Ein unberechenbarer Straßenfußballer: Das ist Bayern-Neuzugang Bryan Zaragoza
7. Dezember 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert
Nach der bereits sicheren Verpflichtung des australischen Youngsters Nestory Irankunda hat der FC Bayern den zweiten Transfer für den Sommer 2024 eingetütet. Bryan Zaragoza wechselt vom FC Granada zum Rekordmeister. Der Offensivspieler ist hierzulande eher ein unbeschriebenes Blatt.
Dabei bringt der 22-Jährige sehr gute Anlagen mit, um sich schnell in der Bundesliga zu akklimatisieren und dem FC Bayern mehr Tiefe in der Offensive zu verleihen. Zudem ist er mit einer kolportierten Ablösesumme von rund 15 Millionen Euro nicht allzu teuer, ein großes Risiko geht der Klub nicht ein. Doch wer ist der Spieler, der die Saison noch in La Liga beendet und anschließend an die Säbener Straße wechselt?
Bryan Zaragoza: Granada mehr als nur verbunden
Die Geschichte von Bryan Zaragoza beginnt in Malaga, dort wurde der spanische Offensivspieler geboren. Lange spielte er in der Heimat, ehe es ihn zur Saison 2019/20 zum FC Granada zog, zuerst in die Jugendabteilung. Dort erhielt der Spanier den letzten Schliff, wurde langsam an die Profis herangeführt. 2020 folgte der „Aufstieg“ in die B-Mannschaft, gleichzeitig auch eine Leihe zu CP El Ejido. Spielpraxis war das A und O für den schmächtigen Jungprofi, der sich beweisen und durchbeißen wollte. Geduld war gefragt, denn der Weg in den Profifußball ist oft ein steiniger. Im Fall des mittlerweile 22-Jährigen zeigt sich: Diese Geduld kann sich auszahlen.
2021/22 debütierte der Offensivspieler für den FC Granada in der Copa del Rey, spielte ansonsten aber zunächst weiterhin für die B-Mannschaft, auf den unterschiedlichsten Positionen. Lange war nicht klar, wo Zaragoza auf dem Feld idealerweise aufgehoben ist, welchen Weg er gehen wird. Offensives Mittelfeld, Linksaußen, gar im Mittelfeldzentrum: Es gab einige Ideen mit ihm, keine führte langfristig zum Erfolg. Bis zur Endphase der Saison 2021/22, als er mit einigen Torbeteiligungen endgültig auf sich aufmerksam machte.
Prompt wurde er im Sommer 2022 zur ersten Mannschaft befördert, die damals in der zweiten spanischen Liga spielte. Viermal musste er zu Beginn 90 Minuten zusehen, dann folgten die ersten Einsätze. Auch hier ohne Kontinuität: Er spielte Linksaußen, Rechtsaußen, einmal sogar als linker Verteidiger. Trotz schwankender Leistungen erhielt er immer wieder das Vertrauen und zahlte dieses zurück, indem er sich immer besser in das Mannschaftsgefüge integrierte und am Saisonende mit drei wichtigen Treffern in den letzten drei Spielen mithalf, den Aufstieg in La Liga zu fixieren.
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Dort angekommen ging er sofort den nächsten Schritt in seiner Karriere. Anpassungsprobleme in Spaniens höchster Spielklasse hatte er nämlich nicht. Aus verschiedenen Gründen: Einerseits wurde er nur noch weit vorne eingesetzt, wenn auch wechselnd zwischen Zentrum und der Außenbahn, andererseits musste Granada sein Spiel umstellen, mehr reagieren statt agieren. Es gab also häufiger Kontermöglichkeiten, mehr Situationen, in denen der Spieler Räume erhielt. Spätestens mit seinem Doppelpack beim 2:2 gegen den FC Barcelona machte er sich einen Namen. Auch beim FC Bayern, der ihn für knapp 15 Millionen Euro verpflichtete.
Reinkarnation eines ausgestorbenen Spielertypus
Zunächst einmal wird der 22-Jährige die restliche Saison noch im gewohnten Granada-Umfeld verbringen, erst im Sommer 2024 an die Säbener Straße wechseln. Doch welche Qualitäten bringt der Spieler mit und wie kann er sich beim FC Bayern einfügen? Wir haben uns in Spanien umgehört, Rubén Cañizares befragt, der sich mit dem spanischen Fußball und speziell Granada sehr gut auskennt, unter anderem für ABC schreibt und bei Tiempo de Juego zu hören ist.
„Bryan ist ein Straßenfußballer, einer von denen, die es fast nicht mehr gibt. Er sucht immer das Eins-gegen-Eins, er hat keine Angst vor Verteidigern, er ist sehr geschickt mit dem Ball und hat zuletzt eine Menge Tore erzielt. Er muss aber noch konsequenter werden, an Muskelkraft gewinnen und sich defensiv verbessern“, so der Experte in seiner ersten Einschätzung. Und in der Tat belegen auch die Eindrücke aus der bisherigen Saison, dass er ein Spielertyp ist, der Spektakel herbeiführen kann. Insbesondere das Spiel gegen den FC Barcelona zeigte, wie unerschrocken er an große Aufgaben herangeht.
Und in der Tat gelingt es keinem Spieler in La Liga, mehr 1-gegen-1-Duelle in der Offensive für sich zu entscheiden. Schnelle Haken und Richtungswechsel bei höchstem Tempo, der ein oder andere nett anzusehende Trick: Es sind auch die Details, die den Spanier so interessant machen. Darüber hinaus wird die Entscheidungsfindung im letzten Drittel sukzessive besser, ohne, dass der mit 1,64 Metern Körpergröße recht kleine, wuselige Angreifer dabei seine Begabung für den Instinktfußball links liegen lassen würde. Das dürfte ohnehin ein wichtiger Punkt sein: Spieler wie er brauchen gewisse Freiheiten, aber auch ein stabiles taktisches Konstrukt, in dem sie ihre eigene Entwicklung fortsetzen können.
Zaragoza ist einer der Shootingstars der Liga, hat mit 22 Jahren aber noch Luft nach oben. Das bestätigt auch Rubén Cañizares: „Ich glaube, dass Bryan ein Rohiamant ist, der noch viel Raum für Verbesserungen hat, und dass er, wenn er gut ausgebildet und beraten wird, ein Fußballer mit den richtigen Qualitäten ist, um bei Bayern erfolgreich zu sein. Wenn der deutsche Verein ihm alle Möglichkeiten der Welt bietet, damit er sich in München wohlfühlt und glücklich ist, bin ich sicher, dass er Erfolg haben und die Bayern-Fans reihenweise begeistern wird.“ Eine gewisse Zeit zur Akklimatisierung muss ihm aber natürlich eingestanden werden, wenngleich der Erwerb rudimentärer Sprachkenntnisse mit einer derartigen Vorlaufzeit eine Basis darstellen würde, die machbar ist.
Zaragoza: Professionelle Einstellung, hoch angesehen
Bei einer Verpflichtung eines Spielers wird immer mehr auch die menschliche Komponente zu einem mitentscheidenden Faktor. Für den potenziellen Käuferklub gibt es immer verschiedene Möglichkeiten, um das Umfeld des Spielers abzuklopfen. Im Fall von Bryan Zaragoza dürfte das recht leicht gefallen sein. „Bryan Zaragoza ist ein sehr edler, gebildeter, professioneller Junge, der keine Konflikte innerhalb der Mannschaft hat. Er hat noch nie ein einziges Verhaltensproblem gezeigt und verfügt über ein sehr gutes Umfeld, eine liebevolle Familie und ist sich darüber im Klaren, dass er seinen Beruf sehr ernst nehmen muss, um ein großer Fußballspieler zu werden“, erklärte Cañizares auf Nachfrage.
Die Einstellung des jungen Offensivtalents sollte also kein Problem darstellen. Es sind diese Worte, die man zuletzt im Vorfeld über viele Neuzugänge des Rekordmeisters, angefangen bei Mathys Tel, über Min-jae Kim bis hin zu Zaragoza hörte. Ein weiterer Indikator dafür ist auch ein Querschnitt der Kommentare in den sozialen Medien unter dem Post des FC Granada, was den Vereinswechsel im kommenden Sommer angeht. Es überwiegt der Stolz, dass ein Spieler, der zumindest über einige Jahre im Klub ausgebildet wurde, künftig auf der großen Bühne agieren kann. Zudem zeigten sich die Fans dankbar und sind voller Überzeugung, dass der Spanier, der auch schon für die Nationalelf debütierte, alles geben wird, um Granada in dieser Saison weiterzuhelfen.
Für den FC Bayern bleibt zu konstatieren, dass sich das Risiko bei einer solchen Summe in Grenzen hält. Vielmehr lässt sich feststellen, dass wieder eine Personalentscheidung fast geräuschlos über die Bühne ging und Sportdirektor Christoph Freund langsam, aber sicher sein eigenes Konzept umsetzen kann. Ab Sommer 2024 liegt es an Zaragoza selbst, die Fußballfans in Deutschland von sich zu überzeugen und zu zeigen, dass es doch noch echte Straßenfußballer gibt.
(Photo by Fran Santiago/Getty Images)
Manuel Behlert
Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.