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RB Leipzig: Fragen und Antworten zur Entlassung von Domenico Tedesco

7. September 2022 | Trending | BY Manuel Behlert

Die erste Trainerentlassung in der Bundesliga wurde am heutigen Mittwoch vollzogen. RB Leipzig stellt Domenico Tedesco frei, nur wenige Monate nach dem Sieg im DFB-Pokal. Das 1:4 gegen Shakhtar am Dienstagabend in der Champions League war einfach zu viel. 

Schon zuvor stand der Übungsleiter in der Kritik. „Grottenschlecht“ war der Auftritt der Mannschaft laut Domenico Tedesco (36) am Wochenende in Frankfurt. Mit 0:4 unterlagen die Sachsen den Hessen, in der Bundesliga wird den Ansprüchen schon früh hinterher gelaufen. Wir beantworten nun die wichtigsten Fragen zur Entlassung.

Wie verlief der Saisonstart von RB Leipzig?

Mit dem Pokalsieg im Rücken und einigen positiven Personalmeldungen obendrauf ging RB Leipzig sehr zielorientiert und voller Vorfreude in die neue Saison. Christopher Nkunku (24) blieb dem Klub erhalten, gleiches galt für Konrad Laimer (25) und Josko Gvardiol (20). Schlüsselspieler verließen den Klub nicht, punktuelle Ergänzungen gab es für den Kader ebenso, auch wenn Abdou Diallo (26) und Timo Werner (26) erst verhältnismäßig spät im Sommer nach Leipzig kamen. Den ersten Dämpfer gab es im Supercup, als Leipzig insbesondere in der ersten Halbzeit vom FC Bayern überrollt wurde. Das 3:5 am Ende kaschierte ein wenig die Probleme, die aufgedeckt wurden. 

Weiter ging es in der Bundesliga. Ein 1:1 auswärts beim VfB Stuttgart ließ die Sorgenfalten noch nicht bedeutend größer werden. Der VfB kann ein unangenehmer Gegner sein, aber viele Patzer durfte man sich in der Anfangsphase der Saison nun auch nicht erlauben. Es folgte aber schon der nächste, gleich im zweiten Spiel gegen den 1. FC Köln (2:2). Als dann auch noch beim FC Union verloren wurde und beim 1:2 viele Elemente fehlten, die RB in der Vorsaison unter Tedesco ausmachten, wuchs die Kritik. Das 2:0 gegen Wolfsburg war nur ein kurzer Hoffnungsschimmer. 



Denn es folgte ein 0:4 in Frankfurt, bei dem überhaupt nichts funktionierte. Wenn der Trainer nach einem Spiel mitteilt, dass die einfachen Basics gefehlt haben, die Mannschaft „grottenschlecht“ war und selbst zwei Systemanpassungen nicht fruchteten, dann befindet man sich bereits in einer Spirale aus Selbstschutz und Ratlosigkeit. Das 1:4 gegen Donezk war die Krönung des bisherigen Abwärtsstrudels. 

Warum kam es jetzt zur Trennung?

Nun, ein Teil der Antwort wurde durch die Rekapitulation des Saisonstarts bereits gegeben. RB Leipzig hatte große Hoffnungen, mit Tedesco einen Schritt nach vorne machen zu können, aber danach sieht es aktuell nicht aus. Die Negativresultate entstanden nämlich nicht vollumfänglich aufgrund von mangelndem Spielglück oder Chancenwucher, sondern es war eine Mischung aus fehlender Präzision im Offensivbereich, einem Aufbau, der den Gegner immer wieder zu Pressingsituationen einlud und individuellen Fehlern wie dem von Torhüter Peter Gulacsi vor dem 0:1 gegen Shakhtar.

Tedesco Leipzig

(Photo by ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images)

Ein ordentlicher Auftakt in die Champions League hätte noch dafür sorgen können, dass es zumindest Hoffnung auf eine Trendwende hätte geben können. Aber die erneut auftretenden Fehler und vor allem die fehlende Präzision im Spiel nach vorne, die selbst in der Rückrunde zuweilen ein Problem war, waren am Ende ausschlaggebend. RB Leipzig kam nicht mehr um die Trennung herum, die nächsten Gegner lauten schließlich Borussia Dortmund, Real Madrid und Borussia Mönchengladbach. Bis zur Länderspielphase danach zu warten, wäre wohl zu riskant gewesen.

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Ist Tedesco der Alleinschuldige für die Situation?

Ganz klar: Nein. Der Trainer ist eigentlich nie alleine und vollumfänglich dafür verantwortlich, was passiert. Er ist nur das schwächste Glied in der Kette, das häufig als erstes in Frage gestellt wird. So war es auch bei RB Leipzig. Nun gut, Tedesco legte zuletzt schon die Verhaltensweisen an den Tag, die eine Entlassung einläuten können, aber die Umstände in Leipzig müssen auch hinterfragt werden. Angefangen bei der Kaderplanung.

Oliver Mintzlaff (47) & co. haben in den letzten Jahren nämlich nicht nur gute Entscheidungen getroffen. Teile der Anhänger von RB sehen die Personalie Mintzlaff ohnehin schon länger kritisch und können es kaum erwarten, bis Max Eberl (48) eine Aufgabe im Klub übernimmt. Der Kader von RB Leipzig bietet zwar genügend Qualität, um deutlich bessere Leistungen zu zeigen, als es bisher in dieser Saison der Fall war, aber die Homogenität stimmt auch nicht auf jeder Position.

Im Abwehrverbund gibt es talentierte Spieler um Josko Gvardiol (20), der ein oder andere Defensivspieler lässt aber die Konstanz vermissen und im Aufbau gibt es Ansatzpunkte für Gegner, um erfolgreich Druck im Pressing auszuüben. Im zentralen Mittelfeld fehlt der dominante Spielmachertyp, dafür stehen hinter der Spitze einige technisch versierte, spielmachende Spielertypen im Kader. Diese Spieler decken dann auch die Außenbahnen ab und genau dort fehlt der klassische Flügelspieler. Diesen nicht als Plan A anzusehen, mag je nach Ausrichtung sinnvoll sein, aber zumindest als Option wäre ein dribbelstarker, temporeicher Spieler für das letzte Drittel eine Bereicherung.

Welche Kandidaten könnten Tedesco beerben?

Auf dem Markt befinden sich aktuell einige Trainer. Adi Hütter (52) ist ohne Verein, gleiche gilt für Sebastian Hoeneß (40) oder Andre Villas-Boas (44). Auch Thomas Tuchel (49) hat aktuell keinen Job, er wurde nur kurz nach der Tedesco-Entlassung bei Chelsea vor die Tür gesetzt. Tatsächlich sind das alles aber keine heißen Nachfolgerkandidaten. 

Die Spur führt, wie unter anderem Sky berichtet, zu Marco Rose (45). Dieser ist seit dem Sommer verfügbar, könnte gleich in seinem ersten Spiel am Wochenende auf Borussia Dortmund treffen. Noch steht die Verpflichtung nicht unmittelbar bevor, aber in den kommenden Tagen könnte schon eine Entscheidung fallen. Die Chance auf eine längerfristige Interimslösung ist jedenfalls nicht allzu groß.

(Photo by Cathrin Mueller/Getty Images)

 

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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