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FC Bayern | Tuchel allein reicht nicht: Warum der Transfersommer entscheidend ist

5. April 2023 | Trending | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern hat während der Länderspielpause die Trennung von Julian Nagelsmann bekannt gegeben. Thomas Tuchel wurde als Ersatz nach München gelotst, gewann auch sein erstes Spiel gegen den BVB. Das Pokalaus gegen Freiburg wenige Tage später lehrt die Verantwortlichen eine wichtige Erkenntnis. 

Es zieht sich durch die gesamte Saison des FC Bayern München, dass auf gute Resultate eine Enttäuschung folgt. Konstanzdellen, wie sie nicht dem Anspruch des Branchenprimus entsprechen, treten immer wieder auf. Die Verantwortlichen des Rekordmeisters nahmen dies zum Anlass, Trainer Julian Nagelsmann (35) von seinen Aufgaben zu entbinden und Thomas Tuchel (49) als dessen Nachfolger zu installieren. Die ersten beiden Spieler unter ihm zeigen: Hexen kann der neue Coach auch nicht. 



FC Bayern: Tuchel kann nicht zaubern 

Das erste Spiel unter dem neuen Trainer ist immer besonders wichtig. Noch dazu, wenn ein Team wie der FC Bayern als Tabellenzweiter den BVB empfängt, der die Tabelle in der Bundesliga anführt. 4:2 lautete das Resultat am Ende, doch wirklich zufrieden war der neue Übungsleiter nicht. Zu viel Hektik, zu viele Ballverluste, zu viele technische Fehler und phasenweise schlecht ausgespielte Konter waren für die Tuchel-Kritik nach Schlusspfiff verantwortlich. Genau die Aspekte, die auch im Nagelsmann-System zuletzt eine Rolle spielten. Dass nach nur einer Einheit mit der gesamten Mannschaft noch viel Nagelsmann-Fußball im Team steckt, überrascht nicht. 

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Folglich waren sich auch viele Experten einig, dass der Rekordmeister das Spitzenspiel auch mit dem Ex-Trainer an der Seitenlinie gewonnen hätte. Es war nicht Tuchel, der mit seinen kleinen Anpassungen dafür sorgte, dass Gregor Kobel (25) über den Ball trat. Dass die Mannschaft nicht von jetzt auf gleich den Stil des neuen Trainers verinnerlichen kann, war allen klar, auch den Verantwortlichen. Dass aber ein Spiel, wie es gegen Freiburg (1:2) zustande kam, passieren würde, überraschte sicher auch die Führungsriege, die mit steinerner Miene auf der Tribüne saß, als Lucas Höler (28) den entscheidenden Strafstoß zum 2:1 in der Nachspielzeit verwandelte. 

In vielen Spielphasen dominierte Bayern den Ballbesitz. Auch im Pressing setzte der Rekordmeister mitunter gute Akzente, drückte Freiburg vor allem im ersten Teil der zweiten Halbzeit lange in die eigene Hälfte. Doch die Breisgauer offenbarten nicht allzu viele Lücken, luden den Rekordmeister nicht ein. Und wurden belohnt. Auch weil der Favorit aus München wieder zu unsauber aus der eigenen Defensive herausspielte, schon um den Mittelkreis herum den Ball häufig herschenkte – und im letzten Drittel wieder zu viel liegen ließ, schon in der Vorbereitung der Chancen. Dass der neue Trainer kein Magier ist, der durch Handauflegen allein alle Probleme behebt, sollte nun klar sein. 

Eine Niederlage mit Signalwirkung?

Thomas Tuchel übernahm den FC Bayern mit der Anspruchshaltung, um alle drei Titel mitzuspielen. Die Gefahr, dass es zu Beginn seiner Amtszeit zu mindestens einem Dämpfer kommt, kalkulierte er mit ein. Dass schon im zweiten Spiel ein Wettbewerb ad acta gelegt werden muss, sorgte auch beim Trainer für Enttäuschung. Die Spieler zeigten sich indes selbstkritisch, der Trainer betonte, dass „alle zusammen“ dafür verantwortlich seien. Das war in der Vergangenheit auch oft das Thema nach den Spielen, trotzdem fiel das Team wenig später wieder in alte Muster zurück, ließ den Killerinstinkt vermissen. Wichtig wird nun sein, dass die Mannschaft nach diesem Aus im Pokal keinen Knacks bekommt. 

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(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Denn auch so wird es schwer genug. Am Wochenende wartet erneut Freiburg, dann Manchester City. Dann kommt Hoffenheim in der Liga, dann erneut Manchester City. Die Favoritenrolle in diesem Duell in der Champions League liegt trotz guter Leistungen des Rekordmeisters in diesem Wettbewerb aufseiten der Engländer. Und so könnte am Abend des 19. April nach dem Rückspiel in der Allianz Arena schon der zweite Titel in dieser Saison verspielt sein. Die entscheidende Frage im Fall der Fälle wird sein, ob das auch Auswirkungen auf den Trainer, seine Arbeit und vor allem die Bundesliga haben kann. Denn wenn ein Coach zu einem Team stößt, das noch drei Titel gewinnen kann und am Ende einen oder gar überhaupt keinen holt, ist das keine ideale Basis. Diese Erkenntnis wird aber niemandem erst am gestrigen Dienstagabend in den Sinn gekommen sein. 

Neben Tuchel: Der Sommer auf dem Transfermarkt wird entscheidend

Die beiden Spiele gegen Dortmund und Freiburg zeigten gleich mehrere Dinge. Entscheidend ist aber, dass ein neuer Trainer allein nicht die Probleme beheben kann. An einem sehr guten Tag kann Bayern jedes Team der Welt schlagen und wahrscheinlich auch die meisten dominieren, aber es gibt einerseits zu wenige dieser Tage und andererseits nicht die Mittel im Kader, die die Wahrscheinlichkeit respektive Häufigkeit solcher Ereignisse erhöhen würden. Das klingt angesichts von Optionen wie Noussair Mazraoui (25), Serge Gnabry (27), Sadio Mané (30), Alphonso Davies (22) und Jamal Musiala (20), die bei Spielbeginn gegen Freiburg gemeinsam auf der Bank saßen, fast schon abenteuerlich.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Breite im Kader ist beeindruckend, aber es gibt ein entscheidendes Problem: Ihm fehlt es an Homogenität. Die Problematik im Spielaufbau, die sich in den letzten Jahren zunehmend ergeben hat, ist noch immer noch gelöst. Auch zeigt das Verhältnis zwischen Athleten auf dem Feld und Technikern, die ein Spiel beruhigen, mehr Kreativität in jede Aktion bringen können, Schwächen auf. Es gibt zu viele Athleten, zu wenige Techniker. Zumindest für das immens hohe Niveau und den eigenen Anspruch. Dies ist auch keine neue Erkenntnis und stand schon vor dem Transfersommer 2022 fest.

Die Frage, ob die noch vorhandenen Probleme 2023 behoben werden können, kann nicht pauschal beantwortet werden. Zu viele Faktoren spielen eine Rolle. Wer verlässt den Verein, sorgt möglicherweise für größere Einnahmen? Kandidaten gibt es genug, insbesondere die Spieler, die seit längerer Zeit ihrer Form hinterherlaufen. Ein Beispiel ist Gnabry, der zwar an guten Tagen gleich mehrere Scorer sammeln kann, 2022/23 aber sehr häufig hinter den Erwartungen zurückbleibt und – im Vergleich mit einem Leroy Sané (27) – dem Spiel ohne eigene Scorerpunkte weniger gibt. Es liegt an ihm, wie übrigens an jedem einzelnen Spieler, die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass er dem FC Bayern weiterhelfen kann.

Im Angriff gibt es ebenfalls eine Baustelle. Eric Maxim Choupo-Moting (34) spielt eine wirklich ordentliche Saison, aber dahinter fehlt es an einer weiteren Option. Die Gnabry-Thematik wurde angesprochen, Thomas Müller (33) ist kein Spieler, der die alleinige „9“ zufriedenstellend ausfüllen kann und Mathys Tel (17) benötigt noch Zeit, um sich an diesen großen Klub zu gewöhnen. Eine weitere Option ist also fast unabdingbar. Sollte Joao Cancelo (28), wonach es aktuell aussieht, nicht fest verpflichtet werden, müsste auch noch einmal über die Besetzung auf den Außenverteidigerpositionen geredet werden.

Bei all dem gilt es zu beachten, dass auch Tuchel seine eigenen Ideen für einen idealen Kader mitbringt. Veränderungen wird es also geben. Wie viele, das hängt von der Mannschaft ab und wie sich die einzelnen Spieler in der letzten Saisonphase präsentieren. Und wer weiß, vielleicht hat Tuchel auch schon einen Masterplan im Hinterkopf, wie er für neue Impulse sorgt, die Mannschaft technisch verstärkt, seinen eigenen Stil implementiert und formschwache Spieler wie Mane wieder auf Kurs bringt. Für den Moment, und das ist ein entscheidender Punkt, nutzt ihm dieser aber nicht besonders viel.

(Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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