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La Liga | Real Madrid und FC Barcelona im Check: Schließen die Königlichen die Lücke?

10. August 2023 | Spotlight | BY Michael Bojkov

Am Freitagabend startet La Liga in die Saison 2023/24. Die großen Titelfavoriten sind naturgemäß die Erzrivalen aus Madrid und Barcelona, bei denen es in diesem Sommer einige spannende Änderungen gab. Was darf von Real und Barca erwartet werden? Wir haben die Branchenriesen genauer unter die Lupe genommen.

Lange sah es in der abgelaufenen Saison nach einem intensiven Zweikampf um den Titel in La Liga aus. Bis zum Jahreswechsel bewegten sich Real Madrid und der FC Barcelona im Gleichschritt an der Tabellenspitze. Während Barça seine Erfolgssträhne 2023 weiter fortsetzte und in La Liga zwischenzeitlich zwölf Siege in 13 Spielen einfuhr, begannen die Königlichen plötzlich zu schwächeln und auch gegen kleinere Mannschaften Federn zu lassen.

Häufig war die fehlende Durchschlagskraft in der Offensive das Problem, manchmal ließ man die Effizienz vermissen. So hängte Barca Real in der Tabelle ab und sicherte sich frühzeitig die Meisterschaft. Am Ende waren es ganze zehn Punkte, die die Erzrivalen voneinander trennten. Ein Fingerzeig Richtung 2023/24? Nein. Dazu haben sich bei beiden Teams auch zu viele Dinge geändert. Die Karten werden neu gemischt.

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FC Barcelona: Zwei weitere Legenden sagen adios

Der FC Barcelona geht ohne zwei langjährige Leistungsträger in die neue Saison. Mit Jordi Alba (34) und Sergio Busquets (35) verlieren die Katalanen zwei Aushängeschilder, die über Jahre hinweg die Gesichter des Erfolges waren. Besonders als Identifikations- und Führungsfiguren wird Barca die beiden Vereinslegenden schmerzlich vermissen.

Eine junge Mannschaft befindet sich nun auf der Suche nach neuen Anführern im Team. Marc-Andre ter Stegen (31) steigt in der Hierarchie eine Stufe auf und ist neuer Mannschaftskapitän, auch auf Robert Lewandowski (34) kommt mehr Verantwortung zu. Beide sind aber nicht als Lautsprecher bekannt, auch Spieler wie Sergi Roberto (31), Ronald Araujo (24) und Frenkie de Jong (26) müssen in die Rolle eines Führungsspielers erst hineinwachsen.

Schmerzhaft ist insbesondere der Busquets-Abgang auch aus sportlicher Sicht. Trainer Xavi (43) betonte bis zuletzt immer wieder den Wert des 35-Jährigen für das Spiel seiner Mannschaft, scheute auch nicht davor, den dreifachen Champions-League-Sieger als besten Sechser der Welt zu bezeichnen. Dass sein Abgang auch auf dem Platz nicht spurlos an der Mannschaft vorbeigehen wird, erklärt sich von selbst. Schließlich gehen die Katalanen erstmals seit 16 Jahren ohne ihr Eigengewächs als Stammspieler in eine Saison.

Wie wichtig wird Gündogan?

Barcas Spiel wird sich ohne den Strategen folglich verändern. De Jong könnte sich fortan noch häufiger fallen lassen und den Spielaufbau unterstützen. Topneuzugang Ilkay Gündogan (32) wird mit seinem vielseitigen offensiven Skillset dafür sorgen, dass die Mannschaft aus dem Zentrum heraus noch mehr Torgefahr erzeugen kann. Damit entlastet er gleichzeitig Pedri (20), der oftmals als einziger Mittelfeldspieler Gefahr ausstrahlte. Und wo wir schon bei Führungsspielern waren, wird auch Gündogan sogleich als Mentor auf und neben dem Platz gefragt sein. Immerhin führte er ManCity als Kapitän und Anführer auf dem Platz zum Triple.

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Neuzugang Ilkay Gündogan soll auf wie neben dem Platz in eine Führungsrolle schlüpfen. (Photo by PAU BARRENA/AFP via Getty Images)

Mit dem Ex-Stuttgarter Oriol Romeu (31) hat sich Barca einen klassischen Abräumer gesichert, der in der vergangenen Saison einen entscheidenden Anteil an Gironas überaus erfolgreicher La-Liga-Rückkehr hatte. Dieser Transfer unterstreicht auch, wie viel Wert Xavi auf eine stabile Defensive legt. Ausgerechnet die Hintermannschaft der Katalanen – in der Vergangenheit immer wieder eine Problemzone – wurde in der vergangenen Spielzeit zum Titelgaranten in La Liga. So kassierten die Blaugrana lediglich 20 Gegentore – fast die Hälfte davon im Schlussspurt, als die Meisterschaft bereits feststand.

Die Defensive als Trumpf in La Liga

Das lag zum einen an einem herausragenden ter Stegen, war gleichwohl aber auch ein Verdienst der Viererkette um Jules Kounde (24) und Araujo. Lange Zeit war die Barca-Hintermannschaft von Verletzungen und personellen Fluktuationen geplagt, regelmäßig einhergehend mit schweren individuellen Patzern. Diese konnten zumindest größtenteils abgestellt werden, zudem haben sich die Abläufe deutlich verbessert. Mit Inigo Martinez (32) steht Xavi fortan ein weiterer gestandener Innenverteidiger zur Verfügung, der über Jahre hinweg Leistungsträger in Bilbao war. Die Defensive ist mittlerweile Xavis kleinste Baustelle.

Sorge bereitet dem Trainer der sich anbahnende Abgang von Ousmane Dembele (26), der aller Voraussicht nach zu PSG wechseln wird. Mit seinem Tempo und herausragenden Fähigkeiten im Eins-gegen-Eins war der Franzose auf dem linken Flügel ein Schlüsselspieler und dazu ein wichtiger Zulieferer für Lewandowski. Fortan wird dafür umso mehr Ansu Fati (20) in diese Rolle schlüpfen, falls er denn verletzungsfrei bleibt. Das war in der Vergangenheit nämlich – genau wie bei Dembele – auch bei ihm ein Problem. Bleibt er fit, kann er dem Spiel der Mannschaft mit seinen technischen Skills unheimlich viel geben. Dazu sei angemerkt, dass Fati gerade einmal 20 Jahr alt ist und daher definitiv noch den ein oder anderen Entwicklungssprung machen kann.

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Wird Barca aller Voraussicht nach verlassen: Ousmane Dembele. (Photo by David Ramos/Getty Images)

Der Dembele-Verlust schmerzt, dennoch gibt der Kader insgesamt einen guten Mix aus Talent und individueller Klasse her. Barca hat den Umbruch gemeistert, viele junge Spieler sind den nächsten Entwicklungsschritt gegangen oder stehen vor einem solchen. Dazu ist die Mannschaft eingespielt und setzt Xavis Ideen immer besser um. Aus Sicht der Blaugrana gibt folglich wenige Gründe, pessimistisch zu sein. Auch wenn die Mannschaft ihre Heimspiele im ungeliebten Olympiastadion Montjuic austragen muss, da das Camp Nou umgebaut und modernisiert wird. Dass die Fans da nicht scharf drauf sind, zeigt auch der deutliche Rückgang des Dauerkartenverkaufs. Ob das auch die Leistungen der Mannschaft negativ beeinflusst, bleibt abzuwarten. Eine Randnotiz ist es in jedem Fall wert.

Real Madrid: Wie viel Benzema steckt in Joselu?

Spielzeit eins ohne Karim Benzema (35). Die spannende Frage bei den Königlichen lautet, ob und wie gut die Mannschaft den Abgang des Weltfußballers auffangen kann. Positiv für Real Madrid: Sie sind nicht mehr so abhängig von Benzema wie noch vor eins, zwei Jahren. Das liegt auch daran, dass Vinicius Junior (23) sein hohes Leistungslevel halten konnte und mittlerweile einer der besten Flügelspieler des Planeten ist. Auch, dass sein Pendant und Landsmann Rodrygo (22) nochmal einen Entwicklungssprung gemacht und gleichzeitig noch nicht sein volles Leistungspotenzial erreicht hat, gibt Zuversicht.

Benzemas temporärer Nachfolger Joselu (33, kommt per Leihe von Espanyol) hat die letzten vier Saisons in La Liga jeweils zweistellig getroffen – und warum sollte er ausgerechnet bei den Blancos das Toreschießen verlernen? Zumindest gegen die kleineren Mannschaften sollte Real Benzema soweit ersetzen können, dass es nicht auffällig.

In wichtigen Spielen gegen stärkere Teams wird Benzema jedoch zweifelsohne als Unterschiedsspieler fehlen. Dieses wichtige Attribut hat der Franzose auch in der vergangenen Saison noch zu oft erfüllt, als dass sein Abgang von heute auf morgen keinen Nachklang mehr hätte. Ein Kylian Mbappe (24) würde die hinterlassene Lücke zweifelsohne schließen können, allerdings sieht es aktuell nicht danach aus, als würde der PSG-Superstar schon in diesem Sommer nach Madrid wechseln.

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Hier jubelt er noch gegen Real Madrid, künftig soll Joselu für die Königlichen jubeln. (Photo by JAVIER SORIANO / AFP) (Photo by JAVIER SORIANO/AFP via Getty Images)

Bellingham verschafft Real neue Möglichkeiten

Man kann also davon ausgehen, dass die Königlichen die kommende Spielzeit mit Joselu überbrücken werden. Umso wichtiger könnte dahingehend der Transfer von Jude Bellingham (20) werden. Beim BVB hatte der Engländer einen unfassbar großen offensiven Aktionsradius und stieß immer wieder auch selbst in die Box, um für Gefahr zu sorgen. Spannend wird zu beobachten sein, ob er auch unter Carlo Ancelotti (64) diese Freiheiten bekommt. Bellingham bringt ein Profil mit, das es in den letzten Jahren bei Real Madrid in der Form nicht gab, aber gerade jetzt nach dem Benzema-Abgang umso essenzieller werden könnte.

So oder so ist das Mittelfeldzentrum Reals größte Waffe. Mit Aurelien Tchouameni (23) und Eduardo Camavinga (20) verfügt Ancelotti über zwei junge Spieler, die an guten Tagen weltklasse sind und das Potenzial mitbringen, es eines Tages konstant zu sein. Es gleicht purem Luxus, dass zudem Luka Modric (37) und Toni Kroos (33) mindestens für eine weitere Saison im Bernabeu Fußball spielen. Die beiden Veteranen sind auch in ihrem Karrierewinter noch immer Unterschiedsspieler und können abseits des Platzes die jungen Profis an die Hand nehmen. Es gab schon Trainer, die weniger entspannte Generationswechsel moderieren mussten.

Schwachstelle rechts hinten?

Auch um die Hintermannschaft muss sich Ancelotti nicht sorgen. In Thibaut Courtois (31) hütet einer der besten Torhüter der Welt das Gehäuse von Real Madrid, davor stehen mit David Alaba (31), Antonio Rüdiger (30) und Eder Militao (25) drei starke und international erfahrene Innenverteidiger zur Verfügung. Auf links könnte Rückkehrer Fran Garcia (20), der zwei starke Saisons für Rayo Vallecano spielte, Ferland Mendy (23) Konkurrenz machen.

Hinweis: Diese Vorschau wurde geschrieben bevor die Meldung eintraf, dass sich Thibaut Courtois das Kreuzband gerissen hat. 

Eine kleine Schwachstelle hat Real auf der Rechtsverteidiger-Position: Daniel Carvajal (31) hat mit den Königlichen fünf Champions-League-Siege als Stammspieler gefeiert, in den letzten Jahren aber abgebaut und kommt nur noch selten an sein früheres Leistungsniveau heran. Lucas Vazquez (32) ist zwar ein verlässlicher Vertreter, gehört aber auch nicht in die oberste Kategorie Fußballer. Hin und wieder durfte sich auch Rüdiger als Rechtsverteidiger probieren, wobei sich das mehr als Experiment denn als ernsthafte Lösung für die Zukunft entpuppte. Eine Problemzone ist Reals Abwehr deswegen aber keinesfalls. Die Hintermannschaft ist als Verbund bestens eingespielt, die Abläufe einstudiert. Die Königlichen werden auch 2023/24 für jeden Gegner schwer zu knacken sein.

Barca oder Real: Wer hat in La Liga die Nase vorn?

Man kann durchaus argumentieren, dass sowohl für Real Madrid als auch den FC Barcelona eine herausfordernde Saison bevorsteht. Beide Mannschaften müssen den Verlust wichtiger Spieler verkraften, der nicht gänzlich folgenlos bleiben wird. Während Real in Benzema den Unterschiedsspieler schlechthin verloren hat, muss Barca in Alba und Busquets auf zwei Urgesteine verzichten, die die letzte Dekade im Klub entscheidend mitgeprägt haben und damit auf und neben dem Platz eine Lücke hinterlassen. Auch die Qualitäten eines Dembele wird man nicht auf Anhieb adäquat ersetzen können.

Auf der anderen Seite begrüßen beide Teams jeweils einen absoluten Top-Neuzugang, der dazu in der Lage ist, dem Spiel der Mannschaft ein entscheidendes Upgrade zu verleihen. Dazu verfügen sowohl Ancelotti als auch Xavi über eine eingespielte Mannschaft, die jede Menge individuelle Klasse hat und auch auf europäischem Parkett wieder in die engere Auswahl der Großen rücken dürfte. In La Liga deutet erneut vieles auf einen spannenden Meisterschaftskampf hin – diesmal über den Winter hinaus.

Es könnten Nuancen darüber entscheiden, wer am Ende vor dem Erzrivalen steht. Und dann wäre da noch Atletico, die beste Mannschaft der vergangenen Rückrunde, die mit Sicherheit auch ein Wörtchen um den Titel in La Liga mitreden möchte und auch das nötige Werkzeug mitbringt, um den Zweikampf einen Dreikampf werden zu lassen. La Liga 2023/24 wird vor allem eines bieten: Spannung.

Was hat sich bei Atletico getan? Wir haben uns die Colchoneros genauer angeschaut

Michael Bojkov

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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