Finale mit U19-Spielern und maximale Demütigung: Die legendärsten Derbys zwischen Gala und Fener
19. Februar 2025 | Global News | BY Philipp Overhoff

Die Rivalität zwischen Galatasaray und Fenerbahçe ist eine der leidenschaftlichsten und heißesten des internationalen Fußballs. Die Spiele beider Mannschaften, die „interkontinentalen Derbys“, werden seit jeher von 100 Prozent Emotionen und dramatischen Momenten geprägt. Auf und neben dem Platz.
Denn die gegenseitige Abneigung ist tief in der DNA beider Vereine verwurzelt. Das ist historisch bedingt vor allem auf die unterschiedliche geographische Lage zurückzuführen. Galatasaray ist im europäischen Teil Istanbuls beheimatet, während Fenerbahce auf der asiatischen Seite des Bosporus gegründet wurde und eine enge Bindung zum anatolischen Teil der Türkei hegt. Beide Klubs standen und stehen dabei für gänzlich unterschiedliche Weltanschauungen, weswegen das interkontinentale Derby ein zu tief aufgeladenes gesellschaftspolitisches Phänomen darstellt. Alles Hintergründe dazu erfahrt ihr hier.
Doch mittlerweile ist es vor allem die in den vergangenen Jahrzehnten entstandene sportliche Rivalität, die jedes einzelne Aufeinandertreffen von Gala und Fener zu einem außergewöhnlichen Ereignis macht. Die beiden Istanbuler Teams sind die klaren Big Player des türkischen Fußballs und vereinen landes-, ja europaweit die meisten Anhänger hinter sich. Neben der lokalen Vorherrschaft geht es im Nachbarschaftsduell daher nur allzu häufig auch um Pokale oder potenziell vorentscheidende Punkte im Meisterschaftsrennen. Gepaart mit der gegenseitigen Abneigung führt dieser Umstand zu maximalen Emotionen sowohl auf dem Rasen als auch auf der Tribüne. Denn nur wenige Rivalitäten in der Geschichte des Fußballs haben dermaßen viele denkwürdige Begegnungen geliefert wie die Giganten vom Bosporus.
Von Feindlichkeit keine Spur
Zum ersten dokumentierten Aufeinandertreffen kam es am 17. Januar 1909, als Galatasaray durch einen Doppelpack von Emin Bülent Serdaroglu mit 2:0 gewinnen konnte. Überhaupt gehörten die ersten Tage des interkontinentalen Derbys vor allem den Löwen, die die ersten acht Begegnungen allesamt gewinnen konnten. Erst 1914 brach Fenerbahce den Bahn und siegte im Rahmen der „İstanbul Futbol Ligi“ mit 4:2. Es sollte der erste von zahlreichen Erfolgen sein. Denn während Gala mehr Meisterschaften und Pokalsiege feiern konnte, liegt Ferner im direkten Vergleich vorne: Die gelben Kanaren konnten 155 von 402 Partien gewinnen und liegen damit vor dem verhassten Rivalen, der 133 Mal triumphierte. Satte 114 Derbys endeten zudem Remis.
Doch von der heute bekannten Hitzigkeit war Anfang des 20. Jahrhunderts noch nichts zu spüren. Beide Vereine spielten über viele Jahre hinweg im Taskim-Stadion und traten darüber hinaus auch mit einer gemischten Auswahlmannschaft gegen ausländische Teams an. Extra für diesen Anlass wurde stets auch ein Trikot in den gemeinsamen Vereinsfarben entworfen.
Durchaus konkrete Pläne zur Fusionierung beider Klubs konnten ab dem 23. Februar 1934 jedoch endgültig verworfen werden. An jenem Tag traf Gala-Spieler Kadri Dağ seinen Gegenspieler Mehmet Reşat Nayır, worauf hin es zu einer heftigen Rudelbildung auf dem Spielfeld kommen sollte. Diese griff schnell auch auf die Zuschauertribünen über – es kam zu einer Massenschlägerei zwischen beiden Fanlagern. Das Duell wurde abgebrochen und der zuständige Fußballausschuss verurteile insgesamt 17 Akteure zu teils langen Sperren. Da weder Gala noch Fener die Saison in Bestbesetzung beenden konnten, avancierte Besiktas letztlich zum lachenden Dritten und sicherte sich einigermaßen überraschend den Gewinn der Meisterschaft.
Ein Schotte im Zentrum der Rivalität
Das interkontinentale Derby hatte an jenem 23. Februar 1934 eine gänzlich neue Dimension gewonnen und erlangte mit der rasant steigenden Popularität des Fußballs und der schnell etablierten Vormachtstellung von Gala und Fener immer größere Bedeutung. Anhänger beider Vereine beriefen sich lange auf dieses Ereignis und vertreten zudem die felsenfeste Überzeugung, dem größten Klub der Türkei anzugehören. Diese Abneigung greift nicht selten auch auf das Spielfeld über, weshalb das interkontinentale Derby seit jeher ikonische Momente am Fließband produziert.
„Aus Sicht von Galatasaray zählt dazu der 24. April 1996, als Trainer Graeme Souness im Fenerbahce-Stadion in Kadiköy die Gala-Flagge am Mittelkreis in den Boden versenkte“, sagt Anil Polat von GazeteFutbol. Zuvor hatten die Löwen in der Spielstätte ihres Rivalen den Gewinn des türkischen Pokals unter Dach und Fach gebracht. Der schottische Coach Souness ließ sich danach von seinen Emotionen packen und griff zur größtmöglichen Provokation. „Das hatte ich nicht geplant, es war eher ein Moment des Wahnsinns“, erklärte er später. Knapp 27 Jahre später rekreierte Souness diesen legendären Moment auf der Meisterfeier Galatasarays.
Ulubatlı Souness! 💛❤️ #ŞampiyonunGecesi pic.twitter.com/Z8R1qNryPf
— Galatasaray SK (@GalatasaraySK) June 4, 2023
Fenerbahce nimmt späte Revanche
Fener-Fans hingegen erinnern sich deutlich lieber an den 6. November 2002. Die gelben Kanaren feierten den vielleicht denkwürdigsten Sieg in der Geschichte der Istanbuler Rivalität und fertigten den Erzfeind mit sage und schreibe 6:0 ab. Noch heute hat dieses Spiel für das Selbstverständnis des asiatischen Klubs einen hohen Stellenwert. „Nahezu jeden Tag wird das 6:0 von einem Anhänger irgendwie in ein Gespräch eingebracht“, erläutert Polat.
Denn trotz einer Unterzahlsituation ab der 57. Minute baute Fenerbahce den Vorsprung von 2:0 auf 6:0 aus und demütigte Galatasaray so auf ganzer Linie. In der 84. Minute brannten Emre Asik zudem die Sicherungen durch und so musste auch der Gast aus dem europäischen Teil der 15-Millionen-Einwohner-Metropole die Partie mit nur zehn Mann zu Ende bringen.
Ein Derby, das auch neutralen Fußball-Liebhabern allerhöchsten Genuss bot, ereignete sich am 6. Februar 2000. Gala und Fener hatten sich in der Süper Lig mit 3:3 getrennt und dabei einen rasanten, 90 Minuten lang andauernden Schlagabtausch geboten. „Da war so viel Aktion, Spannung und Kampf drin, zudem gab es zahlreiche Wendungen im Spiel“, ordnet auch Polat ein und stellt klar: „Für mich war es das bislang beste Derby zwischen den beiden Vereinen.“
Gewalttätige Tumulte nach Aufholjagd
Deutlich unschöner ging es dagegen im November 2018 zu. Meisterschaftsfavorit Galatasaray verspielte gegen das im Abstiegskampf steckende Fenerbahce einen sicher geglaubten 2:0-Vorsprung und musste sich mit einem Unentschieden begnügen. Doch dabei sollte es nicht bleiben. Unmittelbar dem Abpfiff gingen die Profis beider Klubs am Mittelkreis aufeinander los und lieferten sich ein heftiges Handgemenge. Bankspieler, Teambetreuer und im Stadion tätige Ordner stießen nur wenige Augenblicke später hinzu, um ihre Farben zu unterstützen.
No i na to czekałem cały mecz… a oni dopiero po ostatnim gwizdku… niestety uciekli do szatni ;/ #IstanbulDerby pic.twitter.com/UxXlqJULZP
— Szczepan Janus (@TourDeSport) November 2, 2018
Die Tumulte auf dem Rasen griffen anschließend auch auf die Zuschauer über, die sich ebenfalls gegenseitig attackierten. Gala-Fans leisteten sich außerdem brutale Auseinandersetzungen mit der Istanbuler Polizei. Letztlich kam es zu zahlreichen Festnahmen und drei langfristigen Sperren – zwei Fener- und ein Gala-Spieler wurden nach Schlusspfiff vom Schiedsrichter mit einem Platzverweis belegt.
Supercup-Finale wird zur Protestbühne
Weniger gewalttätig, wenn auch deutlich skurriler war das Derby des 4. Aprils 2024. Eigentlich sollten sich die Istanbuler Teams an diesem Tag um den Gewinn des türkischen Supercups duellieren. Doch Fenerbahce riet seinen Anhängern schon am Nachmittag von einer Reise ins Stadion ab und betonte, das Finale würde „keine 90 Minuten“ dauern.
Gesagt, getan: Die gelben Kanarien schickten ihre U19-Auswahl ins Rennen und verließen nach nur wenigen Minuten den Rasen. Zu diesem Zeitpunkt lag Galatasaray durch einen frühen Treffer von Mauro Icardi bereits mit 1:0 in Führung. Fener wollte mit dieser Aktion ein Zeichen gegen die vermeintlich schlechte Behandlung durch den nationalen Fußballverband setzen, da der TFT der vorausgegangenen Forderung nach einem ausländischen Schiedsrichter nicht nachgekommen war. Im Hinblick auf das anstehende Conference-League-Match gegen Olympiakos Piräus hatte der Verein zudem vergeblich eine Verlegung des Supercup-Finals beantragt.
Alle News rund um den internationalen Fußball
„Wir betonen, dass wir nicht auf das Spielfeld gegangen sind, um zu gewinnen, sondern um die Wahrheit zu verteidigen, und an diesem historischen Tag für den türkischen Fußball möchten wir unsere Haltung hervorheben“, erklärte der Klub in einem späteren Statement. Man wolle auch weiterhin „gegen Gesetzlosigkeit und Ungerechtigkeit“ vorgehen.
Eine derartige Szenerie ist beim bevorstehenden Derby am 24. Februar nicht zu erwarten. Doch auch das erste Lokalduell des Jahres 2025 besitzt Vorzeichen, die den Zuschauern eine spannende und überaus emotionale Partie versprechen. Daher liefert 90PLUS in nur zwei Tagen eine detaillierte sportliche Vorschau auf das aktuelle Aufeinandertreffen zwischen Galatasaray und Fenerbahce.
(Photo by Ahmad Mora/Getty Images)