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El Clasico: Wie stark hallt Barcas CL-Aus im Bernabeu nach?

16. Oktober 2022 | Vorschau | BY Michael Bojkov

Real Madrid empfängt den FC Barcelona zum 249. Clasico der Historie. Der Zweite spielt gegen den Tabellenführer in La Liga. Wir liefern die Vorschau zum Spiel des Jahres.

Anpfiff der Partie ist am Sonntagnachmittag um 16:15 Uhr, live auf DAZN.

Auch wenn das Tabellenbild anderes anmuten lässt, hatten zuletzt beide Mannschaften durchaus ihre Probleme. In Barcelona sahen die vergangene Tage nach dem ziemlich sicheren Champions-League-Aus sogar recht düster aus. Der Clasico wird damit zwar nicht gleich zum Krisengipfel, doch steht für beide Parteien etwas auf dem Spiel, das über das reine Prestige hinausgeht. In jedem Fall dürfen sich die Fans auf einiges gefasst machen. So fielen in den vergangenen vier Clasicos auch nie weniger als drei Treffer. Trotz der eher minimalistischen Herangehensweise, die die Kontrahenten zuletzt beide pflegten, gibt es also auch reichlich Hoffnung auf Tore.

Wenn die Pflicht ruft, kommt Real Madrid

Fiel der Ausdruck „minimalistisch“? Der dürfte den Madridistas dieser Tage bekannt vorkommen. Real Madrid springt selten höher als ein gutes Pferd springen muss. Oft haben sie viel Kontrolle über Ball und Gegner, machen offensiv aber nicht mehr als nötig. Besonders in den letzten Spielen spiegelte sich das in sparsamen Endresultaten wieder, von denen zwei in der Endabrechnung zu sparsam waren. Gab es gegen Getafe (1:0) und im Champions-League-Hinspiel gegen Shakhtar (2:1) immerhin knappe Siege, so kam man im Rückspiel und beim Ligaauftritt gegen Osasuna nicht über ein 1:1 hinaus.

Dennoch ist Real in den allermeisten Fällen da, wenn sie da sein müssen. Sie beherrschen es wie kaum eine andere Mannschaft, in den entscheidenden Momenten anzuziehen. So gelang zuletzt auch der späte Ausgleich gegen Shakhtar, der zum sicheren Überwintern in der Königsklasse reichte. Das wird der Mannschaft vor dem Clasico noch einmal ordentlich Rückenwind geben.

El Clasico

(Photo by Denis Doyle/Getty Images)

Klar ist dennoch, dass man sich offensiv steigern muss. Karim Benzema (34) hat nach mehrwöchiger Verletzung drei Spiele hinter sich, in denen er ohne Torbeteiligung blieb und auch allgemein etwas enttäuschte. Unter den Dächern des Bernabeu hofft man natürlich, dass der Franzose schnellstmöglich wieder in Form kommt. Vinicius Junior (22) hat in acht Ligaspielen zwar auch schon fünfmal getroffen, ließ zuletzt aber die Zielgenauigkeit vor dem gegnerischen Kasten vermissen.

Ansonsten wird Real im Clasico vor allem auf sein starkes Mittelfeldzentrum setzen, wo sich Luka Modric (37), Toni Kroos (32) und Neuzugang Aurelien Tchouameni (22) als Trio bewähren. Eine gute Nachricht für die Blancos ist außerdem, dass Antonio Rüdiger (29) nach seinem schmerzhaften Ausgleichstreffer gegen Shakhtar wieder rechtzeitig fit und einsatzbereit ist. Gegen Robert Lewandowski (34) wird seine Lufthoheit gefragt sein. Bitter hingegen ist, dass Thibaut Courtois (30) passen muss. Der Belgier wurde in großen Spielen nicht selten schon zum Matchwinner. Gegen die Weltklasse-Offensivreihe von Barça könnte sein Fehlen zum Nachteil werden.

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Kontrollverlust in Barcelona

Beim FC Barcelona stellt sich die große Frage, welchen Einfluss das fast sichere Champions-League-Aus auf den Clasico hat. Gegen Inter war nicht alles schlecht, lange Zeit war man sogar die klar überlegene Mannschaft. Letztendlich brachte man den Gegner aber durch einfachste Gegentore zurück in die Spur. Am Ende klingt natürlich der Frust nach, zumal man sich von einer teils ordentlichen Performance in dem Fall überhaupt nichts kaufen kann. Nimmt man nun also die positiven Dinge aus dem Inter-Spiel mit und entwickelt eine „Jetzt erst recht“-Mentalität gegen den Erzrivalen oder sehen wir eine psychisch angeschlagene Mannschaft, die sich im Bernabeu den Schneid abkaufen lässt?

Selbst die Spieler hatten dahingehend unterschiedliche Ansichten, wie aus den Post-Match-Interviews hervorging. Trainer Xavi (42) jedenfalls wird versucht haben, seine Jungs schnellstmöglich wieder aufzubauen. Kraft kann man in jedem Fall aus den Ligaresultaten schöpfen, immerhin gab es zuletzt ganze sechs Zu-Null-Siege am Stück. Allerdings wies das Spiel der Katalanen jüngst die ein oder andere Schleifspur auf. Beim 1:0-Sieg auf Mallorca tat man nicht mehr als das dringend Nötigste und auch gegen Celta Vigo (ebenfalls 1:0) musste man trotz furiosem Start bis zur Schlusssekunde zittern. Kurzum: Souverän war zuletzt wenig in „Blaugrana“.

El Clasico

(Photo by Eric Alonso/Getty Images)

Und: Trotz der Tatsache, dass man in der Liga bislang erst ein Gegentor kassiert hat, bereitet die Abwehr Sorgen. So machten sich gegen Inter die Ausfälle von Andreas Christensen (26) und Ronald Araujo (23) erstmals auch in größerem Stile bemerkbar. Im Clasico kann Xavi glücklicherweise wieder auf Jules Kounde (23) setzen, der als Rechtsverteidiger eingeplant ist, bis Araujo wieder fit ist. Das Innenverteidiger-Pärchen Gerard Pique (35) und Eric Garcia (21) zeigte sich zuletzt derweil sehr fehleranfällig und Real wird natürlich alles daran setzen, ihnen das Leben erneut so schwer wie möglich zu machen.

Gut für Barça: Sie können die gegnerischen Verteidiger vor mindestens genauso große Probleme stellen. Ousmane Dembele (25) und Raphinha (25) spielen eine gute Saison und können mit starken Einzelaktionen jederzeit Gefahr ausstrahlen. Komplettiert wird die offensive Dreierreihe durch Lewandowski, der in zwölf Saisonspielen schon 14-mal ins Schwarze getroffen hat. Dass sich die Königlichen ganz besonders vor ihm in Acht nehmen müssen, erklärt sich von selbst. 

Wie werden es die Mannschaften taktisch angehen?

Real wird als Heimmannschaft versuchen, das Spiel zu kontrollieren. Unter Trainer Carlo Ancelotti (63) gehen sie selten zu hoch ins Risiko, wenn es der Spielverlauf nicht gerade verlangt. Man kann daher davon ausgehen, dass die oberste Devise der Königlichen auch für den Clasico ein kontrolliertes Spiel und eine sichere Defensive ist. Interessant zu beobachten wird sein, wie genau sich das gegen Barça darbietet, denn die Katalanen pflegen einen noch dominanteren Stil.

„Wir wollen im Block angreifen, um den Gegner in seiner eigenen Hälfte zu unterwerfen“, kündigte Xavi auf der Pressekonferenz an. In der Regel presst Barça nach Ballverlust früh und mannorientert, versucht, die Kugel umgehend zurückzuerobern. Abzuwarten bleibt, zu wieviel Risiko sie gegen die Madrilenen bereit sein werden. Klar ist nämlich, dass Real insbesondere in großen Spielen eine ziemlich abgezockte Mannschaft sein kann und nicht selten kleinste Fehler des Gegners bestraft.

Offensiv könnte sich Barça den Courtois-Ausfall zunutze machen und es vermehrt auch mit Distanzschüssen probieren. Real-Ersatzkeeper Andriy Lunin (23) macht seine Sache zwar grundsätzlich nicht schlecht, hat aber natürlich noch lange nicht das Niveau eines Weltklasse-Torhüters. In seinem ersten Clasico ist zudem nicht auszuschließen, dass der 23-Jährige eine höhere Grundnervosität an den Tag legt und dementsprechend unsicherer ist. Auf Distanzschüsse als Mittel angesprochen, sagte Xavi: „Das ist eine Tugend, die wir uns zunutze machen müssen […] Wir können und müssen schießen.“

Prognose

Es wird ein enges Spiel, so viel vorweg. Beide Mannschaften verfügen über enorme Qualitäten und müssen gleichermaßen auf wichtige Spieler in der Defensive verzichten. Es könnte, wie nicht selten in Clasicos der Fall, auf Nuancen ankommen. Fraglich ist, inwieweit das Champions-League-Aus bei Barça nachhallt und wie frei die Köpfe der Spieler sind. Auch, dass Real einen Tag mehr Spielpause hatte und zudem vor heimischer Kulisse antritt, spricht für die Königlichen. 

90PLUS-Tipp: Real Madrid gewinnt den Clasico gegen den FC Barcelona knapp mit 2:1 und übernimmt die Tabellenführung in La Liga.

Mögliche Aufstellungen

Real Madrid: Lunin – Carvajal, Rüdiger, Alaba, Mendy – Modric, Tchouameni, Kroos – Valverde, Benzema, Vinicius Jr.

FC Barcelona: ter Stegen – Kounde, Pique, Garcia, Alba – Gavi, Busquets, Pedri – Dembele, Lewandowski, Raphinha

(Photo by David Ramos/Getty Images)

Michael Bojkov

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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