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Dortmund gegen Schalke: Derby ohne Derbyfieber

15. Mai 2020 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Für die Fans von Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 ist das Revierderby das wohl wichtigste Spiel des Jahres. Bereits in den Wochen davor fiebern beide Lager auf dieses Duell hin, die Spiele sind häufig sehr emotional. Doch vor dem Derby am morgigen Samstag ist alles anders.

Denn der erste Spieltag nach der Unterbrechung der Saison im Zuge der Corona-Pandemie steht auf dem Programm. Ja, es ist ein Derby und es wird auf dem Platz um jeden Ball gekämpft. Aber die Vorzeichen und die Rahmenbedingungen sind gänzlich anders als sonst.

Das Revierderby 2020: Anders besonders

„Das Derby ist für mich, logischerweise, ein ganz besonderes Spiel. Doch nicht ansatzweise so besonders wie die Situation in der wir uns gerade befinden. Normalerweise baut sich bei diesem Duell schon Tage vorher Spannung auf, alleine der Gedanke an den Anpfiff macht mich etwas unruhig und vor allem ungeduldig. Das ist, leider, im Moment nicht der Fall“, resümiert unser Redakteur und BVB-Fan Julius Eid die aktuelle Situation rund um das Derby.

 (Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Der kommende Spieltag in der Bundesliga ist der Auftakt in eine Zeit, in der sich die Zuschauer vor den Fernsehgeräten an leere Stadien gewöhnen müssen. Diese Zeit wird noch längerfristig andauern, die Tragweite der Veränderungen wird dem Zuschauer durch dieses „besondere“ Spiel, das sonst auch von den Fangesängen, den Pfiffen, den Unmutsbekundungen von den Rängen lebt, mit voller Wucht verdeutlicht.

Das sieht auch Julius Eid so: „Vielleicht wäre die Vorfreude etwas größer, wenn man nicht direkt mit diesem Duell starten würde. Wenn man sich etwas eingefunden hätte in den neuen Ablauf. So fällt es mir nicht nur sehr schwer mich auf ein packendes Duell zu freuen, es fällt mir sogar schwer mir eines vorzustellen.“

Dortmund gegen Schalke: Es fehlt das Drumherum

Es ist vor dem Revierderby, das am Samstag um 15:30 Uhr angepfiffen wird, also sehr schwer, eine konkrete Erwartungshaltung zu formulieren. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob man ein Derby genießen kann, gleichermaßen für Fans und Spieler. Es fehlen die Reaktionen im Stadion, es fehlt der positive Effekt auf den Adrenalinpegel, wenn man in ein Fußballstadion mit 80.000 grölenden Fans einläuft. Vieles von dem, was den Fußball und speziell solche Spiele für den Zuschauer zu einem Rundum-Erlebnis macht, fehlt. Da helfen auch möglicherweise künstlich eingespielte Fangesänge seitens der TV-Rechteinhaber nicht viel.

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Doch neben den fehlenden atmosphärischen Elementen vermisst man auch eine gewisse Klarheit, was man auf dem Platz erwarten soll. „Sportlich fällt mir die Vorbereitung sehr schwer – schwerer noch als nach einer Sommerpause. Während wir uns in einer Sommervorbereitung im Trainingslager und bei Testspielen einen persönlichen Eindrücken verschaffen können, ist dieser Spieltag ein sportlicher Blindflug“, teilte uns Andreas Ernst, Reporter von Funke Sport, mit.

Und in der Tat ist es schwierig, den aktuellen Leistungsstand der Mannschaften zu bestimmen. Es gibt keine Test- oder gar Pflichtspiele als Grundlage, das Mannschaftstraining findet auch erst seit kurzem statt. Befürchtungen, dass das Spielniveau geringer sein wird, als vor der Unterbrechung der Saison, könnten sich bewahrheiten. Die sportliche Aussagekraft mag dadurch vielleicht sinken, die Punkte werden dennoch nach altbekanntem Muster vergeben.

Dortmund und Schalke brauchen die Punkte

Aus tabellarischer Sicht ist dieses Duell aber ein Spitzenspiel. Der Zweitplatzierte empfängt den Sechsten, der BVB will weiter um den Titel mitspielen, während Schalke 04 sich im Kampf um das internationale Geschäft gut positionieren will. Vor der Unterbrechung gewann Dortmund fünf der letzten sechs Pflichtspiele, beim FC Schalke 04 deutete der Trend eher nach unten. Doch durch die neue Situation sind diese Statistikspielereien Makulatur.

Klar ist, dass beide Mannschaften die drei Punkte benötigen, um ihren Zielen näher zu kommen. Die Favoritenrolle liegt dabei klar beim Gastgeber, doch Schalke verlor nur eines der letzten acht Spiele gegen den Revierrivalen. Zumindest das macht – auf statistischer Ebene – Mut. Neben fußballerischen Qualitäten wird auch die mentale Verfassung der Mannschaften eine große Rolle spielen. Wer geht besser mit der Situation um? Ist die fehlende Unterstützung der Heimfans ein Nachteil für den BVB? Diese Fragen werden auch über den Ausgang der Partie entscheiden.

Nicht nur auf dem Platz ist vieles neu

Natürlich ist für die Spieler, Trainer, Betreuer und Schiedsrichter vieles neu und die Situation ungewohnt, doch auch die Journalisten, die in ihrer täglichen Arbeit Bericht erstatten, sehen sich mit neuen Gegebenheiten konfrontiert, wie auch Andreas Ernst mitteilt: „Aus journalistischer Sicht ist ganz besonders, dass der persönliche Kontakt wegfällt. Das bedeutet: Wir durften uns keine Trainingseinheit anschauen, eine Medienrunde mit Daniel Caligiuri war nur virtuell, die Fragen an David Wagner konnten nicht persönlich, sondern nur über WhatsApp gestellt werden. Und von unserer Mediengruppe sind nicht wie bei anderen Derbys drei oder vier Reporter im Stadion, sondern nur einer.“

Auch daran wird man sich also gewöhnen müssen. Die Berichterstattung ist eine andere, die Interviews werden in einer anderen Art und Weise geführt, die Trainer haben einen Mund-Nase-Schutz auf, den sie nur für bestimmte Handlungen kurz abnehmen dürfen. Das zeigt, dass nicht nur für die Spieler neue Umstände gelten, die Dinge müssen sich erst einspielen. Dieser, am Wochenende und am Montag ausgetragene Spieltag ist also auch ein Experiment, anhand dessen sich Abläufe optimieren lassen können – in allen Bereichen.

Dortmund trifft auf Schalke: Ein bisschen Vorfreude

Klar ist also: Das kommende Fußballwochenende wird anders sein. Ein wenig Vorfreude kann aber dennoch empfunden werden, meint auch Andreas Ernst: „Es gibt ja viele, ob Reporter oder Freunde, die fast schon zelebrieren, wie wenig Lust sie auf Fußball und die Bundesliga haben. Mir geht es etwas anders, meine Fußball-Schmacht ist bei 9,98 von 10 angekommen. Ich freue mich sehr darauf, den Ball rollen zu sehen, mal wieder über Chancen, Spielzüge und Taktik berichten zu dürfen. Gleichwohl möchte ich auch betonen, dass ich die Kritik an der Struktur des Profifußballs in vielen Punkten teile und Reformen zwingend notwendig sind, wenn die Krise überwunden ist.“

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Doch die Meinungen sind geteilt, die vorab herrschende Derbyeuphorie betrifft nicht alle Zuschauer, die sonst schon eine Woche vorher dieses ganz besondere Kribbeln spüren. Und dennoch wird das Resultat des Spiels einige Menschen bewegen, es wird für gute und für schlechte Laune sorgen, es wird Diskussionsthema sein. Vielleicht sind es die Geschehnisse auf dem Platz, die dabei im Mittelpunkt stehen, vielleicht sind es auch die Begleiterscheinungen. Man weiß es vorher nicht. Man weiß so vieles nicht, vor diesem ganz besonderen Revierderby. Einem Derby, ohne die dazugehörige Derbyatmosphäre.

(Photo by Christian Kaspar-Bartke/Bongarts/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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