Champions League | Das große Duell – Barca vs. Liverpool

Anders sah es beim FC Liverpool aus. Denn die Reds schienen lange extrem überfordert von aggressiv aufspielenden Portugiesen. Die gesamte erste halbe Stunde gehörte dem FC Porto und wie schon im Hinspiel kann man von Glück reden, dass die „Reds“ diese Phase unbeschadet überstehen konnten. Mit dem ersten (!) Torschuss der Partie schlugen die Reds allerdings eiskalt zu und erzielten das 1:0. Eine faktische Vorentscheidung, die das Spiel und die Motivation des FC Porto merklich kippen ließ. Liverpool konnte im Endeffekt auch dieses Duell für sich entscheiden, bei Abpfiff stand es 1:4. Ein Ergebnis was in der Höhe etwas täuscht, im Gesamtkontext aber das verdiente Weiterkommen Liverpools besiegelte.

Barcelona

Das Hinspiel werden die Katalanen vor heimischer Kulisse bestreiten und der FC Barcelona ist heiß auf den Titel. Denn während in der heimischen Liga Titel auf Titel folgt, haben die Spanier in der Champions League zuletzt eher enttäuscht und mussten drei Jahre in Folge Erzrivale Real Madrid beim Heben des Henkelpotts zuschauen. Eine Schmach für den stolzen Klub. So formulierte Neu-Kapitän Leo Messi schon vor Beginn deutlich die Mission: Der europäische Titel muss nach Barcelona. Und diesen Worten folgten Taten. Barca marschiert bis heute souverän durch die Champions League, lieferte teilweise berauschende Auftritte schon in der Gruppenphase, zum Beispiel beim 4:2-Sieg über Tottenham. Und auch der Kapitän selbst befindet sich mal wieder in überirdischer Form. Es gibt wohl keine Superlative mehr, um zu beschrieben wie Lionel Messi Jahr für Jahr Fußball spielt. Dankbarkeit, diesen Spieler mit dem Ball am Fuß sehen zu dürfen, ist wohl das, wozu man immer wieder mahnen sollte.

Diese Galaform hat Messi nicht nur in der Champions League inne, auch La Liga musste wieder einmal erfahren, dass der kleine Argentinier in einer eigens für ihn erstellten Kategorie spielt. Rund um Messi konnte Barca also schon vor dem Hinspiel jetzt den Ligatitel sichern. Ein klarer Vorteil gegenüber den Reds, diese stehen immerhin auch in der heimischen Liga noch schwer unter Druck. Barcelona kann die restlichen Spieltage nun zum Auslaufen nutzen. Das Team hat unter Ernesto Valverde einen neuen Pragmatismus entwickelt, hat sich in Teilen von der ästhetischen Mission Guardiolas abgewandt. Doch eines bleibt gleich: Am Ende steht meist ein Sieg der Katalanen. Das Barca Valverdes ist eiskalt, genau in dem Moment da in dem es da sein muss und über 90 Minuten einfach nicht zu kontrollieren. Ein eiskaltes Raubtier.

Liverpool

Zum zweiten Mal in Folge stehen die Reds unter den letzten 4 der Champions League. Ein weiteres Anzeichen für etwas, was Trainer Jürgen Klopp so formulierte: „Wir sind zurück im Konzert der ganz Großen“. Im Gegensatz zum FC Barcelona ist für Liverpool schon der neuerliche Einzug ins Halbfinale ein Erfolg. Ein Erfolg, der unterstreicht wie wahnsinnig sich diese Mannschaft unter Klopp entwickelt hat. Jedes Jahr unter dem deutschen Trainer hat Liverpool wieder näher an die Weltspitze geführt, wenn man sich Vertragslaufzeiten und Alter der Schlüsselspieler anschaut ist dieser Weg noch lange nicht beendet. In der heimischen Liga ist man auf Augenhöhe mit den erbarmungslosen Cityzens und liefert sich einen atemberaubenden Wettkampf um die Spitze der Tabelle. Eine Situation die zum Nachteil im Duell mit Barcelona werden könnte. Liverpool spielt nur noch Finals in diesem Jahr, jedes Spiel kann über einen Titel entscheiden. Klopp bleibt also keine andere Möglichkeit als immer seine beste Elf aufzubieten, wenig zu rotieren und darauf zu hoffen, dass jeder Spieler dieses wahnwitzige Tempo auf höchstem Niveau bis zum Saisonende mitgehen kann.

Die Reds werden also gehörig unter Spannung stehen, wenn es in das Duell mit Barcelona geht. Und was körperlich ein Nachteil sein kann, könnte mental zum Vorteil werden. Woche für Woche strahlt Klopps Team hundertprozentige Konzentration und einen entsprechenden Siegeswillen aus, bei jedem Treffer sieht man im Jubel der Spieler die Erlösung für einen kurzen Moment. Dieses Team will gewinnen und eine starke Saison, eine starke Geschichte schon in diesem Jahr krönen. Genau diese Wucht wird Liverpool brauchen. Denn auch Klopp hat Pragmatismus einkehren lassen. Eine stabile Abwehrkette ermöglicht den Reds deutlich abwartender zu spielen, den vielzitierten Vollgasfußball suchte man in dieser Saison meist vergebens. Eine Mischung aus überragendem Umschaltspiel und dem Verlassen auf individuelle Qualität hat Liverpool in das Halbfinale gebracht. Doch das wird gegen Barcelona nicht reichen. Die größte Hoffnung Liverpools dürfte darin liegen, den Gegner eiskalt zu erwischen und regelrecht zu überrennen. Das Hinspiel im letztjährigen Viertelfinale, gegen den Barca-Heiligen Pep Guardiola, sollte hierfür als Blaupause dienen können.

Das Personal

Für uns als Zuschauer gibt es erst einmal etwas Positives zu vermelden. Die wichtigsten Spieler beider Teams befinden sich in Form und sind fit. Es steht einem Duell auf allerhöchstem Niveau rein personell also nichts im Wege.

Bei Barcelona spielt Pique eine herausragende Saison, auch Linksverteidiger Jordi Alba bestätigt einmal mehr seine Klasse. Und wie oben schon ausführlicher erklärt: Lionel Messi ist halt Lionel Messi. Diese Schlüsselspieler werden wohl entscheiden, wie es für Barca in diesem Jahr ausgeht. Alba im Duell mit Mo Salah, Pique im ständigen Ringen darum die teils wacklige Defensive gegen aggressive Reds zu sichern, und Messi halt im Messi sein. Und auch was Verletzungen angeht, sind die Katalanen im Glück. Nur der Langzeitverletzte Rafinha wird fehlen. Das bedeutet auch, dass Ernesto Valverde sich auf mehreren Positionen entscheiden muss. So könnten auf dem Flügel sowohl der ehemalige Liverpooler Coutinho auflaufen, als auch der Ex-Dortmunder Dembele. Auch im zentralen Mittelfeld wird Valverde sich für einen Spieler entscheiden müssen, der neben Busquets und Rakitic aufläuft. Arthur scheint hier vor Arturo Vidal die wahrscheinlichste Wahl.

Auch Liverpool kann sich im entscheidenden Saisonmoment auf seine Identifikationsfiguren verlassen. Mo Salah hat auf dem rechten Flügel seine Torflaute pünktlich überwunden und zeigte sich in den letzten Spielen topmotiviert. Ihn erwartet ein Duell mit Jordi Alba und uns damit ein Zweikampf zwischen zwei Spielern die zu den Besten ihrer Zunft gehören. Auch Sadio Mané auf dem anderen Flügel befindet sich weiterhin in Topform und unterstreicht in dieser Saison seine volle Klasse. Virgil van Dijk, dem vielleicht besten Innenverteidiger der Welt, wird sich die Aufgabe stellen. Der beste Offensivspieler der Welt. Ein weiteres Kopf-an-Kopf was für viel Spannung und Vorfreude sorgen sollte. Wer neben dem Holländer auflaufen darf, bleibt abzuwarten. Matip, Lovren oder der wiedergenesene Joe Gomez? Auf der Verletztenliste befand sich am Wochenende ein Name, der Liverpool Anhängern wohl besonders missfallen haben dürfte. Roberto Firmino. Ob der Brasilianer gegen Barca auflaufen kann ist unsicher. Ein Ausfallen wäre ein herber Verlust für Jürgen Klopp und sein Team, einen gleichwertigen Eratz findet man so nicht im Kader. Das hat Daniel Sturridge am Wochenende eindrucksvoll unterstrichen. Sollte Firmino ausfallen wäre möglicherweise Origi die erste Wahl.

Mögliche Aufstellungen

Barcelona: Ter Stegen; Roberto, Pique, Lenglet, Alba; Rakitic, Busquets, Arthur; Messi, Suarez, Dembele

Liverpool: Alisson; Alexander-Arnold, Matip, Van Dijk, Robertson; Henderson, Fabinho, Wijnaldum; Salah, Firmino, Mane

Prognose

Der FC Barcelona geht, gerade wegen einem überragenden Lionel Messi als Favorit ins Spiel. Messi ist nun einmal die Definition des Begriffs „Unterschiedsspieler“. Doch chancenlos ist der FC Liverpool nicht. Hohes, aggressives Pressing um den Ball möglichst weit vom Argentinier fernzuhalten und Effektivität im Abschluss könnten auch im Camp Nou ein Schlüssel zum Erfolg sein. Eines steht auf jeden Fall fest. Das Spiel hat das Potential zum Klassiker.

Julius Eid