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Premier League: Die Analyse – Wer wird Meister?

14. März 2019 | Spotlight | BY Chris McCarthy

30 Spieltage sind komplett. Der FC Liverpool und Manchester City liefern sich noch immer ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel. 17 Spieltage standen die Reds an der Spitze, zwölf die Cityzens. Entscheidend ist allerdings, wer am 12. Mai auf dem ersten Tabellenplatz thront…

Ausgangslage

Nachdem der FC Liverpool zum Jahreswechsel seinen Tabellenvorsprung auf sieben Punkte erhöht hatte, folgte am 3. Januar der von den Medien als „Vorentscheidung“ titulierte Showdown der beiden Titelaspiranten im Etihad Stadium. Manchester City konnte den Matchball abwehren, bezwang die zuvor ungeschlagene Mannschaft von Jürgen Klopp in einem intensiven Spiel mit 2:1 und gewann daraufhin acht der folgenden neun Spiele.

Die Reds hatten unterdessen eine kleine Schwächephase zu durchstehen. Nach zwei 1:1 Unentschieden gegen Leicester und West Ham – Spiele in denen eher zwei Punkte gewonnen als vier verloren wurden – sowie Nullnummern gegen die Rivalen Manchester United und Everton, hat sich das Blatt gewendet.

TeamSpSUNTGTTDPkt
1.ManCity3024247921+5874
2.Liverpool3022716817+5173

Manchester City hat die Tabellenführung zurückerobert, hat einen Zähler mehr auf dem Konto und darüber hinaus das bessere Torverhältnis vorzuweisen – ein nicht unwesentlicher Faktor.

Vorteil ManCity (1:0)

Offensive

Manchester City

Die Mannschaft von Pep Guardiola erspielt sich die vielversprechendsten Chancen der Premier League und nutzt diese auch effizient. Anders als im Vorjahr, als man seine „expected Goals“ deutlich um insgesamt 14,5 Tore übertraf, hält sich die Torausbeute in dieser Spielzeit strikt an den „xG“ – Wert: 2,55 xG zu 2,6 Tore pro Spiel.

Das bedeutet, dass City 2018/2019 statistisch gesehen weniger „Glückstore“ erzielt und nicht sonderlich abhängig von übertriebener, daher oftmals temporärer Abschlussstärke ist. Mit anderen Worten: Das Offensivspiel ist nachhaltig, konstant und zuverlässig.


XG

Gemessen an historischen Daten und diversen Faktoren, wie die Entstehung einer Chance (Flanke, Kurzpass etc.), bemisst „xG“ auf einer Skala von 0 bis 1, wie wahrscheinlich es ist, in einer bestimmten Situation und Position ein Tor zu erzielen. Ein Schuss mit 0,75 xG entspräche beispielsweise einer Torwahrscheinlichkeit von 75%. Ein Wert von 2,55xG in einem Spiel bedeutet, dass alle Chancen in diesem Spiel zusammen addiert theoretisch in 2,55 Tore resultieren sollten.


Das einzige Problem des Meisters ist die von uns oftmals zitierte „gefährliche Bequemlichkeit“. Insgesamt neun Punkte wurden verspielt, indem man nach einem frühen 1:0 den Fuß vom Gas nahm und anschließend nicht mehr einen Gang höher schalten konnte.

Photo ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images)

FC Liverpool

Der FC Liverpool erarbeitet sich ebenfalls ungemein viele Chancen und hat den zweitbesten „xG“-Wert pro Spiel (2,1) vorzuweisen. Die Reds nutzen diese Chancen äußerst effizient (2,27 Tore pro Spiel), doch seit Ende Januar ist die Offensive ins Stocken geraten.

Mit Ausnahme der „leichteren“ Heimspiele gegen Bournemouth, Watford und Burnley tat sich der Zweitplatzierte zuletzt schwer, qualitativ hochwertige Gelegenheiten herauszuspielen.

Sp.GegnerxGErgebnis
24Leicester (H)0,581:1
25West Ham (A)1,121:1
26Bournemouth (H)2,533:0
27ManUtd (A)0,380:0
28Watford (H)2,745:0
29Everton (A)0,810:0
30Burnley (H)4,124:0

Man könnte argumentieren, dass Jürgen Klopp gerade auswärts gegen die Rivalen Manchester United und Everton lediglich „nicht verlieren“ wollte und dementsprechend zurückhaltender agieren ließ. Nichts desto trotz ist es zumindest besorgniserregend, dass dieser potente Angriff derzeit nicht beständig produziert. Noch besorgniserregender ist es, dass die Offensivlast primär von drei Spielern getragen wird.

Mohamed Salah, Roberto Firmino und Sadio Mané erzielten gemeinsam 44 der 68 Saisontore (65%). Ein Grund dafür ist das Mittelfeld, welches Kreativität sowie Torgefahr vermissen lässt und bisher nur fünf Treffer beisteuern konnte.

(Photo by Stu Forster/Getty Images)

Ebenfalls zu erwähnen: Während die Cityzens in dieser Saison acht Spieler mit mindestens fünf Saisontoren vorzuweisen haben, sind es bei Liverpool eben nur diese drei plus Xherdan Shaqiri (6), der in diesem Kalenderjahr noch kein einziges Mal traf.

Das Offensivspiel des amtierenden Meisters aus Manchester ist momentan facettenreicher und zuverlässiger.

Vorteil ManCity (2:0)

Defensive

Manchester City und der FC Liverpool stellen mit 17, respektive 21 Gegentoren die effektivsten Defensivreihen der Liga. Es sind die einzigen Hintermannschaften, die weniger als 1 „expected Goal“ pro Spiel zulassen (0,72; 0,73) – Chelsea folgt auf Platz drei mit 1,02 xGA/Spiel.

Gerade im Fall des FC Liverpool, wo die Defensive Jahr für Jahr die Achillesferse darstellte, ist das eine herausragende Leistung. Die kontrolliertere Spielweise, vor allem aber die Verpflichtungen von Keeper Alisson und Abwehrchef Virgil Van Dijk haben sich ausgezahlt.

(Photo PAUL ELLIS/AFP/Getty Images)

Manchester Citys Defensive, mit Senkrechtstarter Aymeric Laporte und einem der besten Torhüter der Liga in Ederson, ist nicht weniger beeindruckend, zumal Rechtsverteidger Kyle Walker Defensivschwächen offenbart und die häufigen Ausfälle von Benajmin Mendy, Vincent Kompany sowie John Stones verkraftet werden mussten.

Insgesamt nehmen sich die Defensiven nicht viel. Die Beständigkeit und die Tatsache, dass Liverpool über den besten Innenverteidiger der Liga verfügt, sprechen, wenn überhaupt, minimal für die Reds.

Vorteil Liverpool (2:1)

Kaderbreite

Liverpool

Der einst so dünne Kader des FC Liverpool wurde mit den Verpflichtungen von Alisson, Xherdan Shaqiri, Naby Keita und Fabinho im Sommer nicht nur in der Spitze, sondern gleichzeitig in der Breite verbessert. Zuletzt entsprach Letzteres allerdings eher der Theorie als der Praxis.

Sowohl Shaqiri als auch Keita hinken aktuell den Erwartungen des Trainers hinterher, kommen nicht mehr über Reservistenrollen hinaus. Diese war Rechtsverteidiger Nathaniel Clyne nicht genug, er wurde im Winter an Bournemouth verliehen. Rückblickend eine naive Entscheidung, denn Trent Alexander-Arnold hatte diese Saison das ein oder andere Mal mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Sein Ersatz wäre James Milner, dem bei all seiner Erfahrung für diese Position Dynamik und Schnelligkeit fehlen. 

Liverpool konnte und kann nicht so ausgiebig rotieren, wie man es sich ursprünglich erhoffte. Klopp ist sehr abhängig von seinem Stammpersonal, allen voran natürlich von Virgil Van Dijk, Sadio Mané, Roberto Firmino und Mohamed Salah. Ein langfristiger Ausfall einer dieser Leistungsträger wäre für den Kader kaum zu bewältigen.

Manchester City

Der Kader der Cityzens ist ebenfalls nicht perfekt. Die Sechserposition, wo Fernadinho mit altersbedingten Form- und Verletzungsproblemen zu kämpfen hat, wurde im blauen Teil Manchesters in den Transferfenstern vernachlässigt. Es ist kein Zufall, dass sich zwei der vier Saisonniederlagen ohne sein Mitwirken ereigneten. Fällt der Brasilianer aus, hat Guardiola ein Problem. Ähnliches gilt für den anfälligen Benjamin Mendy. Für den Linksverteidiger gibt es keinen nominellen Ersatz. Die Mittelfeldspieler Oleksandr Zinchenko und Fabian Delph sowie Innenverteidiger Aymeric Laporte helfen hier aus, offenbaren auf fremder Position jedoch deutliche Defizite.

Das war es allerdings schon mit den Baustellen, denn im Mittelfeld, vor allem aber in der Offensive mit Sergio Agüero, Gabriel Jesus, Raheem Sterling, Bernardo Silva, Leroy Sané, Riyad Mahrez und Co., verfügt City über eine luxuriöse Auswahl an qualitativ hochwertigen Optionen.

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Bis auf wenige Ausnahmen ist der stargepickte Kader auf allen Positionen fast gleichwertig doppelt besetzt. Selbst der Ausfall eines Kevin De Bruyne – letzte Saison die Überlebensversicherung der Cityzens – wurde durch den Aufstieg des flexiblen Bernardo Silva nahezu problemlos aufgefangen. Rotationsmaßnahmen ohne größeren Qualitätsverlust stellen kein Problem dar.

Besonders auffällig wird das beim Betrachten der Pflichtspielminuten. Sowohl bei City als auch bei Liverpool sind die Einsatzzeiten des Stammpersonals fast identisch, doch das Team von Pep Guardiola musste in dieser Saison bereits acht Pflichtspiele mehr absolvieren (48). Der prozentuale Anteil an den maximal möglichen Pflichtspielminuten der sieben Dauerbrenner beider Teams spricht Bände:

LiverpoolPflichtspielminutenAnteil in %ManCityPflichtspielminutenAnteil in %
van Dijk3.29592%Walker3.19773%
Salah3.27991%Laporte3.18273%
Robertson3.21789%B. Silva3.10071%
Mané3.15688%Sterling3.07670%
Wijnaldum2.85179%Fernandinho3.02469%
Firmino2.77877%Silva2.80864%
Alexander-Arnold2.36966%Agüero2.63660%

Insgesamt ist Manchester City quantitativ und qualitativ besser aufgestellt.

Vorteil ManCity (3:1)

Restprogramm

Im intensiven Schlussspurt um die Meisterschaft stellt das Restprogramm natürlich ebenfalls einen wesentlichen Faktor dar. Beide Teams sind noch in der Champions League vertreten, außerdem muss Manchester City zusätzlich noch im FA Cup ran. Qualifiziert man sich gegen Swansea – wie erwartet – für das Halbfinale, hätten die Cityzens bereits zehn Pflichtspiele mehr auf dem Konto als Liverpool.

DatumManCity (74 P.)Liverpool (73 P.)
16./17.03.Swansea (FA Cup, A)Fulham (PL, A)
24.03.LänderspieleLänderspiele
30./31. 03.Fulham (PL, A)Tottenham (PL, H)
03.04.(Ausweichtermin Cardiff (PL, H))
06.04.Cardiff (PL, H) / FA Cup HalbfinaleSouthampton (PL, A)
09./10.04.CL Viertelfinale HinspielCL Viertelfinale Hinspiel
13.04.Crystal Palace (PL, A)Chelsea (PL, H)
16./17.04.CL Viertelfinale RückspielCL Viertelfinale Rückspiel
20.04.Tottenham (PL, H)Cardiff (PL, A)
24.04.ManUtd (PL, A)
27.04.Burnley (PL, A)Huddersfield (PL, H)
30.04./01.05.(CL Halbfinale Hinspiel)(CL Halbfinale Hinspiel)
04.05.Leicester (PL, H)Newcastle (PL, A)
07./08.05.(CL Halbfinale Rückspiel)(CL Halbfinale Rückspiel)
12.05.Brighton (PL, A)Wolves (PL, H)

Die zusätzlichen Pflichtspiele wurden durch den breiten Kader des Tabellenführers belastungstechnisch bisher gut kompensiert. Darüber hinaus kann sich City im Schlussspurt auf einen fitten und frischen Kevin De Bruyne verlassen. Allerdings ist durchaus zu erwarten, dass Guardiola, je weiter die Wettbewerbe voranschreiten, Rotationen zunehmend einschränken wird. Die mindestens zwei zusätzlichen englischen Wochen tuen ihr Übriges. Hier bahnt sich ein leichter Vorteil für die Klopp-Elf an.

Verstärkt wird dieser durch den Schwierigkeitsgrad des Restprogramms. Die Gegner der Cityzens kommen im Kalenderjahr 2019 auf 1,24 Punkte pro Spiel, die der Reds nur auf 1,06. Des Weiteren muss City ein Mal mehr in der Fremde ran (5), unter anderem beim Stadtrivalen Manchester United und bei Crystal Palace, gegen das man zuhause verlor.

Die Fülle und Qualität des Restprogramms ist eindeutig als Vorteil für den FC Liverpool zu werten.

Vorteil Liverpool (3:2)

Trainer

Das Duell der beiden Teams ist natürlich auch ein Duell der beiden Trainer. 

Sowohl Guardiola als auch Klopp gehören derzeit zu den Besten ihres Fachs. Beide waren schon in Titelkämpfen involviert, einmal sogar im direkten Duell. Damals, 2013/2014, entschied der Spanier das Rennen deutlich für sich, als der FC Bayern mit 19 Punkten Vorsprung vor Dortmund Meister wurde. Es war nur eine der insgesamt sieben Meisterschaften in drei Ligen, auf deren Erfahrungswerte Guardiola zurückgreifen kann. Klopp konnte, zugegebenermaßen mit schwächeren Teams, nur zwei Mal die Schale stemmen, jeweils mit dem BVB (2010/2011 & 2011/2012).

Pep Guardiola wird als einer der besten und erfolgreichsten Trainer in die Geschichte gehen. Das ist keine Kritik an Jürgen Klopp, aber dieser Punkt geht folglich an die Cityzens.

Vorteil ManCity (4:2)

(Photo by Clive Brunskill/Getty Images)

Fazit

Anhand der oben aufgeführten Kriterien hat Manchester City auf dem Papier die Nase vorne. Wenn uns der diesjährige Meisterschaftskampf allerdings eines gelehrt hat, dann, dass er nahezu unberechenbar ist. Es bahnt sich ein Herzschlagfinale an, bei dem Nuancen den Unterschied machen werden.

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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