Spotlight

Frankreich: Wenn individuelle Klasse fast alles regelt 

28. Juni 2024 | Spotlight | BY Michael Bojkov

Fußball ist bekanntlich ein Mannschaftssport. Und doch kann das herausragende Können einzelner Spieler einen gewaltigen Unterschied machen. Frankreich ist dafür das prädestinierte Beispiel. 

Frankreich braucht Griezmann und Mbappé

Was wäre die Équipe Tricolore nur ohne Kylian Mbappé und Antoine Griezmann? Eigentlich eine ganze Menge. Der Kader der Franzosen ist durch die Bank mit purer Weltklasse besetzt. Ob Theo Hernandez, Eduardo Camavinga oder Ousmane Dembélé – um nur ein paar zu nennen –, sie alle sind Spieler von höchstem internationalen Format und machen Frankreich auf dem Papier zu einer nahezu unschlagbaren Mannschaft. Und doch zeigen Les Blues nur zuweilen, dass sie das wirklich sind. Weil Trainer Didier Deschamps es in seiner bislang zwölfjährigen Amtszeit höchstselten geschafft hat, die Klasse der einzelnen Spieler auf eine mannschaftliche Ebene zu projizieren. Frankreich ist als Kollektiv nicht das, was es in seinen Einzelteilen ist. 



Aktuelle News und Storys rund um die EM 2024

Vor allem offensiv schaffen es die Franzosen nur selten, die gegnerischen Verteidiger vor die Herausforderung zu stellen, die sie fürchten, wenn sie vor dem Spiel den Aufstellungsbogen sehen. Dass Fluch und Segen in der Offensive maßgeblich von Mbappé und Griezmann abhängen, zeigt einmal mehr die EM-Endrunde in Deutschland. Die bisherige Bilanz mit nur einem Sieg und zwei Remis aus drei Gruppenspielen rührt zwar auch daher, dass die Équipe Tricolore die Effizienz vermissen ließ, in allen drei Partien fehlte es aber auch an der nötigen Durchschlagskraft im letzten Drittel. Um den Gegner überhaupt mal über einen längeren Zeitraum hinten reinzudrücken, bedarf es Griezmanns kreativen Fähigkeiten und Mbappés Stärken im Eins-gegen-Eins.

Besonders deutlich wurde das beim jüngsten 1:1 gegen Polen, wo nahezu sämtliche gefährliche Angriffe über den PSG-Abwanderer gingen, der es allein in dieser Partie auf sechs von acht erfolgreiche Dribblings, fünf Torschüsse und einen Expected-Goals-Wert von 1,31 brachte (SofaScore). Griezmann hingegen stand nicht in der Startelf, was sich dadurch bemerkbar machte, dass Frankreich im letzten Drittel – mit Ausnahme von eben Mbappé – über weite Strecken zahn- und ideenlos agierte. Um Lücken zwischen den gegnerischen Ketten zu reißen und diese auch zu bespielen, sind Le Blues auf den Angreifer von Atlético angewiesen, der auch beim torlosen Remis gegen die Niederlande der Aktivposten in der Offensive war und zwei Großchancen auf dem Fuß hatte. Er und Mbappé bringen es zusammen auf knapp 3,98 expected Goals in diesem Turnier, was rund zwei Drittel der gesamten Ausbeute Frankreichs ausmacht (5,88 xG). 

Was uns die Gruppenphase also einmal mehr gelehrt hat: Spiele mit französischer Beteiligung sind zuweilen zwar frustrierend anzuschauen, weil die Équipe Tricolore die vorhandenen PS der einzelnen Spieler gerade in der Offensive nicht als Mannschaft auf den Rasen bekommt. Doch sind Mbappé und Griezmann in Form und dazu noch effizient vor dem Tor, ist und bleibt Frankreich der Topfavorit auf den EM-Titel.

Text von Michael Bojkov

(Photo by OZAN KOSE/AFP via Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


Ähnliche Artikel