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Shaq-Attack

26. November 2015 | Spotlight | BY Chris McCarthy


Xherdan Shaqiri hat alles gewonnen, was auf Clubebene zu gewinnen ist: Champions League, Weltpokal und seit 5 Jahren hat er immer den nationalen Meistertitel gewonnen. Drei mit seinem Heimatverein FC Basel, dem Bayern München der Schweiz und zwei mit dem Original aus der bayrischen Hauptstadt. Jetzt scheint ein Abgang in der Winterpause als ausgemacht. Doch welche Teams sind für Shaqiri interessant? Was ist für ihn die beste Option? Zuerst ein kleiner Rückblick.

Der Alpen-Messi

Beim Nike U-15 Cup wird er zum besten Spieler des Turniers gewählt und die internationalen Topvereine stehen Schlange. Sie sind begeistert von Shaqiri’s Tempo mit und ohne Ball, mit dem er seine Gegner schwindelig spielt. Doch Shaqiri will sich in seiner Heimat beim FC Basel in Ruhe weiterentwickeln und schlägt die Angebote ab. Mit 17 debütiert er für die erste Mannschaft des FC Basel und gewinnt am Ende das Double aus Pokal und Meisterschaft. Im zweiten Jahr gibt er im Achtelfinale der Champions League gegen Manchester United zwei Torvorlagen und ist Mitverantwortlich für das Ausscheiden des Favoriten. Wieder gewinnt der „Alpen-Messi“ das Double. Er will den nächsten Schritt in seiner Entwicklung gehen und wechselt für knappe 12 Millionen € zum FC Bayern München und erhält einen Vertag bis 2016.

Ein kleiner Beitrag zum großen Ganzen

Er sammelt weiter Titel, aber keine Minuten, die ein junger Fußballspieler in der Frühphase einer Karriere dringend benötigt. Er kommt zwar regelmäßig zum Einsatz und lässt hin und wieder seine enorme Schnelligkeit aufblitzen, doch zum Stammspieler schafft er es nicht. Dafür sind die Außenpositionen mit Arjen Robben und Franck Ribery einfach zu stark besetzt. Für Shaqiri bleibt so oft nur die Joker-Rolle und der Schweizer kann nie einen echten Rhythmus entwickeln. Die Bayern gewinnen das Triple und spielen die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte. Aber Shaqiri ist eben nur ein kleiner Teil der Erfolgsgeschichte. Auch unter Pep Guardiola sollten die Einsatzzeiten nicht steigen. Verschiedene Muskelverletzungen setzten ihn zudem längerfristig außer Gefecht und er spielt über 700 Minuten weniger als im Vorjahr. Die ersten Gerüchte um einen Abschied kommen auf. Doch Shaqiri bleibt in München.

„In den wichtigen Spielen von Beginn an dabei sein“

Das waren Shaqiri’s Worte im Sommer 2013. Die Leistungsdichte ist bei den Bayern aber extrem. Mit Arjen Robben, Franck Ribery, Mario Götze oder einem Thomas Müller stehen vier Spieler leistungsmäßig vor ihm. Obwohl Guardiola öfter sehr löblich über die Fähigkeiten des Schweizer Nationalspielers spricht, setzt er ihn immer weniger ein. Doch es hätte auch ganz anders laufen können. Robben’s Verletzungshistorie ist lang und auch Ribery muss immer wieder mit Wehwehchen kämpfen. Shaqiri geht es wie vielen anderen Talenten bei den absoluten Top-Vereinen, die Superstars vor sich haben. Zudem hilft es „Shaq“ auch nicht, dass mit David Alaba und Philipp Lahm zwei Verteidiger inzwischen im Mittelfeld spielen. Auch Shaqiri macht keinen Hehl daraus, dass er die Bayern gerne verlassen hätte:

„Es war bekannt, dass ich im Sommer etwas machen wollte. Nach der WM habe ich gespürt, dass es für mich besser wäre, etwas Neues auszuprobieren. Ich dachte an einen Wechsel und hatte viele Anfragen. Dann entschied der FC Bayern, dass ich bleiben muss und soll. Da kannst du als Spieler nicht viel machen.“

Doch trotz des Wechselverbotes scheint Shaqiri den Anschluss verloren zu haben. Obwohl Robben und Ribery immer wieder ausfallen, kommt Shaqiri nur auf acht Einsätze, fünf davon erst nach Einwechslung. Beim Spiel gegen Hoffenheim darf er sich nicht einmal aufwärmen gehen und verlässt danach wortlos das Stadion. Auf die ständigen Wechselgerüchte und die Unzufriedenheit Shaqiri’s antwortet Guardiola eben auf seine Art und Weise. Außerdem sickert durch, dass die Verantwortlichen inklusive Guardiola Shaqiri als nicht „clever“ genug für das Spiel der Bayern halten. Ob das so stimmt oder nur ein kleiner Seitenhieb der Verantwortlichen ist, muss jeder selbst beantworten. Eines ist sicher. Es brodelt in dem 1,63 Meter „großen“ Kraftpaket. Auch in der Champions League gegen Manchester City spielt Shaqiri nicht von Anfang an, obwohl das Weiterkommen schon sicher war.

„Bis Weihnachten haben wir noch wichtige Spiele, in der Winterpause können wir reden. Ich will die Spieler bei Bayern München haben, die auch hier spielen wollen“, sagte Guardiola auf Shaqiri angesprochen.

Übersetzt heißt das, Shaqiri darf gehen, wenn der Preis stimmt. Allgemein ist auffallend, dass immer wieder Wechselgedanken an die Öffentlichkeit geraten. Ein großes Talent wie Shaqiri muss spielen, aber wenn er die Chance erhielt, hatte man nie das Gefühl das er auch die Leistung zeigte, die einen Stammplatz bei einem der besten Vereine der Welt rechtfertigen würde- und es läuft auch ohne ihn wunderbar beim FC Bayern.

Interesse aus halb Europa

Bereits im Sommer gab es Interesse an Shaqiri aus Italien oder England. So heißt es, dass der FC Liverpool, Juventus Turin, SSC Neapel, Atletico Madrid oder auch der VFL Wolfsburg ihre Fühler nach dem 23-jährigen ausgestreckt haben. Der Wechsel im Sommer nach Neapel hatte sich zerschlagen, nachdem ihn dort die Konkurrenz abschreckte, sagte sein Berater Ulisse Savini bei „Radio CRC“. „Wenn Xherdan den FC Bayern verlässt, dann nur, um mehr Einsatzzeit zu bekommen.“

Ungefähr 15 bis 20 Millionen Euro wollen die Münchner für den Schweizer haben, was ein marktgerechter Preis scheint. Die Interessenliste zeigt schon, dass Shaqiri sich auf jeden Fall vereinsmäßig verschlechtern wird, aber das muss er in Kauf nehmen, will er regelmäßig spielen. Welche Vereine machen für Shaqiri Sinn?

[youtube https://www.youtube.com/watch?v=2BiTtYUEo1k]

VfL Wolfsburg

Die Wolfsburger haben mit dem VW Konzern im Rücken die nötigen finanziellen Mittel sich Shaqiri leisten zu können. Die Wolfsburger spielen eine überzeugende Saison und könnten im nächsten Jahr in der Champions League spielen. Shaqiri hätte einen Stammplatz sicher, muss sich aber abfinden in der nationalen Meisterschaft, zumindest vorerst, keine Chance zu haben. Was auch gegen einen Wechsel spricht: die Bayern wollen sicher keine Konkurrenten direkt stärken und bevorzugen sicherlich einen Wechsel ins Ausland.

Juventus Turin

Der italienische Rekordmeister taucht wiederholt in den Wechselgerüchten auf. Juventus scheint auf Jahre die dominierende Mannschaft in Italien zu sein und hat mit Kwadwo Asamoah nur einen nominellen Linksaußen im Kader. Einziges Hindernis könnte das Geld sein. Bayern will anscheinend sofort 15- 20 Millionen Euro, Juventus bevorzugt erst einmal eine Leihe mit Kaufoption.

Inter Mailand

Gerade erst holte Inter mit Roberto Mancini seinen ehemaligen Trainer zurück. Doch der Kader ist mit dem der Glanzzeiten Inters in seiner vorherigen Amtszeit nicht mehr zu vergleichen. Das Team ist nur noch besseres Mittelmaß. Doch sollte Besitzer Erick Thohir’s seinen Geldbeutel weit öffnen, könnte Inter eine Option für Shaqiri sein.

FC Liverpool

150 Millionen Euro haben die „Reds“ dieses Transferfenster ausgegeben. Doch sportlich hat es sich noch nicht ausbezahlt. Mit nur 14 Punkten aus 12 Spielen befindet man sich im Nirgendwo der Tabelle. Weder Adam Lallana noch Lazar Markovic, die im Sommer für 31 bzw. 25 Millionen Euro nach Liverpool wechselten, können auf den Außenbahnen überzeugen. Auf der linken Außenbahn haben die Liverpool definitiv eine Schwachstelle, die Shaqiri perfekt ausfüllen könnte.

FC Valencia

Mit Peter Lin haben die „Valencianer“ einen zahlungskräftigen Investor, der bereit ist in die Mannschaft zu investieren. Die „Los Che“ sind ebenfalls auf der linken Außenbahn nicht top besetzt und könnten Shaqiri gut gebrauchen um den Einzug in die Champions League zu schaffen.

Atletico Madrid

Atletico wollte Shaqiri bereits im vergangenen Sommer verpflichten, blitzten aber ab. Jetzt strecken sie wieder ihre Fühler aus, das könnte sich intensivieren, sollte Allesandro Cerci den Verein verlassen wollen.

Italien oder England, Hauptsache Shaqiri spielt

Shaqiri zieht Europaweit das Interesse auf sich und das ist völlig verständlich. Gerade die Außenstürmerposition ist sehr gefragt und kann oft den Unterschied machen. Die kolportierten 15 bis 20 Millionen Euro scheinen auf den ersten Blick etwas viel zu sein, aber die Vereine sehen ja nicht nur seine temporäre Qualität sondern wetten auch förmlich, dass er sich noch verbessert. Um sich zu verbessern muss Shaqiri auf höchsten Niveau spielen, und das regelmäßig. Die idealen Vorrausetzungen dafür sehe ich momentan bei Juventus Turin oder auch beim FC Liverpool. Bei ersteren würde er bei dem Topteam in Italien überhaupt spielen und beim zweiten kann er die Wende in der Saison des LFC einleiten. Die Chance auf einen Stammplatz ist bei beiden Vereinen realistisch und nur darum kann es Shaqiri gehen. Der VfL Wolfsburg könnte sich einen Shaqiri leisten, aber die Bayern werden keinen direkten Konkurrenten stärken wollen. Es ist an der Zeit das Shaqiri wieder auf dem Platz für Schlagzeilen sorgt. Lasst „Shaq Attack“ wieder von der Leine!

Philipp Landsgesell

KOMMENTAR: Mutig in der Presse – Scheu auf dem Platz? – eine statistische Analyse

BL 2012/2013
Spiele Min Tore Assists direkte
Torbeteiligungen
Minuten pro
direkter Torbeteiligung
Shaqiri 13(13) 1400 4 5 9 155,6
Robben 11(5) 999 5 5 10 99,9
Ribery 24(3) 2127 10 14 24 88,6
Müller 25(3) 2111 13 11 24 88,0
Götze (BVB) 23(5) 2049 10 9 19 107,8
BL 2013/2014
Spiele Min Tore Assists direkte
Torbeteiligungen
Minuten pro
direkter Torbeteiligung
Shaqiri 10(7) 799 6 2 8 99,9
Robben 20(8) 1717 11 6 17 101,0
Ribery 18(4) 1648 10 10 20 82,4
Müller 25(6) 2182 13 10 23 94,9
Götze 20(7) 1840 10 8 18 102,2
BL 2014/2015
Spiele Min Tore Assists direkte
Torbeteiligungen
Minuten pro
direkter Torbeteiligung
Shaqiri 3(5) 310 1 2 3 103,3
Robben 7(1) 611 5 3 8 76,4
Ribery 2(4) 263 1 1 2 131,5
Müller 11 901 6 3 9 100,1
Götze 10(1) 813 7 1 8 101,6

90PLUS via opta

Was als erstes auffällt ist, dass Shaqiri stark an seiner Effektivität gearbeitet hat (2012/2013 noch eine direkte Torbeteiligung alle 155,6 Minuten, 2013/2014 nur noch 99,9 Minuten). Der Schweizer Wirbler hat trotz einer knappen Halbierung seiner Einsatzzeit seine Ausbeute quasi beibehalten. Besonders 2013/2014 ließ sich das auch gegen die vier großen Konkurrenten (Müller, Götze, Ribery & Robben) durchaus sehen. Das spricht schon mal definitiv für ihn! Wir haben jedoch etwas tiefer in der Statistik-Kiste gewühlt:

BL  2012/2013
Spiele Min Schüsse p.Sp. Dribblings p.Sp. gefoult p.Sp. Ballverluste p.Sp.
Shaqiri 13(13) 1400 1,5 1,8 1 0,8
Robben 11(5) 999 2,9 2 1,1 1,5
Ribery 24(3) 2127 2,4 4,5 2,5 3,3
Müller 25(3) 2111 2,4 0,9 1,1 1,2
Götze (BVB) 23(5) 2049 1,9 3 2,2 2,6
BL 2013/2014
Spiele Min Schüsse p.Sp. Dribblings p.Sp. gefoult p.Sp. Ballverluste p.Sp.
Shaqiri 10(7) 799 1,7 1,6 0,6 1,1
Robben 20(8) 1717 2,7 3 1,2 1,6
Ribery 18(4) 1648 2,7 5,5 2,2 3,6
Müller 25(6) 2182 2,3 1 0,7 1,6
Götze 20(7) 1840 1,9 3,6 1,7 2,4
BL 2014/2015
Spiele Min Schüsse p.Sp. Dribblings p.Sp. gefoult p.Sp. Ballverluste p.Sp.
Shaqiri 3(5) 310 1,3 0,9 0,6 1,3
Robben 7(1) 611 4,4 4,6 0,5 0,9
Ribery 2(4) 263 0,7 3,2 1,5 1,7
Müller 11 901 3,2 0,9 1,1 1,2
Götze 10(1) 813 1,7 2,2 1,2 2

90PLUS via opta

Der größte statistische Unterschied zu seinen internen Kontrahenten ist der Mut! Aus dem Fünfergespann in der Grafik traut sich der sonst so mutig wirkende Shaqiri am wenigsten zu! Besonders auffällig ist dabei die Statistik zu den „Schüssen pro Spiel“. Der Flügelflitzer feuerte von den Fünfen am wenigsten auf den gegnerischen Kasten. Shaqiri hat einen sehr guten Schuss, also könnte er durchaus öfter den Abschluss suchen. Robben beispielsweise führt in dieser Kategorie mit seinen 4,4 Schüssen pro Partie die Bundesliga an – mit Erfolg, nur Götze brauch von den Spielern mit mindestens 5 Saisontreffern weniger Minuten pro Tor (116,1) als der Niederländer (122,2).

Der Bereich „Dribblings pro Spiel“ ist ebenfalls interessant. Der 23-jährige agiert auch hier vergleichsweise sehr zurückhaltend. Nur Müller sucht aus dem Quintett seltener das direkte Duell – jedoch unterscheidet sich die Spielweise des Torschützenkönigs der WM 2010 deutlich von der seiner Teamkollegen, denn er hat weniger den Ball am Fuß.

Insbesondere Ribery, der von den oben genannten am häufigsten das Dribbling sucht, zeichnen gerade dieser Mut und diese Explosivität (bei gleichzeitigem Erhalt einer herausragenden Effektivität) aus. Doch Dribblings führen nicht nur zu Abschlüssen oder Toren, sie bearbeiten auch die gegnerische Abwehr, machen die Defensivleute müde und führen auch zu gefährlichen Freistoßsituationen, denn der Franzose wird folglich auch am häufigsten gefoult.

Fazit

Um mit den ganz Großen mitzuhalten muss man selbstbewusst und mutig sein – und zwar nicht nur abseits des Spielfelds. Der hochtalentierte Shaqiri verfügt zweifelsohne über ein gesundes Selbstvertrauen, doch leider lässt der Schweizer dies in seinen, zugegebenermaßen limitierten, Einsatzmöglichkeiten oft missen. Es wäre interessant zu wissen ob Shaqiri im Training ähnlich agiert und somit für Guardiola nicht aggressiv genug spielt. Auf der anderen Seite könnte man das fehlende Vertrauen des Trainers auch auf eine womöglich mangelnde Spielintelligenz & Entscheidungskompetenz (z.B. wenig Torschüsse) auf dem Platz zurückführen.

So oder so, Shaqiri muss an sich arbeiten um bei einem Top-Club wie dem FC Bayern zufriedenstellende Einsatzzeiten zu erhalten.

Sein Spiel muss zwar flexibler, direkter und aggressiver werden, die Anlagen und die notwendigen technischen Grundvoraussetzungen sind jedoch zu genüge vorhanden. Etwas, dass seiner Entwicklung jedoch im Weg stehen könnte ist die Erwartungshaltung – und zwar seine eigene. Man darf darüber spekulieren ob ein Wechsel zum großen FC Bayern, beim dem deine Positionen durch Hochkaräter wie Robben & Ribery besetzt sind, für ein 20-jähriges Talent, das Spielpraxis benötigt, zu früh kam. Fakt ist, dass du dich als junger, talentierter Spieler nur durch Geduld & Konstanz langfristig zu einem Top-Spieler in einem Top-Verein entwickeln kannst. Bis dahin ist es, wie für jeden anderen seiner Klasse auch, ein harter Weg.

Chris McCarthy von neunzigplus.de

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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