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PSG-Auslaufen vor wegweisendem Sommer: Alles auf dem Prüfstand

30. März 2022 | Trending | BY Manuel Behlert

Am Ende der Saison 2021/22 wird PSG den Titel in der Ligue 1 in die Höhe stemmen können. Der Trost ist ein schwacher, denn viele Ziele wurden verfehlt. Der Branchenprimus aus Frankreich befindet sich in der Restsaison nur noch im Auslaufmodus. Und das ist die größte Strafe. 

PSG: Saison 2021/22 mit vielen Bedenken

Schaut man dieser Tage einzig und allein auf die Tabelle der Ligue 1 und sieht PSG mit einem souveränen Vorsprung von zwölf Punkten auf dem ersten Platz stehen, könnte der Eindruck entstehen, alles wäre in bester Ordnung. Doch schon beim Blick auf die Art und Weise, wie PSG auch in der Liga Fußball spielt, kommen Zweifel auf. Zweifel, die diese Mannschaft nach einem Transfersommer mit Ergänzungen wie Lionel Messi, Sergio Ramos oder Georginio Wijnaldum eigentlich gar nicht erst zulassen dürfte. Und doch sind sie da und das in einer Regelmäßigkeit, die auf die Stimmung drückt. 

Von Monaco wurde PSG beim 0:3 kurz vor der Länderspielphase deutlich dominiert, in Nantes beim 1:3 waren die schnellen Gegenangriffe zu viel des Guten für die Defensive des Tabellenführers, Nizza hielt in drei Pflichtspielen gegen das bestbesetzte Team aus Frankreich die „0“ in der eigenen Defensive, Remis gegen Teams wie Lyon, Lorient oder Lens verschärften die Lage. PSG ist nicht unbesiegbar, ist der Liga fußballerisch nicht enteilt. Diese Mannschaft ist individuell einfach um ein Vielfaches besser als der Rest. Und fast nur daraus resultiert der Vorsprung. 

Nun könnte der eine mittelmäßige Saison in der Liga hinweg gesehen werden, wenn, ja wenn das große Ziel, der Gewinn der Champions League, endlich realisiert werden könnte. Doch dieser Zug ist schon abgefahren. Real Madrid war in der entscheidenden Phase einfach zu clever, erzielte die nötigen Tore zum richtigen Zeitpunkt. Im nationalen Pokal war es Nizza, das im Elfmeterschießen den kühlen Kopf behielt und vorher mit einer sehr disziplinierten Abwehrarbeit den großen Namen Kopfzerbrechen bereitete. 



Die „heißen Monate“ verkommen zum Auslaufen 

Die Folgen für PSG liegen auf der Hand. Während Klubs wie der FC Bayern, Real Madrid, Manchester City oder der FC Liverpool aktuell in die heißen Wochen der Saison gehen und ihre Highlights aneinander reihen, ist für den französischen Topklub quasi egal, was in einer Woche, in zwei Wochen oder danach kommt. Pokalspiele gibt es nicht mehr, den Vorsprung in der Liga bringt auch, übertrieben gesagt, die A-Jugend über die Ziellinie. 

PSG

(Photo by Angel Martinez/Getty Images)

Es wird also ein Auslaufen. Ein Auslaufen einer Mannschaft, der man seit dem Ausscheiden in der Champions League anmerkt, dass sie keine große Lust mehr verspürt, in dieser Saison noch an die Grenzen zu gehen. Das schlimmste Szenario, das PSG ereilen konnte, tritt nun ein. Kylian Mbappe (23) wird noch einige Tore schießen, die Medien werden sich an den Patzern und schwachen Spielen aufhängen, aber der Rest ist eigentlich völlig egal. 

Während einem Teil der Mannschaft schon fast Belanglosigkeit vorgeworfen werden kann, rumort es drumherum. Die Ultras kommen nicht mehr zu den Spielen, protestieren, die restlichen Fans pfeifen im Prinzip die ganze Mannschaft bis auf wenige Spieler wie Achraf Hakimi oder Mbappe, denen anzumerken ist, dass ihnen die Situation eben nicht egal ist, gnadenlos aus. Viel Wirkung zeigte aber auch das nicht. 

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Mbappe verlässt den Klub, Fragezeichen im Kader

Umso dramatischer ist, dass ausgerechnet Mbappe, also der Spieler, der sich reinhängt, den Klub verlassen wird. Ihn zieht es im Sommer 2022 ablösefrei zu Real Madrid, auch wenn der Deal noch nicht in trockenen Tüchern ist, zumindest nicht offiziell. Was bleibt, wenn diese Offensive ihr Aushängeschild verliert? Angel di Maria (34) verlässt den Klub voraussichtlich auch, die Verpflichtung von Lionel Messi (34) war bisher noch kein großer Erfolg und Neymar (30) plagt sich Jahr für Jahr mit größeren Verletzungen herum, kommt häufig nicht in seinen optimalen Rhythmus. 

Die zweite Reihe ist ebenfalls nicht ideal besetzt. Es gibt keinen Spieler, der aktuell auf seinen Durchbruch wartet und in der neuen Saison von Beginn an den nächsten Schritt machen könnte. Außerdem gibt es keine signifikanten Einnahmen für Spieler wie Mbappe, wodurch die Suche nach einem Nachfolger automatisch schwieriger wird. Niemand in Europa zittert mehr, wenn ein Mauro Icardi (28) auf das Feld geschickt wird. Er kann nicht der Ersatz im Offensivbereich sein, Erling Haaland (21) hat andere Pläne. 

Der Kader ist, auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht, nicht mehr und nicht weniger als eine Großbaustelle. Die offensiven Positionen müssen schleunigst mit jungem, frischem Blut verbessert werden, die Backup-Spieler sind zu einem großen Teil frustriert, die Jugendspieler wechseln früh mangels Perspektive und zu allem Überfluss bricht diese Mannschaft in großen Spielen in aller Regelmäßigkeit in sich zusammen, weil ihr die Führung fehlt. Eine Generalüberholung ist notwendig, die Frage ist nur, wer sie durchführt.

Pochettino, Leonardo, Ausrichtung: Alles bei PSG auf dem Prüfstand

Denn nach den erneuten Rückschlägen in dieser Saison steht beim französischen Topklub alles auf dem Prüfstand. Der Kader sowieso, es benötigt neue Ansätze und ein klares Konzept. Wie gut kann die Ausrichtung, viele Topstars zu holen, die einen schnellen Erfolg herbeiführen sollen, weiterhin funktionieren? Vor allem dann, wenn die Homogenität im Kader offensichtlich vernachlässigt wird. Fraglich ist aber auch, wer die Veränderungen am Kader vornehmen soll. Denn Leonardo (52), Sportdirektor beim Klub, ist natürlich Adressat der Kritik, wenn von einem wenig ausbalancierten Kader die Rede ist.

Diese Kritik ist auch nicht neu. Leonardo steht schon seit geraumer Zeit im Fokus. Nicht ausgeschlossen, dass seine Zeit im Sommer endet und er nicht mehr maßgeblich in die Planungen involviert ist. Doch hier beginnt sofort das nächste Problem: Die Entscheidung, ob der Sportdirektor im Amt bleibt, muss schnell getroffen werden, denn lange warten kann PSG nicht, bevor die essenziellen Gespräche stattfinden müssen. Und: Nicht nur Leonardo könnte den Verein verlassen, auch Trainer Mauricio Pochettino (50). Dieser äußerte sich noch nicht deutlich, hat aber die Premier League im Hinterkopf und dort gibt es mit Manchester United einen Klub, der Bedarf hat.

Etwas weitergedacht ergibt sich ein Teufelskreis. Wenn sowohl Trainer als auch Sportdirektor für die kommende Saison unklar sind, stockt die Planung. Ein möglicher neuer Trainer würde von einem neuen Sportdirektor bestimmt, der auch erst einmal gefunden werden muss. Jetzt geht es für PSG also darum, möglichst schnell Klarheit zu schaffen. Und zwar auf allen relevanten Positionen. Denn sonst muss nicht etwa der Titel in der Königsklasse anvisiert, sondern der Blick eher auf die Verfolger in Frankreich gerichtet werden…

(Photo by VALERY HACHE/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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