Champions League | FC Bayern: Mission gescheitert

12. April 2023 | Spotlight | BY Victor Catalina

Spotlight | 0:3 unterlag der FC Bayern am Dienstagabend Manchester City. Damit ist, binnen einer Woche, wohl auch die zweite von drei Titelchancen dahin, weil man selbst zu viele Fehler machte – und das Dreierkettensystem, in dem die Mannschaft sicherer wirkte, ersetzt wurde. Die Analyse.

Bayerns guter Auftritt bleibt unbelohnt

Es war ein Spiel, das eigentlich so gar nicht in die aktuelle Königsklassensaison des FC Bayern passte – und noch weniger in das Selbstverständnis des Vereins. 0:3 unterlag man bei Manchester City. Gegen Ende konnte sich der Rekordmeister sogar glücklich schätzen, nicht noch höher untergegangen zu sein. Manchester City tat das mit den Münchenern, was diese mit den meisten Gegnern der Bundesliga tun.

Dieses 0:3 war Bayerns höchste Niederlage in einer K.O.-Runde der Champions League seit einem 0:3 im Camp Nou im Halbfinale der Saison 2014/15. Allerdings konnte man damals mildernde Umstände für Pep Guardiola anführen. Seinem Team fehlten so viele verletzte Stammspieler, dass Juan Bernat und Thiago die Wingbacks geben mussten. Vorne spielte Robert Lewandowski mit frakturiertem Gesicht und Barcelonas Sturmtrio aus Lionel Messi, Luis Suárez und Neymar war auf dem Zenit seines Schaffens.

 

 

Mit Ausnahme von Eric Maxim Choupo-Moting trat am Dienstagabend allerdings Topelf gegen Topelf an. Natürlich hielten die Münchener 70 Minuten lang „gut mit“. Natürlich war es unglücklich, dass sie – nach Nicolas Höfler im DFB-Pokal – das nächste Traumtor aus der Distanz kassierten. Natürlich hat es Chancen zum Ausgleich gegeben und vielleicht wäre das Spiel dann anders ausgegangen.

Allein, „unglücklich“, „hätte“ und „wäre“ ist auf höchstem Niveau die Nachricht von gestern. Was zählt, ist der Status quo. In Leverkusen und gegen den SC Freiburg verspielte man eine eigene Führung. Im Etihad wog der zweite Gegentreffer so schwer, dass aus einem ausgeglichenen Spiel eine Trainingseinheit vor 52.257 Zuschauern wurde. Mental gefestigt und in der Lage, solche Rückschläge wegzustecken, wirkt der FC Bayern momentan nicht.

Bayern zu fehleranfällig: City schlägt zu

Das zeigte sich auch in den Fehlern, die City unbestraft ließ. Fünf Minuten nach Wiederanpfiff kam es zu einem Missverständnis zwischen Yann Sommer und Dayot Upamecano, an dessen Ende Bayerns Keeper den Ball genau zu Erling Haaland spielte. Joshua Kimmich konnte blocken. Eine Viertelstunde vor Schluss kombinierten sich Ilkay Gündoğan und Julián Álvarez in den Strafraum, Yann Sommer verhinderte das 0:3, das nach dem anschließenden Eckball fiel.

Champions League Manchester City FC Bayern

Photo by OLI SCARFF/AFP via Getty Images

In der Champions League geht es vor allem um Intensität und die Frage, wie man mit gegnerischen Druckphasen umgeht. Real Madrid lag vergangene Saison im Etihad nach 11 Minuten 0:2 zurück. Der Spielverlauf und Citys Dominanz hätten eigentlich ein 5:1 hergegeben. Davon kamen die Königlichen vergleichsweise unversehrt mit einem 3:4, das sie vor eigenem Publikum drehen konnten. In Minute 53 stellte Phil Foden auf 3:1. Noch bevor City darüber nachdenken konnte, sich Spiel und Gegner zu Eigen zu machen, traf Vinícius Júnior zum 3:2. Was der FC Bayern am Dienstagabend jedoch vielmehr gebraucht hätte, ist eine Szene wie in Minute 33, als Karim Benzema – mehr oder minder aus dem Nichts – den 2:1-Anschlusstreffer erzielte.

Offensiv lief kaum etwas zusammen. Die gefährlichsten Aktionen hatten Jamal Musiala, dessen Abschluss überlegt von Rúben Dias geblockt wurde (26′) und Leroy Sané, der freistehend an Ederson scheiterte (49′). Ansonsten machte sich das Fehlen einer physischen Präsenz im Sturm durchgehend bemerkbar. Saubere Kombinationen ins Angriffsdrittel, die Citys Defensive vor Probleme stellen würden, gab es kaum. Mit Musialas Bewegungen hatten sie noch die meisten Schwierigkeiten oder den Distanzschüssen von Sané.

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Mehr Feinjustierung und Variabilität: Die Vorzüge der Dreierkette

Insofern half auch der Wechsel vom unter Julian Nagelsmann etabilierten 3-1-4-2/3-4-2-1 zurück zum 4-2-3-1 nur wenig. Besonders Bayerns Innenverteidiger wirkten im Dreierkettensystem wesentlich stabiler und sicherer. Mit Leroy Sané und Jamal Musiala als Unterstützung für Thomas Müller und Eric-Maxim Choupo-Moting waren offensiv im Pressing die Wege kürzer, sodass mehr Druck auf den Gegner aufgebaut werden konnte. So gesehen bei Manchester City, die, statt mit zwei Stürmern (Choupo-Moting/Müller) im 3-1-4-2 mit zwei Sechsern (John Stones/Rodri) im 3-2-4-1 spielten.

Champions League Manchester City FC Bayern

Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images

Bei der Variabilität, die viele Kader heutzutage haben, auch der des FC Bayern, eignet sich ein Dreierkettensystem mehr, da man feiner zwischen Defensive, defensivem Mittelfeld und Offensive justieren kann, ohne das zugrundeliegende System aus der Balance zu bringen. Die Dreierkette und eine Viererkette steht. Will man mehr defensive Stabilität, spielt man mit zwei Sechsern. Will man mehr spielerische Dominanz, kann man in der Grundformation zwei Zehner bringen. Sucht man nach der vollen Offensive, lässt sich das System mit einer Sechs, der Viererkette und zwei Stürmern variieren – oder einem Stürmer mit hängender Spitze. Aber die Grundidee bleibt immer dieselbe.

Nagelsmann zu entlassen, trotz eines sichtlich funktionierenden Projekts und makellosen Laufs in der Champions League, verwundert daher umso mehr. Die Führung des FC Bayern ist mit dieser Entscheidung großes Risiko gegangen, das sich bisher überhaupt nicht auszahlt. Thomas Tuchel hatte kaum Zeit, die Mannschaft und ihre Stärken wirklich kennenzulernen. Das Team selbst wirkte – nach den Rückschlägen der Winter-WM, Dortmunds Aufholjagd in der Bundesliga und dem Pokalaus – komplett destabilisiert.

Auch die Entscheidung, mit Choupo-Moting als einzigem Stürmer in die Saison zu gehen, wirkt bis hierhin fragwürdig. Die Tatsache, dass das erst nach einem 0:3 im Viertelfinale der Champions League zum Thema wird, spricht ebenfalls für die Arbeit von Nagelsmann und die Vorzüge des Dreierkettensystems. Damals hatten die Münchener die beste Offensive Europas und zählten – zurecht – zu den größten Titelanwärtern, was eher in die aktuelle Königsklassensaison des FC Bayern passt – und das eigene Selbstverständnis.

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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