wacklige Matthias Ginter und und Tuchel-Wunschspieler Ömer Toprak erscheinen nicht wie klassische Bosz-Innenverteidiger. Talent Zagadou könnte wird sich aufgrund der starken Konkurrenz ohnehin zunächst hinten anstellen müssen.

(Photo by Dean Mouhtaropoulos/Bongarts/Getty Images)

 

Bewegliche Ballverteiler auf der 6

Auch im defensiven Mittelfeld setzt Bosz eher auf Nadelspieler-Qualitäten und die Fähigkeit, ein Spiel strategisch zu leiten, als auf Physis und eine robuste Zweikampfführung. Julian Weigl dürfte daher nach seiner Genesung auch beim neuen Trainer Anklang finden. Nuri Sahin erscheint in dessen langer Abwesenheit die logischste Alternative zu sein. Schwer dürfte es dagegen Sebastian Rode haben, der in Dortmund bislang nicht den agilen und passsicheren Eindruck seiner frankfurter Tage bestätigen konnte. Auch Mikel Merino steht auf der Kippe. Das spanische Talent wirkte im vergangenen Jahr noch sehr ungeschliffen und dürfte durch seinen verspäteten Einstieg in die Vorbereitung (Teilnahme an der U-21-WM) gegenüber den Konkurrenten im Nachteil sein. Im Lichte des derzeit freien Platzes im BVB-Mittelfeld hätte er sein unbedeutendes Sommerturnier womöglich besser abgesagt.

 

 

8 oder 10? Hauptsache offensiv!

Im Bezug auf das offensive Mittelfeld des BVB scheint bisher das Folgende wahrscheinlich: Die Rolle eines reinen Nadelspielers im Raum zwischen gegnerischer Abwehr- und Mittelfeldreihe wird es unter Peter Bosz wohl nicht geben. Das bringt womöglich Shinji Kagawa und Mario Götze (wenn er denn wieder fit ist) in die Bredouille. Beide haben sich nun bei verschiedenen Clubs an einer “Umschulung” zur offensiven 8 versucht – und sind gescheitert. Allerdings muss man beiden zugute halten, dass ihre großen Tage die hoher Gegenpressingsituationen und schneller Umschaltmomente unter Jürgen Klopp waren. Situationen, die es nach der tuchel’schen Spielkontrolleära wohl auch bei Peter Bosz wieder zuhauf geben wird. Es dürfte also vor allem auf die körperliche Fitness der beiden – und die Frage, ob sie spielerisch noch mit einer extrem hohen Spielintensität umgehen können – ankommen.  Eine spannende Personalie könnte hier zudem Ousmane Dembélé werden – denn Peter Bosz setzte bei zentralen Mittelfeldspielern in der Vergangenheit oft auf ein ausgeprägtes Dribblingvermögen.

 

“Bosz’ ultimative Inspirationsquelle ist ein Video von der WM 1974, als die […] niederländische Mannschaft die Gegner zurück drängte und durch Pressing einschnürte, wie Tiger, der den Hals seiner Beute fest umschlossen hat.” – Benefoot, Priya Ramesh

 

Stürmen heißt: Pressen!

Im Sturm, der vermutlich eine Dreierformation niederländischer Schule sein wird, scheinen die Chancen derzeit noch einigermaßen gleich verteilt zu sein. Marco Reus’ erneuter Langzeitausfall bietet zwar Chancen für alle Beteiligten, jedoch erscheint ein Abgang Pierre-Emerick Aubameyangs derzeit nicht mehr so wahrscheinlich, wie noch vor Wochen. Da Peter Bosz seine dribbelstarken Außenstürmer gerne zu Kombinations- und Pressingzwecken in die Mitte pendeln lässt, könnte zudem Neuzugang Maximilian Philipp – eigentlich eine hängende Spitze –  auf die “Außenbahn” beordert werden, um dort seine Stärken einzubringen.

Dass Dembélé auch unter seinem neuen Coach einen Stammplatz vereinnahmt, erscheint selbstverständlich. Zudem könnte sich Christian Pulisic dank seiner Spielintelligenz und seinem vorbildlichen Engagement im Pressing ein echter Bosz-Spieler herausstellen. Lediglich Emre Mor fällt auf den ersten Blick etwas ab – er geriet zuletzt mit Thomas Tuchel aufgrund mangelnder Arbeitsbereitschaft nach Ballverlusten aneinander und gilt als Kandidat für eine Leihe. Wie schnell sich Jugendspieler Jacob Bruun Larsen in den Profikader integriert, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

 

 

Fazit: Die klarsten Verhältnisse zeichnen sich in Dortmunds anfälliger Defensive ab. Hier dürften Subotic, Rode, Merino, Durm und Passlack wenig Chancen auf einen Kaderplatz haben. Wesentlich spannender gestaltet sich der Kampf um die Rolle der Außenstürmer. Hier könnte lediglich der noch zu unreif agierende Emre Mor ins Hintertreffen geraten. Im zentralen Mittelfeld deutet sich ein Kampf der Allrounder (Dahoud, Castro) gegen die “10er” an. Vorteil: 8er!

 

David Theis

 

(Photo by Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images)


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