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Zur sportlichen Historie des Old Firm: Die Upper Class des schottischen Fußballs

3. April 2024 | Spotlight | BY Philipp Overhoff

Wir sprechen von der wahrscheinlich größten Rivalität in Europa. Seit 1891 liefern sich der Celtic FC und der Rangers FC eine Fußballschlacht nach der anderen. Ein rein sportlicher Blick auf die Historie des Old Firm.

Das Old Firm sucht in Europa seinesgleichen

Es ist eine Geschichte, die am 6. September 1890 ihren Anfang nahm. In der ersten Runde des schottischen FA-Cups duellierten sich der Celtic FC und die Rangers im alt ehrwürdigen Celtic Park. Vor 16.000 Zuschauern, für damalige Verhältnisse einigermaßen unglaublich, gewannen die keltisch-stämmigen Gastgeber mit 1:0. Der Beginn einer Rivalität, die in Europa, wenn nicht sogar auf der ganzen Welt, ihresgleichen sucht.



Die gesellschaftspolitische und religiöse Bedeutung dieses Duells ist dabei seit Tag eins enorm und für Fußball-Fans außerhalb Schottlands sicherlich auch nicht immer greifbar.  Sowohl auf als auch neben dem Platz begegnen sich die beiden Glasgower Klubs seit mittlerweile 123 Jahren mit einer maximalen Abneigung. Wenn Celtic und die Rangers aufeinander treffen, dann teilt sich ganz Glasgow, nein, ganz Schottland, in ein grünes und ein blaues Lager. In diesem Text wollen wir uns jedoch auf die rein sportliche Geschichte der beiden Mannschaften konzentrieren.

Alles zu den religiösen und politischen Wurzeln der beiden Klubs findet ihr hier.

438. In Worten vierhundertachtunddreißig Mal trafen Celtic und der Rangers FC bereits aufeinander. Keine andere Partie auf dem europäischen Kontinent wurde so häufig ausgetragen. In aller Regelmäßigkeit duellieren sich die Klubs in der Liga, im schottischen FA-Cup und um den Gewinn des Ligapokals. Von den bisherigen 438 Begegnungen gewann Celtic 167, die Rangers fuhren 169 Siege ein und 102 Begegnungen endeten unentschieden. Das Torverhältnis von 609:603 spricht dabei leicht zugunsten von Celtic.

In diesen Partien geht es nicht nur um die Vormachtstellung in Glasgow und die Auswirkungen politischer Natur, sondern fast immer auch um die Krone des schottischen Fußballs. Quasi seit dem Ende des 19. Jahrhunderts spielen beide Klubs in ihrer eigenen Liga und degradieren alle anderen Vereine des Landes zu einer reinen Statistenrolle. „The Bhoys“ gewannen insgesamt 53 Meisterschaften,  „The Gers“ holten sogar 55 Titel. Danach kommt dann ganz lange gar nichts mehr. Mit nur vier Liga-Trophäen dürfen sich der FC Aberdeen, Heart of Midlothian und Hibernian Edinburgh dann als die dritterfolgreichsten Teams Schottlands bezeichnen. Die letzte Meisterschaft, die nicht nach Glasgow ging, wurde 1985 vom FC Aberdeen gewonnen. Seit fast 40 Jahren wandern also alle Titel in die 635.000-Einwohner-Metropole. Auch der FA-Cup findet alle Jahre wieder seinen Weg nach Glasgow. Den 41 Titelgewinnen von Celtic stehen 34 der Rangers gegenüber. Ein Ende dieser erdrückenden Dominanz ist dabei nicht in Sicht.

Falls ihr euch fragen solltet, warum dieses Spiel als „Old Firm“ bezeichnet wird, dann habt ihr da eure Antwort. „Das alte Beständige“ leitet sich weniger von der enormen Rivalität ab, sondern entstammt viel eher der Tatsache, dass diese beiden Vereine den Lieblingssport der Schotten sowohl sportlich als auch finanziell in jeglicher Hinsicht dominieren. Mit Teammarktwerten von weit über 100 Millionen Euro liegen Celtic und die Rangers auch im Jahr 2024 weit vor dem Rest ihrer Ligakonkurrenz. Der drittteuerste Kader der Scottish Premiership gehört dem FC Heart of Midlothian und ist gerade einmal 20 Millionen Euro wert.

Glasgow-Derby oder Old Firm?

Apropos Old Firm: Fragt man die Fans vom Celtic FC, so ist die Geschichte dessen seit 2012 auserzählt. Da die Rangers in diesem Jahr aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten in die vierte Liga absteigen mussten und infolgedessen von einer neuen Betreibergesellschaft übernommen wurden, weigern sich viele grün-weiße Anhänger seitdem, vom Old Firm zu sprechen und nutzen eher die Bezeichnung „Glasgow-Derby“.

(Photo by Mark Runnacles/Getty Images)

Beurteilt man also nur die kurze Geschichte des „Glasgow-Derbys“, behält der katholisch geprägte Verein aus Bridgeton/Parkhead klar die Oberhand. Seit dem Wiederaufstieg der Rangers im Jahr 2016 gewannen The Bhoys 15 der 28 Ligaspiele, während The Gers nur achtmal triumphierten. Fünf Partien endeten unentschieden. „Ich habe seit elf Jahren eine Dauerkarte für den Celtic Park und seitdem schlagen wir die Rangers fast immer. Es wäre schön, wenn das so bleibt“, sagt der schottische Sportjournalist und Celtic-Fan Josh McCafferty, mit dem wir im Zuge unserer Themenwoche gesprochen haben, mit einem Augenzwinkern.

Die größte Demütigung mussten die Rangers dabei 2018 hinnehmen, als sie mit 0:5 im Celtic Park untergingen und ihrem Erzrivalen darüber hinaus bei der Meisterschaftsfeier zusehen mussten. „Eine meiner schönsten Erinnerungen an dieses Spiel“, so McCafferty. Eben jene Krone der Scottish Premiership wanderte in der vergangenen Dekade fast immer in den 60.000 Zuschauer fassenden Celtic Park. Satte elf der letzten zwölf Titel gingen an Celtic, die Rangers wurden lediglich 2021 Meister.

Das Comeback der Rangers

Angesichts der Tatsache, dass sich der protestantisch geprägte Klub noch vor zehn Jahren in den Niederungen des schottischen Fußballs befand, sind diese Zahlen nicht besonders überraschend. In den letzten Jahren schlossen die Rangers die entstandene Lücke wieder und näherten sich dem ungeliebten Rivalen nach und nach an. Auf den Gewinn der Meisterschaft 2021 folgte ein mehr als beeindruckender Europa-League-Run 2022, der erst im Elfmeterschießen des Finals gegen Eintracht Frankfurt sein Ende fand. Auch in der aktuellen Saison zeigen sich die Rangers in beeindruckender Verfassung und waren bis zur Spielabsage gegen Dundee am 30. Spieltag sogar Tabellenführer. Daher liegt Celtic mittlerweile mit einem Punkt Vorsprung an der Spitze, hat dabei aber eine Partie mehr absolviert.

(Photo by Ian MacNicol/Getty Images)

Nach Jahren der Celtic-Dominanz stehen beide Klubs also wieder auf einem sportlichen Level. Ein Level, das die anderen zehn Vereine der Premiership nicht annähernd mitgehen können. Daher versuchten die Rivalen in der Vergangenheit mehrfach, die schottische Liga zu verlassen und in die englische Premier League zu wechseln. Einem solchem Wechsel müssten jedoch beide nationalen Verbände und die UEFA zustimmen. Damit ist in naher Zukunft jedoch nicht zu rechnen, da die schottische FA kein Interesse daran besitzt, ihre beiden mit Abstand größten Zugpferde zu verlieren. Celtic und Rangers haben zusammen mehr Fans alle anderen Vereine in Schottland und sind für den dortigen Fußball von schier unermesslicher Bedeutung.

Celtic und Rangers – Die Könige Schottlands

Auch Fans der kleinen schottischen Vereine entscheiden sich zumeist für eines der beiden Teams. „Jeder schottische Fußball-Fan supportet eher Celtic oder die Rangers“, erklärt McCafferty. Auf internationaler Ebene erfreuen sich vor allem The Bhoys einer großen Beliebtheit und generieren somit Aufmerksamkeit für die Premiership. Vor allem in Irland und Australien gibt es große Anhängerschaften der Grün-Weißen. „In Glasgow und Schottland sind beide Vereine ungefähr gleich beliebt. International ist aber Celtic beliebter, was auch damit zusammenhängt, dass wir schon den größten internationalen Titel gewonnen haben“, führt der Celtic-Fan aus.

Mit dieser Aussage spielt McCafferty auf den Europapokal der Landesmeister an, den der Football Club 1967 gewinnen konnte. Dieser Erfolg fällt in die vielleicht erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte, in der Celtic zwischen 1966 und 1974 neun Meisterschaften in Serie gewann. Elf schottische Spieler rund um die Legenden Bobby Lennox und Steve Chalmers rangen Inter Mailand mit 2:1 nieder und machten sich in Glasgow unsterblich. Noch heute genießen die Helden von 67 absoluten Kultstatus.

(Photo by Don Morley/Allsport/Getty Images)

Nur fünf Jahre später gewannen die Rangers den Europapokal der Pokalsieger, quasi den kleinen Bruder des Europapokals der Landemeister, ihre wahrscheinlich erfolgreichste Zeit hatten die Briten dagegen in den 1980er und 1990er Jahren. Zwischen 1989 und 1997 gewann der protestantische Klub ebenso neun Meisterschaften in Folge. Auch in den 1920er- und 1930er-Jahren dominierten zumeist The Gers und gewannen zwischen 1920 und 1939 stolze fünfzehn Titel. Dank Zeiten wie diesen dürfen sich die Rangers nach wie vor als schottischer Rekordmeister bezeichnen.

Bleibt also abzuwarten, ob es dem Celtic FC in den kommenden Jahren gelingt, dem verhassten Stadtrivalen diesen Status streitig zu machen. Eines steht jedoch so oder so fest: Die Zweiklassengesellschaft im schottischen Fußball wird auf absehbare Zeit nicht überwunden werden. Und das Old Firm (sorry, liebe Celtic-Fans) wird so schnell nichts von seiner Bedeutung verlieren.

(Photo by Ian MacNicol/Getty Images)


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