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Montpellier-Stürmer Elye Wahi im Porträt: Auf den Spuren Kolo Muanis

27. Februar 2023 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Die Ligue 1 verfügt traditionell über einen großen Talentepool. Immer wieder schaffen es Spieler, sich in dieser Liga früh zu behaupten, auch weil sie in das viel zitierte „kalte Wasser“ geworfen werden. Die Klubs vertrauen den talentierten Spielern, davon profitiert auch Elye Wahi vom HSC Montpellier. Er ist einer der Akteure, die in den letzten Monaten den größten Sprung gemacht haben. 

Elye Wahi: Der nächste Hoffnungsträger in Frankreich

Zwei junge Stürmer haben in der Saison 2022/23 in der Ligue 1 bisher besonders auf sich aufmerksam machen können. Folarin Balogun (21) von Stade Reims, ausgeliehen vom FC Arsenal, steht schon bei 15 Toren und zwei Vorlagen, spielt eine beeindruckende Saison. Aber auch Elye Wahi (20) vom HSC Montpellier zeigt sein Talent regelmäßig auf dem Platz. Der junge Franzose mit ivorischen Wurzeln spielt seit 2018 für Montpellier, entwickelte sich über die U19 und die zweite Mannschaft zu einer Option für die Profis. 



Sein Debüt feierte er am 16. Dezember 2020 im Spiel gegen den FC Metz, als er vier Minuten Einsatzzeit in der Ligue 1 sammelte. Es waren für die Partie unbedeutende Minuten, für den Angreifer, der im weiteren Verlauf seiner Debütsaison noch drei Treffer erzielte, aber die wohl wichtigsten in seiner Karriere. 2021/22, in seiner ersten kompletten Saison für Montpellier, erzielte Wahi prompt zehn Tore und bereitete zwei Treffer vor. Diese Quote wird der 20-Jährige in dieser Saison aller Voraussicht nach übertreffen, schon jetzt sind es acht Tore und zwei Vorlagen, die er auf dem Konto hat. 

Junge Spieler als eine Art Hoffnungsträger zu bezeichnen, mag oft zu früh kommen. Insbesondere, wenn sie einer Fußballnation wie Frankreich angehören, die zwei Nationalmannschaften mit hoher Qualität aufstellen könnte. Im Fall des Montpellier-Angreifers sind aber einige Ansätze zu erkennen, die Lust machen. Lust auf mehr und Lust darauf, den Spieler bei einem besseren Team zu sehen. Montpellier befindet sich aktuell nämlich im unteren Mittelfeld der Tabelle, spielt keinen Champagnerfußball. Dass Wahi trotzdem der beste Scorer und in vielen Spielen der auffälligste Offensivspieler ist, spricht für ihn. In der U21 Frankreichs hinterließ er schon einen bleibenden Eindruck, spielte dreimal und traf auch schon. Das soll allerdings nur der Anfang sein. 

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Auf den Spuren Kolo Muanis?

Jeder Spieler sollte individuell betrachtet werden, Vergleiche zwischen zwei Akteuren sind schon alleine aufgrund der unterschiedlichen Umstände, unter denen sie zum Einsatz kommen, nur bedingt sinnvoll. Dennoch lassen sich Parallelen zwischen Elye Wahi und Randal Kolo Muani (24, Eintracht Frankfurt) erkennen. Nicht einmal primär fußballerisch, denn der Frankfurt-Profi ist in seinem gesamten Spiel viel weiter und kompletter als es der Montpellier-Youngster derzeit ist, sondern eher, was den Karriereweg angeht.

Kolo Muani arbeitet sich ebenfalls über die U19 und die B-Mannschaft eines französischen Durchschnittsklubs, dem FC Nantes, in die erste Mannschaft. Auch er steigerte sich sukzessive, hatte nicht sofort einen Durchbruch mit einer Phase, in der alles funktionierte. Er entwickelte sich und sein Spiel weiter, reifte charakterlich und trug irgendwann die Offensive seiner Mannschaft fast im Alleingang, half, Spiele gegen Teams wie PSG und schließlich auch den französischen Pokal zu gewinnen. Soweit ist Wahi noch nicht. Aber er kann dort hinkommen. 

Elye Wahi

(Photo by LOIC VENANCE/AFP via Getty Images)

Offen bleibt die Frage, wann es den 20-Jährigen zu einem größeren Verein zieht, wann der nächste Schritt fällig ist. Folgt er dem Beispiel von Kolo Muani, der über einen längeren Zeitraum eine tragende Säule war? Zuletzt hat der Spieler seinen Berater gewechselt, was bei einem Vertrag bis zum Sommer 2025 durchaus ein Indiz dafür sein kann, dass der Markt im Sommer genauer unter die Lupe genommen werden kann. Hierbei ist aber zu beachten, dass ein Klub gefunden werden muss, der zu den Stärken des Spielers passt und bei dem die Konkurrenz nicht derart groß ist, dass eine frustrierende Zeit auf der Bank droht.

Wahi: Viel Talent, noch viel zu lernen

Doch welche Qualitäten bringt der 1,84m große Angreifer überhaupt mit? Die Statistiken geben bereits einen kleinen Einblick, was den Spielstil angeht. 0,5 Torbeteiligungen pro 90 Minuten hat der 20-Jährige vorzuweisen, dabei übertrifft er seine xG (expected Goals) laut fbref um 0,1 in eben jenen 90 Minuten, was für einen ordentlichen Abschluss spricht. In den 90 Minuten schließt der Franzose im Schnitt 2,25x ab, was ein unterdurchschnittlicher Wert ist und verdeutlicht, wie Montpellier Fußball spielt, nämlich eher kompakt und auf Umschaltsituationen ausgerichtet und wenig dominant. Dazu passen die sehr guten Werte bei den Offensivläufen mit dem Ball. 

Statistiken sind in guter Indikator, müssen aber in Relation gesetzt werden. Kolo Muani, um bei dem Vergleich zu bleiben, legt bei Eintracht Frankfurt auch deswegen deutlich bessere Zahlen hin, weil er anders eingebunden ist, mehr Unterstützung erhält und fußballerisch bessere Spieler an seiner Seite hat. Im Fall von Wahi ist es häufig so, dass er nicht im Offensivdrittel, sondern deutlich eher an der Mittellinie an den Ball kommt. Diese hohe Distanz zum Tor in Verbindung mit einer eher defensiv ausgerichteten Mannschaft sorgt dafür, dass er nicht exorbitant viele Abschlüsse pro Partie sammelt.

Hervorzuheben sind Attribute wie der bereits angesprochene Abschluss, seine Dynamik und Athletik sowie die gute Geschwindigkeit im Antritt in Verbindung mit einer hohen Endgeschwindigkeit. Wenn Wahi einmal Platz ist, dann ist er nur schwer zu greifen und selbst wenn er keine Torchancen initiiert, dann holt er Standardsituationen heraus. Auf engem Raum ist sein Dribbling mitunter sehr gut, er kann mit links sowie mit rechts abschließen. Dem 20-Jährigen ist es egal, welche Räume er bespielt, er fühlt sich auch von Außen kommend wohl und gewinnt dort seine 1-gegen-1-Duelle mit schnellen Haken und überraschenden Bewegungen. 

Die Erfolgsquote bei seinen Dribblings ist noch ausbaufähig, nicht selten wird er aber in Duelle mit mehreren Gegenspielern geschickt. Eine offensivere Mannschaft würde ihm sicher helfen, seine Qualitäten noch besser in Szene zu setzen. Nachholbedarf hat er mit 20 Jahren aber natürlich auch noch. Weil Elye Wahi sehr viel in der Offensive arbeiten muss, lässt er die Arbeit gegen den Ball hin und wieder etwas schleifen. Die Präzision bei Flanken lässt überdies zu wünschen übrig, die Entscheidungsfindung ist mal besser, mal weniger gut. Darunter leidet auch das Passspiel.

Zweifelsohne bringt Elye Wahi viele Qualitäten mit. Seine Dynamik, sein Zug zum Tor und sein Verständnis für die Räume und gute Abschlusspositionen sprechen für sich. An den Defiziten muss aber gearbeitet werden, damit aus ihm ein Spieler wird, der auch bei größeren Klubs funktionieren kann. Mit 20 Jahren ist der Angreifer noch erwartbar unreif, kommt aber gleichzeitig auch erst in die Phase seiner Karriere, die für die weitere Ausrichtung entscheidend sein wird. Wenn er gut arbeitet und sich in den nächsten zwei, vielleicht drei Jahren im richtigen Umfeld weiterentwickeln darf, dann könnte eine Leistungsexplosion anhand der Anlagen des Spielers durchaus erfolgen.

(Photo by PASCAL GUYOT/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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