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EM 2024 | Interessante Gruppe C: Gerät England in Bedrängnis?

11. Juni 2024 | Spotlight | BY Yannick Lassmann

Die EM 2024 beginnt bereits in wenigen Tagen. In der Gruppe C duellieren sich England, Dänemark, Serbien und Slowenien. Wir werfen einen Blick auf die Mannschaften. Wer kann die Three Lions ärgern und können die Dänen ihren starken Auftritt vom letzten Kontinentalturnier wiederholen?

EM 2024: England zählt zu den Favoriten

Vor drei Jahren verlor England das EM-Finale unglücklich nach Elfmeterschießen gegen Italien. Diesmal soll der erste Europameistertitel her. Die Vorrundengruppe, bestehend aus Dänemark, Serbien und Slowenien, wird trotz der schwankenden Darbietungen als nicht allzu hohe Hürde angesehen. Doch alle Gegner bringen durchaus Qualität mit und wollen den Favoriten vor Probleme stellen. Ob dies gelingt, werden die kommenden Tage zeigen.



EM 2024: Der Spielplan der Gruppe C

Sonntag, 16. Juni, 18 Uhr: Slowenien vs. Dänemark (Stuttgart)

Sonntag, 16. Juni, 21 Uhr: Serbien vs. England (Gelsenkirchen)

Donnerstag, 20. Juni, 15 Uhr: Slowenien vs. Serbien (München)

Donnerstag, 20. Juni, 18 Uhr: Dänemark vs. England (Frankfurt)

Dienstag, 25. Juni, 21 Uhr: Dänemark vs. Serbien (München)

Dienstag, 25. Juni, 21 Uhr: England vs. Slowenien (Köln)

Die Kader der Gruppe C im Überblick

England: Die Sehnsucht nach einem Titel

Obwohl England schon zahlreiche herausragend besetzte Mannschaften zu großen Turnieren schickte, sprang erst ein großer Titel heraus. Die Weltmeisterschaft von 1966 liegt mittlerweile 58 Jahre zurück. Bei den Europameisterschaften gingen die Three Lions bislang leer aus, schnupperten vor drei Jahren in Wembley aber am Pokal. Auch diesmal werden sie als (Mit-)Favorit gehandelt – und zwar vollkommen zurecht. Der Kader ist auf fast allen Positionen hervorragend besetzt und kann sich etwa den Verzicht auf hochbegabte Akteure wie Jack Grealish oder James Maddison erlauben.

Insbesondere offensiv kann England auf zahlreiche Waffen zurückgreifen – sei es Jude Bellingham, Phil Foden, Bukayo Saka, dem aufstrebenden Cole Palmer oder Bundesliga-Torschützenkönig Harry Kane. Abgesichert werden sie durch Declan Rice, der das zentrale Mittelfeld wie kaum ein anderer Spieler dominieren kann. Jener Rice schützt auch die Defensive vor Mehrarbeit. Hier ist mit John Stones wohl nur ein Akteur der Kategorie Weltklasse zu finden. Wohl auch deshalb wählte Gareth Southgate – sehr zum Unmut der Fans – bei vergangenen Turnieren stets einen sehr verhalten Ansatz, wodurch seine Mannschaft ihre Qualitäten im Spiel nach vorne nur selten abrufen konnte.

(Photo by Richard Pelham/Getty Images)

Der Trainer, der schon nach dem Viertelfinale WM 2022 kurz vor dem Aus stand, steht auch aktuell unter Beschuss. Die Nations League endete mit dem Abstieg, das letzte Testspiel ging blamabel mit 0:1 gegen Island verloren. Dementsprechend muss England sich steigern, um bei der EM 2024 den Erwartungen gerecht zu werden. Wenn es gelingt, mit einem etwas aktiveren Vorgehen die vorhandenen Fähigkeiten aufs Feld zu bringen, könnte es diesmal zum ganz großen Wurf langen.

Dänemark: Geht es wieder ins Halbfinale?

Bei der abgelaufenen Europameisterschaft schrieb Dänemark eine begeisternde Geschichte, die mit dem Zusammenbruch von Christian Eriksen dramatisch begann, dann zu einem furiosen Lauf ins Halbfinale führte, das tragisch mit 1:2 gegen England verloren ging. Ein strittiger Elfmeter entschied das Spiel zu Ungunsten der Skandinavier, die ansonsten auf Augenhöhe mit einem europäischen Topteam agierten. Derzeit scheint das Team von Kasper Hjulmand doch ein ganzes Stück von diesem Niveau entfernt. Die Qualifikation verlief holprig, beinhaltete Niederlagen in Kasachstan (2:3) und Nordirland (0:2).

Dabei hat sich am von Führungsfigur Simon Kjaer zusammengehaltenen Kader nicht allzu viel verändert. Hjulmand stehen auf vielen Positionen Spieler zur Verfügung, die bei europäischen Spitzenklubs unter Vertrag stehen. Dazu gehören Abwehrchef Andreas Christensen (FC Barcelona), das aus Pierre-Emile Højbjerg (Tottenham Hotspur) und dem von seinem Herzstillstand wiedergenesenen Christian Eriksen (Manchester United) bestehende Mittelfeldzentrum sowie Angreifer Rasmus Höjlund, den Manchester United erst im letzten Sommer für 75 Millionen Euro Ablöse verpflichtete. Dennoch stand die EM-Teilnahme zwischenzeitlich auf der Kippe. Erst ein Lauf mit fünf Siegen am Stück sorgte für Klarheit.

Dänemark & die Fragezeichen: Neuer Hype oder weiter Tristesse?

Insbesondere gegen abwartend auftretende Gegner agierte Dänemark teils sehr ideenlos. Mit Serbien und Slowenien – bereits aus der Qualifikation bekannt (2:1/1:1) – warten zwei solche Kontrahenten, die Danish Dynamite mit ihrer Herangehensweise besondere Schwierigkeiten bereiten dürften. Etwas Anlass zur Hoffnung gaben die jüngsten Vorbereitungsspiele. Dänemark gewann nach teils ansprechenden Auftritten gegen die skandinavischen Nachbarn Schweden (2:1) sowie Norwegen (3:1) und scheint gerüstet für die EM 2024.

Serbien: Mit offensiver Stärke in die K.O.-Runde?

Die Serben haben sich erstmals als eigenständiger, unabhängiger Staat für eine EM-Endrunde qualifiziert. Es müsste also große Euphorie rund um die Mannschaft von Dragan Stojkovic, der einst als Spieler mit Olympique Marseille die Champions League gewann, herrschen. Doch sie hält sich in Grenzen, denn die Qualifikation verlief durchwachsen. Serbien mühte sich in einer eher leichten Gruppe zu Rang zwei, verlor beide Spiele gegen den Erstplatzierten Ungarn mit 1:2 und kam gegen Bulgarien gleich zweimal nicht über ein Unentschieden hinaus.

Doch auf die leichte Schulter sollten die auch schon bei der WM 2022 angetretenen Orlovi keineswegs genommen werden. Denn sie können auf reichlich Qualität zurückgreifen. So gehören gleich drei hochkarätige Angreifer dem Kader an: Dusan Vlahovic, Luka Jovic und der mittlerweile in Saudi-Arabien tätige Aleksandar Mitrovic, der mit 58 Toren zum Rekordtorschützen des Landes avancierte und landesweit verehrt wird. Dahinter ziehen mit Ajax-Legende Dusan Tadic und der jahrelang bei Lazio glänzende Sergej Milinkovic-Savic zwei Akteure die Fäden, die womöglich schon etwas über dem Zenit sind, aber dennoch weiterhin ein Spiel gestalten können. Nicht zu vergessen: Linksaußen Filip Kostic, dessen Qualitäten jedem Fußballbeobachter in Deutschland bekannt sein sollten.

(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Allerdings kann Serbien nicht auf seine gesamte Angriffspower setzen, da die anfällige, schon bei der WM 2022 das Weiterkommen kostende Verteidigung sonst doch arg vernachlässigt werden würde. Hier bringt mit Nikola Milenkovic (Fiorentina) wohl nur ein Akteur internationales Format zurück. Der zumeist auf eine Dreierkette Trainer Stojkovic ist daher gefordert, eine Balance zwischen Offensive und Defensive herzustellen. In den letzte Härtetests vor der EM 2024 gelang die Umsetzung durchaus. Serbien verlor nach ordentlicher Leistung mit 1:2 gegen Österreich und gewann anschließend mit 3:0 in Schweden. Der Trend ist also positiv und sollte mit ins schwierige Auftaktspiel gegen England transportiert werden.

Serbien und das Paradoxon des Überangebotes an guten Mittelstürmern

Slowenien tritt als großer Außenseiter an

Mit lediglich 2,1 Millionen Einwohnern ist Slowenien das kleinste der 24 Teilnehmerländer. Selbst Albanien (2,7 Millionen) und Georgien (3,7 Millionen) weisen deutlich mehr Bewohner auf. Dementsprechend gilt schon die Teilnahme an der EM 2024 als großer Erfolg. Erst zum vierten Mal nach der EM 2000, WM 2002 und WM 2010 wird Slowenien bei einem großen Turnier antreten. Dies hat sich die Mannschaft von Trainerroutinier Matjaz Kek, der schon die Teilnahme an der WM 2010 verantwortete, hart erarbeitet, indem sie in der Qualifikation unter anderem Finnland sowie Nordirland hinter sich ließ und im entscheidenden Spiel mit Finalcharakter gegen Kasachstan (2:1) die Nerven behielt.

Das wegweisende 1:0 erzielte Benjamin Sesko, der wohl bekannteste Feldspieler im Kader. Der Angreifer wusste nach seinem RB-internen Wechsel von Salzburg nach Leipzig auch in der Bundesliga auf Anhieb zu überzeugen und netzte gleich 14-mal ein. Der größte Star steht aber zwischen den Pfosten: Jan Oblak von Atlético ist seit Jahren einer der besten Torhüter der Welt. Auf ihm ruhen die Hoffnungen auch im Turnierverlauf, denn der Großteil der Mannschaft ist individuell im Vergleich zu den Gruppengegnern doch wesentlich schwächer aufgestellt.

(Photo by Jurij Kodrun/Getty Images)

Viele Spieler sind zwar im Ausland aktiv, aber doch eher in der europäischen Zweit- oder Drittklassigkeit unterwegs. Zu den Ausnahmen zählen Innenverteidiger Jaka Bijol, der bei Udinese Calcio eine tolle Entwicklung nahm oder der einst bei Atalanta groß aufspielende, sich aber dann nach Depressionen in die Heimat zurückziehende Josip Ilicic. Slowenien, das in der Qualifikation 13 seiner 22 Punkte zuhause holte, benötigt also sehr gute Tage, um seine Kontrahenten herausfordern zu können. Dies gelang auf dem Weg zur EM 2024 gegen Dänemark, wo ein achtbares und Hoffnung gebendes 1:1 heraussprang.

Prognose: England wird Favoritenrolle gerecht, Dänemark holt Rang zwei

Obwohl England zuletzt nur selten zu überzeugen wusste und teils sehr uninspiriert auftrat, wird es die Gruppe C für sich entscheiden. Die Leistungen werden zwar weiter wenig begeisternd ausfallen, doch dank der extremen offensiven Qualitäten werden die Three Lions die nötigen Tore erzielen, um die Partien für sich zu entscheiden.

Um Rang zwei streiten sich Dänemark und Serbien. Beiden Mannschaften fehlte es zuletzt an Konstanz in den Leistungen. Im Vorteil scheinen die Skandinavier zu stehen, da ihr Kader ausgeglichener besetzt ist, sodass im direkten Duell ein Sieg herausspringen sollte. Den Serben werden dagegen ihre defensiven Probleme im Vergleich mit den stärkeren Mannschaften zum Verhältnis. Es könnte dennoch zum Weiterkommen langen, da bei der EM 2024 bekanntlich auch vier der sechs Gruppendritten das Achtelfinale erreichen. Für Slowenien bleibt nämlich nur das Tabellenende. Zu unerfahren und qualitativ unterlegen schaut der Kader aus. Ein Zähler sollte aber bei couragierter Leistung gegen Dänemark oder Serbien herausspringen.

(Photo by Catherine Ivill/Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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