DFB: „No Reformen for Old Men!?“

8. September 2023 | News | BY Steven Busch

Mit seiner Kritik an der Neustrukturierung im Jugendfußball hat Hans-Joachim Watzke, seines Zeichens Vizepräsident des größten nationalen Sport-Fachverbands der Welt, für ein weiteres Erdbeben im ohnehin krisengebeutelten DFB gesorgt. Die aktuelle Führungsstruktur des Verbands als Spiegelbild der Reformunwilligkeit?

DFB-Vizepräsident Hans-Joachim Watzke zu den Reformplänen: „Grundsätzlich falscher Ansatz“

Vor wenigen Wochen hat der Deutsche Fußball-Bund (kurz DFB) öffentlichkeitswirksam verkündet, den Junioren-Bereich grundlegend zu reformieren. Als Ursache dieser Entscheidung, wenngleich nicht derart offen kommuniziert, dienen die zunehmend enttäuschenden, geschlechterübergreifenden Ergebnisse der unterschiedlichen Auswahlteams auf Jugend- wie Seniorenebene respektive die individuelle SpielerInnenausbildung. In der Konsequenz werden unter anderem die A- sowie B-Junioren-Bundesligen ab 2024 durch entsprechende Nachwuchsligen abgelöst.



Noch revolutionärer wird der Bereich U6 bis U11 umstrukturiert. Im Detail sollen kleinere Mannschaftsgrößen und Spielfelder respektive eine differenzierte Wettbewerbsstruktur zur Förderung der sportlichen Entwicklung sowie Minderung des Leistungsdrucks dienen. Damit möchte der DFB einer negativen Tendenz entgegenwirken. Seit der umfassenden Reform um die Jahrtausendwende – aus der unter anderem die Nachwuchsleistungszentren entstanden sind – gibt es wenig Bewegung auf Junioren-Ebene und diverse andere Länder – stellvertretend Spanien, Frankreich und England – haben im Vergleich zum Deutschen Fußball-Bund aufgeholt oder diesen gar überholt. Wie sagte schon Rudolf von Bennigsen-Foerder: „Stillstand ist Rückschritt!“

(Photo by Christof Koepsel/Getty Images for DFB)

Also alles neu beim DFB? Weit gefehlt! Zumindest sorgte ein viel beachtetes Statement des amtierenden Vize-Präsidenten des Verbands, namentlich Hans-Joachim Watzke, bei der DUP-Unternehmertag in Essen für ein mittelschweres Erdbeben. Die Neustrukturierung des Kinderfußballs in Deutschland kommentierte der sauerländische Unternehmer mit den Worten: „Unfassbar und für mich nicht nachvollziehbar!“

Doch was stößt dem 64-Jährigen, seines Zeichens in Personalunion auch Geschäftsführer des Bundesliga-Klubs Borussia Dortmund, an den DFB-Plänen, die er als „grundsätzlich falscher Ansatz“ denunziert, derart sauer auf?

Wenn du als Sechs-, Acht- oder Neunjähriger nie das Gefühl hast, was es ist, zu verlieren, dann wirst du auch nie die große Kraft finden, um auch mal zu gewinnen. Wenn wir Angst haben, dass ein Achtjähriger komplett aus dem Lebensgleichgewicht geworfen wird, weil er mal 5:0 mit seiner Mannschaft verliert, dann sagt das auch sehr viel über die deutsche Gesellschaft aus. (…) Im DFB und in der Gesamtgesellschaft viele Leute, die sagen: Wir müssen weniger Leistungsdruck und Stress am Arbeitsplatz und lieber ein bisschen mehr Homeoffice haben. Wir müssen alle fröhlich und friedlich sein und uns alle gut vertragen und am Ende gucken, dass wir noch einen finden, der das Ganze bezahlt.

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Statt eines gemeinsamen Weges also weiterhin Konfusion und Konfrontationskurs beim DFB? Zumindest hat Watzke bereits eine Reform der Reform angekündigt. Brisant: Der neu installierte Sportdirektor Hannes Wolf, der sich explizit für den Nachwuchs verantwortlich fühlt, will von einer Abkehr der geplanten Neustrukturierung bislang nichts wissen. Der Deutsche Fußball-Bund verkommt einmal mehr zu einer maroden Institution, bei der Begriffe wie „Modernisierung“ und „Nachhaltigkeit“ zu Worthülsen degradiert werden.

(Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images for DFB)

Nach der inakzeptablen Fußball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar, bei der das DFB-Team zum zweiten Mal in Folge bereits nach der Gruppenphase die Segel streichen musste, sollte eine Aufbruchstimmung respektive Akzeptanz erzeugt werden. Statt neuer Gesichter wurden jedoch alte Koryphäen wie angesprochener Watzke, Karl-Heinz Rummenigge oder Rudi Völler präsentiert. Als Inhalte der „Verhandlungen“ über die Neuaufteilung der Felder im Verband publik worden, hatte dies mehr Skatrunden-Charakter beziehungsweise erinnerte an Vetternwirtschaft.

Doch was wird nun aus den Reformen im DFB? Auf die Watzke-Aussagen reagierte der Verband „aus gegebenem Anlass“ mit folgender Pressemitteilung:

In den neuen Spielformen im Kinder- und Jugendfußball wird Leistung gefordert und durch die unmittelbare Rückmeldung des Gewinnens und Verlierens gefördert. Die neuen Spielformate sind nicht starr, sondern wir haben in der Zukunft immer die Möglichkeit sie weiterzuentwickeln und an die Realitäten auf Deutschlands Plätzen und auf die besten Lernbedingungen anzupassen.

 



Schlussendlich bleibt trotz dieser Erläuterungen des DFB dennoch die Erkenntnis wie Frage: „No Reformen for Old Men!?“

(Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Steven Busch

Die Außenristpässe eines Tomás Rosicky entfachten seinen Enthusiasmus für den Fußball und die Affinität zu den schwarzgelben Borussen aus dem Ruhrgebiet. WM-Held Mario Götze brach ihm mit dem Wechsel in den Süden der Republik einst sein Fanherz und der Glaube an die Fußballromantik schwand.


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