CL-Vorschau: Chelsea vs Barca – Auf dem Papier auf Augenhöhe

20. Februar 2018 | Vorschau | BY David Theis

Barca reist mit einer komfortablen Liga-Tabellenführung und 6 Spielen ohne Niederlage nach London, wo Chelsea sich mitten in einem Vierkampf um die CL-Qualifikation befindet. Die Leistungen des amtierenden Meisters gleichen in den vergangenen Wochen jedoch einer Achterbahnfahrt. 

Der FC Barcelona mag sich derzeit sowohl in einer personellen Übergangsphase, als auch in einem leicht angeschlagenen Zustand befinden – doch er ist groteskerweise trotzdem einer der Topfavoriten auf den Titel. Will Chelsea also an Messi und Co. vorbei, ist ein Sieg im Hinspiel verpflichtend. Da kommt es recht ungelegen, dass man gerade selbst angeschlagen und in einer Übergangsphase ist. 

Die Gruppenphase

Der FC Chelsea setzte sich in seiner Gruppe C zwar nur als Zweiter durch – das jedoch punktgleich (mit Tabellenführer AS Rom) und unter anderem gegen einen Drittplatzierten namens Atlético Madrid. Chelseas Gruppenphase darf trotzdem als turbulent bezeichnet werden. Von Kantersiegen gegen den überforderten Qarabağ Futbol Klubu bis hin zu 0:3 Klatschen und spektakulären 3:3 Untentschieden (jeweils gegen die Roma) hatte Antonio Contes Team beinahe alles im Gepäck, was neutrale Zuschauer glücklich macht. Ein Muster, das sich durch die gesamte Saison der Blues zu ziehen scheint. Barca dagegen setzte sich in einer ebenfalls starken Gruppe souverän mit 14 Punkten und 9:1 Toren durch, ohne dabei spielerisch zu überragen. Die von Barca gewohnte Dominanz zeigte Ernesto Valverdes Mannschaft nur im Hinspiel gegen ausgerechnet Juventus. Ein Ausrufezeichen, dem die Blaugrane vor allem Fußball der Kategorie „ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss“ nachfolgen ließen. Auch hier findet sich ein Muster, das sich bislang in weiten Teilen der Saison beobachten ließ.

Chelsea wackelt, Barca unumstritten – und doch wieder nicht

9 Punkte und 12 zu 9 Tore aus den letzten 6 Spielen – Chelseas Form im noch jungen Jahr 2018 ist mit „wechselhaft“ nur unzureichend beschrieben. Hohe Siege gegen Newcastle oder Hull, sowie hohe Niederlagen gegen Watford und Bournemouth erschweren eine Einschätzung dessen, was Chelsea in einem Spitzenspiel zu leisten imstande ist. Fakt ist, dass man im letzten Spiel gegen einen ernstzunehmenden Gegner (beim 1:2 gegen Arsenal) nicht sonderlich gut aussah. Für Barcelona stehen aus den vergangenen 6 Spielen 14 Punkte und vergleichsweise unspektakuläre 8:2 Tore zu Buche. Geglänzt hat Ernesto Valverdes Team bei seinen jüngeren Auftritten (auch national) jedoch nie. Zuletzt tat man sich sowohl bei Fußballzwerg Eibar (zeitweise in Überzahl) als auch beim 0:0 gegen Getafe sichtlich schwer.

(Photo by MARCO BERTORELLO/AFP/Getty Images)

Chelsea: Die Formation als Chance & Risiko

Chelseas sportliche Achterbahnfahrt wird von anhaltenden Störgeräuschen um Trainer Antonio Conte (bricht vll. seine Zelte ab) und Alvaro Morata (widersprach dem Trainer öffentlich im Hinblick auf die Schwere seiner Rückenverletzung) sowie einem Personalwechsel begleitet: Olivier Giroud ist der neue Mann hinter dem (mehr oder weniger?) genesenen Spanier. Zwar scheint der Franzose (bislang 4 Torbeteiligungen in 3 Spielen) kaum Anpassungszeit zu benötigen – jedoch steht seine Feuertaufe auf europäischem Niveau noch aus. Genau so wichtig wie eine funktionierende Sturmspitze wird gegen Barcelonas dominantes Mittelfeld jedoch Chelseas Doppel-Sechs werden. Dort ist Pressingmaschine Kanté die zentrale Figur – und noch ohne konstanten Nebenmann. Sowohl Fabregas, als auch Bakayoko spielen eine wechselhafte Saison. Damit muss jedoch nun Schluss sein, denn gegen Barca ist sowohl engagiertes Pressing (die Aufbau-Genies Iniesta & Busquets dürfen hier nicht zur Entfaltung kommen), als auch mutiges und präzise Aufbauspiel gefragt: Wenn die jüngste Vergangenheit eines gezeigt hat, dann, dass man Barca nicht mit einer zu passiven Grundausrichtung gegenübertreten sollte.

(Photo by GLYN KIRK/AFP/Getty Images)

Womit wir bei Chelseas Schlüsselspieler wären: Eden Hazard, Antonio Contes personifizierter Lebensversicherung. In einer dank Personalwechseln, Verletzungen und Formschwankungen mit einigen Fragezeichen behafteten Offensive, ist der Belgier (wie immer) Dreh- und Angelpunkt – ganz gleich, ob es um Tore oder deren Vorbereitung geht. Die richtige Formation zu finden, um ihn unter Kontrolle zu bringen (6 Tore in 6 Ligaspielen in 2018), das wird eine Hauptaufgabe der zuletzt sehr variabel formierten Elf von Ernesto Valverde sein. Chelsea dagegen dürfte (wie zuletzt häufig) mit einer Dreier, bzw. Fünferkette und defensivstarken, robusten Außen auftreten. Eine Formation, die Barca nun für längere Zeit nicht zu bespielen hatte. Vielleicht kann Contes Mannschaft also einen taktischen Überraschungsmoment generieren.

Barca – Variabilität als Zeichen von Stärke?

Allein: Den letzten Gegner mit einer chelsea-ähnlichen Formation (Betis beim 0:5 auf heimischem Rasen) nahm Barca nach allen Regeln der Kunst auseinander. Was auffiel: Barca trat im zuletzt häufig zu bestaunenden 4-4-1-1 auf, Suarez und Messi wurden dabei (je nach Situation) von einem der Außenspieler unterstützt, so dass die Blaugrana aus einer offensiven Dreier-Reihe mannorientiert pressen, bzw. Betis‘ Abwehr (bei eigenem Ballbesitz) in 1 gegen 1 Situationen zwingen konnten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses Rezept auch im Hinspiel zur Anwendung kommt. Kann Chelsea ein solches Vorgehen nicht nur abwehren, sondern auch Konter gegen Barcas weit aufgerückte und breit postierte Abwehr“kette“ (Alba und Semedo/Roberto agieren meist beinahe wie Außenstürmer) ausspielen, wird der CL-Abend ganz sicher spannend. Hinzu kommt, dass auch Barcas Saisonplan bisher alles andere als makellos funktioniert:

(Photo by Alex Caparros/Getty Images)

Wie so oft muss über die Katalanen im Vorfeld eines großen Spiels nämlich geschrieben werden: „Die Offensive erscheint derzeit zu abhängig von den Kombinationen zwischen Messi, Suarez und Iniesta, der jüngst schmerzlich vermisst wurde, wann immer er verletzt oder nicht voll auf der Höhe war.“ Zudem hat sich beim seit Jahresbeginn von zahlreichen Spielen geforderten Barca eine ungute Kaderdynamik entwickelt. Zahlreiche Rekonvaleszenten (der zuletzt mehrfach verletzte Iniesta sowie Pique oder Dembélé, der nach längeren Ausfällen noch immer nicht in Fahrt gekommen ist) verbinden sich mit formschwachen (z. B. Alcácer, Semedo, Gomes) und nicht spielberechtigten (Coutinho) Akteuren zu genau dem Konstrukt, das einem überspielten Barca schon in vergangenen Spielzeiten das wichtige Frühjahr verhagelte. Die häufigen Formationswechsel Valverdes – davon losgelöst, dass Variabilität grundsätzlich eine feine Sache ist – zeugen auch davon, dass sich Barcas neuer Trainer noch nicht 100%ig sicher zu sein scheint, welche Stärken (Abseits der großen Namen im Sturm) er bei seinem Team besonders herausstellen möchte. Gleichwohl haben die Blaugrana zuletzt bewiesen, dass ihnen das sichere Pendeln zwischen 4-4-1-1, 4-3-3 und anderen Systemen dabei hilft, die anhaltenden Kader- und Formprobleme erfolgreich zu kaschieren.

Prognose zum Hinspiel

Barca ist aufgrund der noch größeren individuellen Klasse der Favorit in einem Spiel zweier Mannschaften mit sichtbaren Kaderproblemen. Der Zeitpunkt, das leicht ausgezehrt wirkende Team Ernesto Valverdes auf dem falschen Fuß zu erwischen, ist jedoch so günstig, wie bislang selten im Verlauf dieser Saison. Zwar wirkt Barca auf dem Papier so defensiv-stark wie selten, doch Chelsea versteht sich auf schnelle Gegenstöße und bringt eine personelle Qualität auf den Platz, die Barca in diesem Kalenderjahr noch nicht zu bewältigen hatte. Gelingt Antonio Contes Dreier-Abwehr ein sauberer Spielaufbau, können Giroud oder Morata schnell in die Spitze gespielte Bälle ansprechend weiterleiten und funktioniert Hazard – dann hat Chelsea eine gute Chance. Natürlich haben die Blues dann noch immer nicht Messi und Suarez auf Eis gelegt. Doch gegen Barca hilft ohnehin nur eins: Selbst das Spiel machen!

(Photo by Gonzalo Arroyo Moreno/Getty Images)

Personelles und mögliche Aufstellungen

Ob Chelseas Antonio Conte seinen Stürmerstar Morata bereits für ausreichend fit erachtet, um (von Beginn an) gegen den denkbar schwersten Gegner zu bestehen, wird sich noch zeigen müssen. Mit Neuzugang Giroud steht jedoch eine sehr vielversprechende Alternative bereit. Des Weiteren bleibt die Frage spannend, ob Gary Cahill schon wieder fit genug ist, um den zuletzt nicht immer sicheren Christensen über 90 Minuten als Abwehrchef abzulösen. Bei Barca dürfte es derweil kaum Überraschungen geben: Lediglich die Rollenverteilung auf der rechten Angriffs- und Abwehrseite des zu erwartenden 4-4-1-1 (Semedo ist gesperrt, Roberto offensiv oder defensiv?) ist noch unklar. Viele personelle Alternativen hat Ernesto Valverde aber ohnehin nicht.

 

Chelsea: Courtois – Azpilicueta , Cahill , Rüdiger – Moses , Fabregas , Kanté , Alonso – Willian, Hazard – Morata

Barca: ter Stegen – Sergi Roberto, Piqué, Umtiti, Jordi Alba – Paulinho, Busquets, Rakitic, Iniesta – Messi, Suarez

David Theis

War schon ein Fußball-Nerd bevor es Laptops gab. Schläft mit einer Ausgabe von "Der Schlüssel zum Spiel" unterm Kopfkissen. Seit 2017 bei 90PLUS.


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