Die Bundesliga trumpft in Europa auf: Neue Deutsche Welle

29. Februar 2020 | Nachspielzeit | BY Victor Catalina

Nachspielzeit – Die 90PLUS-Kolumne | 1:3, 0:4, 2:10. Das waren die Ergebnisse der Bundesligisten im Champions-League-Achtelfinale vor gerade mal einem Jahr. Jetzt ist die Bundesliga – auch in der Europa League – mit acht Siegen aus neun Spielen voll auf Kurs. Ausschlaggebend dafür ist etwas, was der Bundesliga jahrelang abging.

Offener Titelkampf als Antrieb für die Bundesliga

Seit dem 6. April 2013 – das sind inzwischen fast 2.500 Tage – heißt der Deutsche Meister FC Bayern. Auch jetzt sind die Münchener wieder auf Kurs, ihr Abonnement auf die Meisterschale um ein weiteres Jahr zu verlängern. Mit dem Unterschied, dass – anders als in den Vorjahren – ihr Vorsprung verschwindend gering ist. RB Leipzig sitzt ihnen (Stand: 28.02.) mit einem Punkt Rückstand im Nacken, weitere drei Punkte sind es bis zu Borussia Dortmund auf Platz 3. Die Borussia aus Mönchengladbach hat zwar momentan sechs Punkte Rückstand, aber auch noch ein Spiel in der Hinterhand. Wenn sie das Nachholspiel am 11. März gegen den 1. FC Köln gewinnen sollten, kämpfen vier Mannschaften um die Meisterschaft – und das nach zwei Dritteln der Saison.

Der FC Schalke 04 gehörte zwischenzeitlich auch zur Spitzengruppe dazu. Noch Mitte Januar frohlockte Trainer David Wagner im ZDF: „Im Moment schreit keiner Hurra, wenn er gegen uns spielt.“ Der FC Bayern und RB Leipzig taten es dann doch und besiegten seine Mannschaft jeweils 5:0. Das – zusammen mit drei weiteren sieglosen Bundesligaspielen – hatte zur Folge, dass die Spitzengruppe aus Schalker Sicht langsam hinter dem Horizont verschwindet – schon Leverkusen auf Platz 5 hat sieben Punkte Vorsprung auf die Königsblauen. Klar ist: Wer wackelt, verliert und wird durchgereicht. Diese Spannung nehmen die Klubs nach Europa mit. Mit Ausnahme von Borussia Mönchengladbach sind alle deutschen Vertreter noch im Wettbewerb – Konkurrenz belebt eben das Geschäft.

Bayern, Dortmund &. co: Die Großen sind wieder die Großen

Aber es kommt nicht nur darauf an, dass es Konkurrenz gibt, sondern auch, durch wen. Natürlich ist es immer eine schöne Geschichte, wenn sich Klubs wie Hoffenheim, Augsburg, Mainz, Freiburg oder Köln mit der Europa- bzw. Champions League für eine herausragende Saison belohnen. Nur haben sie nicht die Kaderstärke, um dauerhaft auf drei Hochzeiten zu tanzen. So wird der europäische Wettbewerb, dessen Erreichen am 34. Spieltag der Vorsaison noch frenetisch gefeiert wurde, nicht selten als das Entbehrlichste angesehen. Meistens folgt bei diesen Klubs auf den Kurzbesuch in Europa der Abstiegskampf. Darunter leiden nicht nur die Vereine, sondern auch die Fünfjahreswertung.

Dass diese Klubs in Europa spielen, ist aber auch ein Zeichen dafür, dass bei den Vereinen, die vom Etat, der Kaderstärke und dem Potential auf diesen Plätzen zu stehen, etwas gewaltig schief gelaufen ist. Leverkusen vegetierte in den letzten Jahren des Öfteren im Mittelfeld herum, genau wie Borussia Mönchengladbach. Schalke und auch Dortmund fanden sich seit 2014 mindestens einmal zwischenzeitlich auf einem Abstiegsplatz wieder.

Risiko und Strategie

Genau in diesen Momenten der Neuausrichtung sind die Klubs ins Risiko gegangen. Dieter Hecking, dessen Arbeitsnachweis sich mit Platz 5 und dem Erreichen der Europa League recht anständig liest, wurde durch Marco Rose ersetzt. Damit hat Max Eberl den Jackpot geknackt. In der Bundesliga gehört Borussia Mönchengladbach noch immer zur Spitzengruppe und auch spielerisch haben sie einen Schritt nach vorne gemacht. Ganz nebenbei haben sie mit Marcus Thuram, Denis Zakaria oder Florian Neuhaus einige Top-Talente verpflichtet.

Stichwort Toptalente: Borussia Dortmund ist derweil international mehr als der Ex-Klub von Jürgen Klopp. Sie sind zur Eliteuni des europäischen Fußballs geworden. Man weiß, dass es schwer bis unmöglich wird, Spieler wie Jadon Sancho oder Erling Håland dauerhaft zu halten, aber man genießt es, solange es geht. Außerdem steht mit Giovanni Reyna schon das nächste Top-Talent in den Startlöchern. Und wer glaubt, die Dortmunder Scoutingabteilung ist die einzig erfolgreiche, der sollte sich nochmal umschauen.

Auch andere Vereine setzten verstärkt auf Talente: In Leverkusen spielen Kai Havertz, Leon Bailey, Moussa Diaby oder der neu aus Guimarães verpflichtete Edmond Tapsoba, dazu greift das System Bosz immer besser. RB Leipzig hat das wohl größte Trainertalent Europas in seinen Reihen und diesem Spieler wie Christopher Nkunku, Patrik Schick oder Dani Olmo zur Verfügung gestellt. Und selbst die Bayern haben mit Alphonso Davies, Serge Gnabry oder Joshua Kimmich einige Juwelen in ihren Reihen. Die Bundesliga erhält also einen neuen Anstrich – und das belebt die Mannschaften.

Europäische Topklubs schwächeln

Derweil lassen einige der europäischen Edelrösser ziemlich zu wünschen übrig. Der FC Barcelona taumelt mehr oder weniger planlos durch La Liga, wer weiß wo sie ohne ihren argentinischen Magier stünden. Real Madrid versucht noch immer irgendwie die CR7-Lücke zu schließen und steht in der Champions League nach einer 1:2-Heimniederlage gegen Manchester City vor dem Aus. Juventus konnte unter Maurizio Sarri auch nicht restlos überzeugen, auch sie laufen in der Königsklasse einer Niederlage hinterher – 0:1 in Lyon. Atlético Madrid hat Liverpool zwar geschlagen, zeigte diese Saison in La Liga aber deutliche Offensivprobleme. Thomas Tuchel hat in Paris – wieder mal – mit seinen Stars zu kämpfen.

Diese Defizite weiß die Bundesliga für sich zu nutzen – mit einem unbekümmerten, schnellen Fußball stellen sie die europäische Elite vor große Probleme. Und so wird – binnen eines Jahres – aus 1:3, 0:4 und 2:10, ein 1:0, 2:1 und 3:0. Die Zukunft der Bundesliga – sie kann sich sehen lassen.

(Photo by SASCHA SCHUERMANN/AFP via Getty Images)

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Victor Catalina

Victor Catalina

Mit Hitzfelds Bayern aufgewachsen, in Dortmund studiert und Sheffield das eigene Handwerk perfektioniert. Für 90PLUS immer bestens über die Vergangenheit und Gegenwart des europäischen Fußballs sowie seine Statistiken informiert.


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