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Bundesliga-Vorschau Teil 2: BVB, VfL Wolfsburg, Darmstadt 98

14. August 2023 | Spotlight | BY Steven Busch

Spotlight | Im zweiten Teil der 90PLUS-Bundesliga-Vorschau beschäftigen wir uns mit Titelanwärter Borussia Dortmund, dem ambitionierten VfL Wolfsburg und zu guter Letzt mit einem Aufsteiger, dem SV Darmstadt 98.

BVB – Folgt auf den Last-Minute-Schock das Happy End?

Auf der Zielgeraden der Bundesliga-Saison 2022/23 verpasste Borussia Dortmund auf dramatische Art und Weise den neunten Meistertitel der Vereinshistorie. Trainer Edin Terzić und seine fußballerische Gefolgschaft betonen seit diesem markerschütternden 2:2-Remis am 27. Mai gegen den 1. FSV Mainz 05 unisono, dass dieser Tag nicht zu vergessen, jedoch als Teil des gemeinsamen Entwicklungsprozesses zu verstehen sei.

Nach der Winter-Weltmeisterschaft in Katar schaffte es der BVB, einen 9-Punkte-Rückstand auf den Branchenprimus FC Bayern München aufzuholen, doch die finale Entthronung der mittlerweile elf Jahre andauernden Regentschaft des Rekordchampions war letztendlich nicht vergönnt. Im Moment des schmerzhaften Misserfolges bewiesen die treuen AnhängerInnen im Signal Iduna Park ein feines Gespür respektive Anerkennung dieser grandiosen Aufholjagd, und verabschiedeten ihre tragischen Helden mit aufmunterndem Applaus in die Sommerpause.

 



In den vergangenen Wochen hat sich der Kader lediglich punktuell verändert. Ein einschneidender Umbruch stand für die Funktionäre um Sportdirektor Sebastian Kehl und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke nicht auf der Agenda. Vielmehr sollen die erkennbaren Fortschritte des Rückrunden-Primus – 40 Punkte sowie 52 erzielte Treffer stellen die Bestwerte der Bundesliga-Konkurrenz dar – nachhaltig und vor allem konstant auf dem grünen Rasen etabliert werden.

Mit Emre Can hat der Champions-League-Sieger von 1997 immerhin einen neuen Kapitän kommuniziert. Der 29-jährige deutsche Nationalspieler übernimmt die Binde von Urgestein Marco Reus. Des Weiteren hofft der BVB auf den nächsten Schritt der außergewöhnlichen Talentabteilung um Julien Duranville, Jamie Bynoe-Gittens oder Youssoufa Moukoko. Insbesondere der erstgenannte belgische Youngster, in der Wintertransferperiode für 8,5 Millionen Euro vom RSC Anderlecht verpflichtet, hat die Fans innerhalb weniger Spielminuten begeistert und die Träume vom nächsten Jadon Sancho geweckt. Die nonchalanten Dribblings respektive Unbekümmertheit des 17-Jährigen können sich zur echten Geheimwaffe gegen massive Abwehrketten aufschwingen, doch zum Saisonstart wird der Hoffnungsträger, aufgrund einer Muskelverletzung, aller Voraussicht nach ausfallen.

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Mit Raphael Guerreiro (ablösefrei zum FC Bayern München) und dem gekrönten Spieler der abgelaufenen Bundesliga-Saison, Jude Belligham (für 103 Millionen Euro zu Real Madrid), haben lediglich zwei Leistungsträger das schwarz-gelbe Ensemble verlassen. Allerdings schmerzt der Verlust von in Summe 29 Scorerpunkten der beiden Protagonisten beziehungsweise muss adäquat kompensiert werden. Unzählige Namen wurden in den letzten Monaten dementsprechend mit den Westfalen in Verbindung gebracht, in letzter Konsequenz entschieden sich die Verantwortlichen für vermeintlich „unkreative“ Lösungen aus der Beletage des deutschen Fußballs.

Linksverteidiger Ramy Bensebaini (ablösefrei) sowie die beiden zentralen Mittelfeldprofis Felix Nmecha (30 Millionen Euro vom VfL Wolfsburg) und Marcel Sabitzer (19 Millionen Euro vom FC Bayern München) wechselten unter unterschiedlich gearteten Vorbehalten zur Dortmunder Borussia. Weitere Transfers – vornehmlich beschränkt sich die Suche auf jeweils einen (talentierten) Innenverteidiger, Rechtsverteidiger und Offensivallrounder – gelten als nicht ausgeschlossen, allerdings müssen dafür womöglich erst „Ladenhüter“ wie der derzeit verletzte Thomas Meunier oder Thorgan Hazard von der Payroll gestrichen werden.

Die Vorbereitung, inklusive kräftezehrender PR-Reise in die USA, verlief ergebnistechnisch erfolgreich – keine Niederlage in sieben Testspielen – doch zahlreiche Blessuren (Kobel, Meunier, Duranville, Adeyemi, Schlotterbeck, Reyna) trüben das Bild. Zudem offenbarte der BVB, der zumeist in einem 4-2-3-1 oder 4-1-4-1-System agiert, während der Partien auch gegen teilweise niederklassige Gegner eklatante Lücken im Defensivverbund. Bei der Generalprobe vor dem 6:1-Erfolg zum Pflichtspielstart im DFB-Pokal gegen Regionalligist TSV Schott Mainz zeigte der amtierende Bundesliga-Vizemeister beim 3:1-Sieg über Ajax Amsterdam hingegen, dass die Rädchen im schwarz-gelben Motor langsam greifen und vor allem die Offensivabteilung um Sebastien Haller, Donyell Malen, Marco Reus und Co. jederzeit für Gefahr sorgen kann.

Eine Melange an Parametern ist für das sportliche Abschneiden des Klubs von elementarer Bedeutung. Zuvorderst muss die Anzahl von 44 Gegentreffern aus der abgelaufenen Saison weiter reduziert, die großen Talente weiterentwickelt, die Neuzugänge schnellstmöglich integriert, die (muskuläre) Verletzungswelle gestoppt werden sowie das taktische Korsett auch gegen eng gestaffelte Kontrahenten greifen. Sollte es dem 40-jähriger Chefcoach Terzic, selbst bekennender Sympathisant des Vereins und somit als Schnittstelle zwischen kalkuliertem Profibusiness und emotionalen Fanherzen prädestiniert, gelingen, erwähnte Komponenten positiv zu gestalten, dann könnte in der anstehenden Saison 2023/24 das ersehnte Happy End nachträglich erfolgen und der Borsigplatz beben.

VfL Wolfsburg – Graues Bundesliga-Mittelmaß für das Wolfsrudel?

Am letzten Bundesliga-Spieltag 2022/23 verspielte der VfL Wolfsburg in der heimischen Volkswagen-Arena gegen Absteiger Hertha BSC leichtfertig die Qualifikation fürs internationale Geschäft. Statt magischer Europapokal-Abende heißt es pure Tristesse in Niedersachsen. Dieser Status quo entspricht jedoch nicht den hohen Ambitionen des Mutterkonzerns. Um den dauerhaften Absturz ins graue Mittelmaß zu verhindern, haben die Verantwortlichen des Klubs mit Moritz Jenz, Vaclav Cerny, Tiago Tomas, Rogerio, Cédric Zesiger sowie Joakim Maehle frisches kickendes Personal an die Aller geholt.

Bis zur Verpflichtung des letztgenannten dänischen Nationalspielers, waren alle Neuzugänge 25 Jahre oder jünger. Das belegt die neue Philosophie der „Wölfe“. Allgemein ist der aktuelle Kader (durchschnittlich 23,9 Jahre) einer der jüngsten im Oberhaus. Der deutsche Meister von 2009 möchte vielversprechende Talente nachhaltig fördern und sie später gewinnbringend veräußern. Dabei ist den Funktionären geläufig, dass der Standort Wolfsburg in Verhandlungen nicht als Nabel der Welt verkauft werden kann, sondern vielmehr die potenziellen fußballerischen Entwicklungsmöglichkeiten sowie Rahmenbedingungen in der VW-Stadt im Vordergrund stehen müssen.

(Photo by Jan Hetfleisch/Getty Images)

Wie erfolgreich der eingeschlagene Weg sein kann, zeigt(e) sich während der laufenden Sommertransferperiode. Die Einnahmen von 82,5 Millionen Euro resultieren insbesondere aus dem Nmecha-Deal mit Borussia Dortmund (30 Millionen Euro) und dem wirtschaftlich lukrativen Abgang des niederländischen Innenverteidigers Micky van de Ven zum Premier-League-Klub Tottenham Hotspur (50 Millionen Euro).

Aufgrund dieses Aderlasses dürfte sich das Personalkarussell beim VfL Wolfsburg noch weiterdrehen. Liebend gerne würden Marcel Schäfer (Geschäftsführer Sport) sowie Sebastian Schindzielorz (Sportdirektor) beispielsweise noch den zentralen Mittelfeldspieler Lovro Majer von Stade Rennes verpflichten, doch die Gespräche um die Gunst des 25-jährigen Kroaten stocken derzeit.

Während die Kreativzentrale noch frisches Blut benötigt, hat sich die Abwehr bereits in der abgelaufenen Bundesliga-Saison bewährt. Nur 48 Gegentreffer stellen den sechstbesten Wert in der Beletage des deutschen Fußballs dar. Auch nach dem souveränen 6:0-Aufgalopp im DFB-Pokal bei TuS Makkabi Berlin sucht Cheftrainer Niko Kovac, der ein 4-3-3-System favorisiert, noch nach der perfekten Besetzung einiger neuralgischer Positionen – beispielsweise tummeln sich mit Jonas Wind, Lukas Nmecha und Tiago Tomas gleich mehrere Kandidaten für die Sturmmitte. Gelingt dieses Feintuning, kann das Wolfsrudel seine Jagd auf die obere Tabellenregion starten.

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SV Darmstadt 98 – Hält das Abwehrbollwerk der Lilien auch in Liga eins?

Mit lediglich 33 Gegentoren stellte der überraschende Aufsteiger SV Darmstadt 98 auf dem Weg in Richtung Bundesliga-Rückkehr (letztmals 2016/17) die beste Abwehrreihe des Unterhauses. Demgegenüber fallen 50 erzielte Treffer eher moderat aus. Im Team des 50-jährigen Übungsleiters Torsten Lieberknecht stehen etliche Spieler vor ihrem Debüt in der Phalanx der ersten Liga. Als Sinnbild dient Stammkeeper Marcel Schuhen. Nach diversen Stationen in der Peripherie des Profifußballs respektive in der Rolle des Back-Ups hat es der 30-Jährige in die Eliteklasse geschafft. Zum Mannschaftserfolg trug das 1,88 m große Bollwerk zwischen den Pfosten 13 „Weiße Westen“ in 32 Partien bei.

Auf dem unbekannten Terrain Bundesliga wird der Schlussmann das Duo Patric Pfeiffer und Top-Torjäger Phillip Tietz (12 Treffer in der vergangenen Saison) schmerzlich vermissen, die beide den Schritt zum FC Augsburg vollzogen. Für kostspielige respektive namhafte Transfers ist grundsätzlich wenig Geld rund ums Merck-Stadion am Böllenfalltor vorhanden. Einzig für Innenverteidiger Christoph Klarer (zwei Millionen Euro von Fortuna Düsseldorf) und Mittelstürmer Fraser Hornby (1,8 Millionen Euro von Stade Reims) wurde bislang eine Ablöse fällig.

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Ob der 23-jährige englische Angreifer aus Northampton, mit dem Empfehlungsschreiben von acht Treffern für KV Oostende in der belgischen Jupiler Pro League ausgestattet, die vakante Position im Angriffszentrum zu schließen vermag, darf zumindest angezweifelt werden. Generell müssen die „Lilien“ mit den erwartbar wenigen Tormöglichkeiten effizient umgehen. Bislang allerdings ist der Ertrag in dieser Disziplin überschaubar: in vier der sechs Vorbereitungsspiele blieben die Südhessen ohne eigenes Erfolgserlebnis.

Es bedarf beim Underdog um dessen routinierten Kapitän Fabian Holland wohl der traditionellen Tugenden Kampf, Mut und Leidenschaft, um eine realistische Perspektive auf der Mission Klassenerhalt zu haben. Um die notwendige Stabilität zu manifestieren, implementiert Trainer Lieberknecht, qua seines Amtes eigentlich ein Verfechter des 4-4-2-Systems, seit geraumer Zeit auch eine defensivere 3-4-1-2-Variante. Folglich werden die Aufeinandertreffen mit dem Aufsteiger aller Voraussicht für viele Bundesligisten nicht vergnügungssteuerpflichtig. Jetzt muss nur noch eine Passage aus dem bekannten Vereinslied verinnerlicht werden: „Tor, Tor, Tor, Lilien vor, Vor, Vor, Vor, schießt ein Tor!“

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Steven Busch

Die Außenristpässe eines Tomás Rosicky entfachten seinen Enthusiasmus für den Fußball und die Affinität zu den schwarzgelben Borussen aus dem Ruhrgebiet. WM-Held Mario Götze brach ihm mit dem Wechsel in den Süden der Republik einst sein Fanherz und der Glaube an die Fußballromantik schwand.


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