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VAR-Diskussionen: Pfeift nur noch die klarsten Strafstöße!

9. Februar 2023 | Trending | BY Manuel Behlert

Kommentar | Seit mehreren Jahren ist der VAR auch in Deutschland im Einsatz. Skeptiker befürchteten vor dessen Einführung, dass diese Neuerung dafür sorgen könnte, dass die typischen Diskussionen im Fußball, ob Foul oder nicht, ob Platzverweis oder doch nur die gelbe Karte mit erhobenem Zeigefinger, der Vergangenheit angehören. 

Die Erfahrung zeigt: Diskutiert wird immer noch. Möglicherweise sogar mehr. Das hat damit zu tun, dass noch immer viele Situationen nicht glasklar aufgelöst werden können. Zudem fehlt vielen Zuschauern die Transparenz. Was entschieden wird, das bekommt man mit. Warum und wie es zu der Entscheidung kam allerdings nicht. Dann wären da noch die minutenlangen Unterbrechungen, endlose Wartezeiten, bevor der Schiedsrichter an den Bildschirm geht und sich die Szene erneut minutenlang anschaut.

VAR: Die Diskussionen verlagern sich

Die Kernprobleme der aktuellen Umsetzung des VAR lassen sich also schnell zusammenfassen. Es fehlt an Transparenz, es dauert oft zu lange und einige Entscheidungen, die am Ende getroffen werden, sind trotzdem nicht nachvollziehbar oder ziehen zumindest lange Diskussionen nach sich. Immer wieder bleiben Fragen offen, so zum Beispiel nach dem Tor im Manchester-Derby, als ein im Abseits stehender Spieler klar eingriff, den Ball abschirmte, aber nicht berührte. Das Tor zählte und sorgte im Nachgang für eine Grundsatzdiskussion über diesen Teil der Abseitsregel.



Die Diskussionen im Fußball haben sich verlagert, aber einzelne Elemente sind gleich geblieben. So fühlen sich noch immer Fans nach dem Spiel ungerecht behandelt, obwohl der VAR für mehr Gerechtigkeit sorgen sollte. Nun war von Beginn an klar, dass nicht jede einzelne Fehlentscheidung korrigiert werden kann, weil es einen gewissen Spielraum gibt. Zudem bedienen Menschen die Technik und Menschen machen Fehler. Nur: Für die Zuschauer entsteht dann ein Problem, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich bewertet werden.

Für Teilprobleme gibt es schon verschiedene Lösungsansätze. Die halbautomatische Abseitserkennung ist eine sinnvolle Unterstützung. Beim Abseits gibt es, zumindest bei der Frage, ob Spieler X tatsächlich näher zum Tor positioniert ist als Verteidiger Y, eben nur eine richtige Antwort. Die fehlende Transparenz könnte durch Erklärungen auf dem Feld, wie bei der Klub-WM getestet, zumindest teilweise behoben werden.  Bleibt noch das große Problem der Auslegung von Kann-Entscheidungen.

Das Elfmeterproblem und seine (mögliche) Lösung

Eine aktuelle Szene beschreibt dieses Problem ganz gut. Die Partie zwischen dem VfL Bochum und Borussia Dortmund im DFB-Pokal befand sich in der 2. Halbzeit, als es plötzlich unübersichtlich wurde. Ein Schubser des Bochum-Offensivspielers, eine Direktabnahme, die an den Arm von Jamie Bynoe-Gittens flog, ein Pfiff, das Deuten auf den Punkt. Der VfL bekam einen Elfmeter zugesprochen. Zugegeben, bei der Handregel sind selbst viele Experten in ihrer genauen Auslegung überfragt, aber der Strafstoß war zumindest sehr strittig. Ein Foulspiel hätte gepfiffen werden können, zudem flog der Ball aus kürzester Distanz an den Arm, der in diesem Fall auch nicht klar vom Körper abgestreckt war. Es lag eine natürliche Abwehrhaltung vor.

VAR

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Die Szene wurde überprüft, alle warteten. Tobias Stieler, der Schiedsrichter der Partie, lief nach gefühlten fünf Minuten zum Monitor, alle warteten. Der TV-Zuschauer sah die Szene und dachte: „Kurze Distanz, das ist eher kein Elfmeter.“ Die Entscheidung blieb aber bestehen. Und jetzt folgt der eigentliche Punkt. Bitte, liebe Schiedsrichter, pfeift nur noch Strafstöße, bei denen ihr euch ganz sicher seid!

Zwar lässt sich von außerhalb nicht beurteilen, ob Schiedsrichter Stieler nicht zu Beginn sicher war, dass ein strafbares Handspiel vorlag, aber vergleichbare Szenen, auch bei Kontakten im Tumult des Strafraumes, sind häufiger zu sehen. Der Pfiff erfolgt, dieser kann ja überprüft werden. Das führt aber zu einem Problem: Argumente für eine glasklare Fehlentscheidung sind je nach Kontakt nur schwer zu finden. Das wiederum hat zur Folge, dass sehr viele „softe“ Elfmeter am Ende nach dem ursprünglichen Pfiff bestätigt werden.

Strafstöße sind aber nun einmal eine vergleichsweise große Sanktion für einen Zweikampf, bei dem ein Angreifer möglicherweise explizit den Kontakt sucht, sich als Beispiel mit seinem Standbein noch aktiv in den Gegenspieler bewegt. Für den Fußball in seiner aktuellen Situation wäre es besser, wenn in solchen Situationen der Pfiff ausbleibt. Sollte doch eine klare Fehlentscheidung vorliegen und es ein klarer Strafstoß gewesen sein, lässt sich dieser hinterher noch immer pfeifen.

Die Hürde der Korrektur ist in diesem Fall aber höher, weil der Gedankengang ein anderer ist. „Ist das wirklich ein Muss-Elfmeter?“ vs. „Ja, aber da ist schon ein Kontakt.“ Das würde zumindest in einigen Fällen verhindern, dass die so genannten „Kann-Elfmeter“ zumindest zu einem Teil aus dem Profifußball verschwinden. Was es hier aber braucht, ist eine einheitliche Vorgehensweise. Also: Lieber laufen lassen und bei einer klaren Fehlentscheidung korrigieren. Im Sinne des Fußballs. Danke.

 

(Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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