Falsche Erwartungen, Zählbare Erfolge & Mr. Wembley – Das englische Fußballwochenende

24. April 2018 | Premier League Awards | BY Chris McCarthy

Zugegeben, der 35. Spieltag hatte bis auf einige Duelle im Tabellenkeller nicht gerade die bedeutendsten Partien parat. Glücklicherweise standen noch die Entscheidungen im Halbfinale des FA Cups an. Unsere Awards des vergangenen Wochenendes…

 

„Falsche Erwartungen?“ – Award: Tottenham Hotspur

Wieder spielten die Spurs eine mehr als ansehnliche Saison unter Mauricio Pochettino, doch wieder gehen sie komplett leer aus. Obwohl einige Kritiker nach der beeindruckenden Vizemeisterschaft im Vorjahr einen Knick erwarteten, wird Tottenham sich erneut für die Champions League qualifizieren und dabei Größen wie den FC Arsenal und den FC Chelsea hinter sich lassen. Alleine das ist in der hart umkämpften Premier League, insbesondere mit verhältnismäßig limitierten finanziellen Ressourcen, sicherlich als Erfolg zu bewerten. Ebenso wie die spielerische und taktische Entwicklung der Mannschaft. Das bringt aber auch den Hunger nach Titeln mit sich und von denen ist in Nordlondon weiterhin keine Spur.

Während eine Meisterschaft oder der Gewinn der Königsklasse natürlich Utopie sind, bietet der traditionsreiche FA Cup eigentlich eine attraktive und machbare Gelegenheit, einen Titel zu gewinnen. Durch das verdiente 1:2 gegen Manchester United, als man trotz starken Auftakts das Spiel noch aus der Hand gab, bleibt aber auch diese Möglichkeit erneut aus. Zum nun insgesamt achten Mal in Folge ist Tottenham im Halbfinale des FA Cup ausgeschieden und allmählich muss sich Pochettino die Frage gefallen lassen, ob die Mannschaft ihr Maximum erreicht hat.

Auf der Pressekonferenz sagte der gereizte Argentinier:

„Das Problem ist, dass die Erwartungen manchmal nicht realistisch sind. Als nächstes setzen wir [im FA Cup] vielleicht Jugendspieler ein und ich bin sicher, es wäre für ihre Erfahrung fanatisch. Dann können wir vielleicht verhindern in solche Situationen zu kommen. Tottenham braucht Zeit, mit mir oder jemand anderem. “ [Guardian]

Ouch! Ist es der Frust über die verpasste Gelegenheit, die Kritiker verstummen zu lassen oder die Ernüchterung, dass die Mannschaft vielleicht wirklich nicht zu mehr in der Lage ist, als „nur“ oben mitzuspielen? So bedrohlich der letzte Satz auch klingt, es war wohl eher eine emotionale Aussage. Der Verdacht liegt nahe, dass der Trainer, der noch bis 2021 unter Vertrag steht, auf personelle Verstärkungen pocht.

Kommen wir zu den „Erwartungen“: Von einer Mannschaft, die letztes Jahr Vizemeister wurde, keinerlei Leistungsträger verlor und in der laufenden Saison in der temporären Heimat „Wembley Stadium“ gegen Real Madrid, Liverpool oder Arsenal gewann, hätte man bei solch einer großen Gelegenheit deutlich mehr erwarten können, auch vom Trainer, denn seine Spieler waren sowohl taktisch als auch mental alles andere als in Bestform.

(Photo by Shaun Botterill/Getty Images)

 

„Zählbare Erfolge“ – Award: José Mourinho

Das enttäuschende Aus im Achtelfinale der Champions League und 16 Punkte Rückstand auf den Stadtrivalen und Meister Manchester City entsprechen wohl nicht den hohen Erwartungen im Old Trafford. Trotzdem, die zählbaren Erfolge unter José Mourinho sind nicht wegzudiskutieren.

Wie schon im Vorjahr, als man lediglich Sechster wurde, aber dennoch die Europa League und den Ligapokal gewann, bietet sich für Manchester United 2017/2018 in Form des FA Cups erneut eine Gelegenheit, durch einen Titel die Saison erfolgreich zu gestalten.

Grund dafür ist – wie so oft in dieser Saison – keine spielerische Glanzleistung, sondern erneut taktische Disziplin, Kampfgeist, mentale Stärke und eiskalte Effizienz. Im Halbfinale machten diese Tugenden den Unterschied. Die Red Devils überstanden die Startoffensive der Spurs, konnten von Glück und defensivem Geschick reden, nur 0:1 in Rückstand zu gehen. Anschließend bewies das Team Charakter, meldete sich zurück und schlug in Person von Alexis Sanchez (24′) und Ander Herrera (60′) eiskalt zu. Tottenham geriet von der Spur und gab sich letztendlich geschlagen.

In seinen fast zwei Jahren bei Manchester United hat José Mourinho wahrlich keine Bäume ausgerissen. Europa League und Ligapokal in Jahr eins, gefolgt von der Vizemeisterschaft und FA Cup in Jahr zwei, wären jedoch zählbare Erfolge, die dem Portugiesen Recht geben.

(Photo by Catherine Ivill/Getty Images)

 

„Schlechter Verlierer“ – Award: Jürgen Klopp

Bei acht Punkten Vorsprung auf Platz fünf und dem Champions League Halbfinale gegen AS Rom im Hinterkopf, hatte das Spiel gegen West Bromwich für den FC Liverpool keine große Relevanz. Jürgen Klopp schonte folglich einige Stammkräfte wie Roberto Firmino und Dreiviertel der Viererkette.

Trotzdem gingen die Reds bereits nach vier Minuten durch Danny Ings in Führung. Für den Dauerpechvogel war es nach zwei schweren Knieverletzungen das erste Premier League Tor seit Oktober 2015. Nach dem 2:0 durch Mohamed Salah, sein 31. Saisontreffer, schien eigentlich alles klar zu sein. Doch die Baggies kämpften sich gegen die wackelige Liverpool-Defensive dank zwei Tore nach Standardsituationen (79′; 88′) innerhalb von neun Minuten zurück in die Partie. Ein unnötiger Punkt für das Schlusslicht, wie ein sichtlich angefressener Jürgen Klopp nach dem betonte:

„Ich glaube nicht, dass West Brom dieser Punkt bedeutend helfen wird. Es ist eine Verschwendung von Punkten, sie brauchen ihn nicht, wir schon. Sie sind jetzt glücklich, wir nicht. Wir bleiben in der Liga, sie nicht. Es ist eine komische Situation“ [BBC]

Der deutsche Trainer, der sich übrigens auch noch über den trockenen Platz aufregte, schien primär wegen der Schiedsrichterleistung frustriert gewesen zu sein. Seinem Team wurde ein Elfmeter verweigert und WBA-Verteidiger Ahmed Hegazi hätte nach einer Tätlichkeit vom Platz fliegen müssen.

Natürlich war die Schiedsrichterleistung schwach, der Platz nicht gerade in einem idealen Zustand und Liverpool die bessere Mannschaft. Natürlich hätte man den Sieg verdient und natürlich sind die Baggies bei acht Punkten Rückstand auf das rettende Ufer wohl abgestiegen. Die Art und Weise, wie die Reds gegen Gegner wieder einluden und zwei Tore kassierten war allerdings ebenso „unnötig“ wie der Punktgewinn für West Brom. Angesichts der tabellarischen Lage beider Teams wirkte Klopp mit seinen Kommentaren gegen den Fast-Absteiger eher wie ein schlechter Verlierer.

Wer weiß, vielleicht war das auch seine Intention, um vor dem wichtigen Spiel gegen die Roma seine Mannschaft aus der Schusslinie zu nehmen…

(Photo CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images)

 

„Mr. Wembley“ – Award: Olivier Giroud

Im zweiten Halbfinale des FA Cups traf der FC Chelsea auf den FC Southampton. Während dies für die Gäste eine nette Ablenkung zum Abstiegskampf bot, liefert der Pokal den Blues die Möglichkeit, eine enttäuschende Saison mit einem Titel zu beenden.

Lange hielten die tapfer kämpfenden Saints dagegen und verteidigten mit Mann und Maus, ehe dem FC Chelsea in der 46. Minute dank Mr. Wembley der Durchbruch gelang. Olivier Giroud erhielt im Sechzehner des Gegners ein cleveres Zuspiel des stark aufspielenden Eden Hazard, behielt die Nerven, ließ auf engstem Raum zwei Mann aussteigen und netzte zur 1:0 Führung ein. Ein sehenswerter Treffer und der Grundstein für den 2:0 Sieg, übrigens der zehnte für Giroud bei ebenso vielen Auftritten im Wembley Stadium.

Eine Serie, auf die der FC Chelsea auch im Finale gegen Manchester United am 19. Mai setzen wird…

(Photo by Dan Istitene/Getty Images)

 

„Kostprobe“ – Award: Manchester City

Das überraschend deutliche Aus in der Champions League und die verpasste Gelegenheit, ausgerechnet gegen Stadtrivale Manchester United die Meisterschaft zu feiern, ließen in den vergangenen Wochen etwas vergessen, wie sehr Manchester City 2017/2018 die Premier League dominierte.

Beim überzeugenden 5:0 über Swansea lieferte uns die Mannschaft von Pep Guardiola noch einmal eine Kostprobe dieser Dominanz. Gegen überforderte Gäste aus Wales gab es ab der ersten Minute keinen Zweifel daran, dass die Cityzens als Sieger vom Platz gehen würde. Noch imposanter als die fünf Tore durch David Silva, Raheem Sterling, Kevin De Bruyne (Traumtor), Bernado Silva und Gabriel Jesus war allerdings die Art und Weise, wie der Meister den Abstiegskandidaten über den Platz scheuchte. Alleine in der ersten Halbzeit spielte Manchester City 542 Pässe – beinahe zehn Mal so viel wie Swansea (58) – ein Premier League Rekord.

Der 29. Saisonsieg war eine Kostprobe der puren Dominanz, die Manchester City in dieser Saison auf die Liga ausübte. Dies könnte in den kommenden Wochen auch noch statistisch festgehalten werden, denn der Ligaprimus kann bei 90 Punkten und 98 Toren in den verbleibenden vier Spielen noch die entsprechenden Premier League Rekorde des FC Chelsea knacken (95 & 103).

(Photo by Catherine Ivill/Getty Images)

 

„Generalprobe“ – Award: FC Arsenal

Ganz so einfach verkrafteten die Spieler des FC Arsenal die Verkündung ihres Trainers, den Verein nach fast 22 Jahren zu verlassen, dann doch nicht. Die Gunners kamen ohne den erkrankten Mesut Özil gegen West Ham United nur schwer in die Partie.

In der zweiten Halbzeit legte das Heimteam den Schalter um. Nacho Monreal brachte die Hausherren nach 51. Minuten völlig verdient in Führung. Selbst der sehenswerte Ausgleich durch Marko Arnautovic brachte die Nordlondoner nicht aus der Fassung. Aaron Ramseys verunglückte Flanke landete im Tor, ehe Alexandre Lacazette per Doppelpack die Entscheidung herbeiführte.

Das Spiel gegen die Hammers hatte bei elf Punkten Rückstand auf Platz vier sportlich eigentlich keine Relevanz. Neben der emotionalen Bedeutung für Arsene Wenger, erfüllte die Partie allerdings seinen Zweck als „Generalprobe“. Am Donnerstag steht das Halbfinal-Hinspiel in der Europa League gegen Atlético Madrid an. Hier möchte man sich mit neu gewonnenem Selbstbewusstsein doch noch für die Champions League qualifizieren und das Trainerurgestein durch einen letzten Titel gemeinsam mit dem bisher so gespaltenen Fan-Lager mit Würde verabschieden.

(Photo MARCO BERTORELLO/AFP/Getty Images)

 

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ – Award: Stoke City

Stoke Trainer Paul Lambert machte vor der Begegnung gegen Burnley keinen Hehl aus der Wichtigkeit der Partie: „Wir brauchen alle drei Punkte, um weiter hoffen zu können“.

Letztendlich war es nur einer! Die Potters liefert erneut eine anständig Leistung ab, gingen nach elf Minuten durch Top-Neuzugang Ndiaye verdient in Führung. Einmal mehr ließ Stoke allerdings die letzte Konsequenz vermissen und verpasste trotz guter Gelegenheiten die Vorentscheidung. So kam es wie es kommen musste, die Clarets erzielten in der 62. Minute den Ausgleich. Trotzdem sollte Stoke nach auffällig glücklosen Wochen die Hoffnung nicht komplett aufgeben.

Ja die Potters haben vier Punkte Rückstand auf das rettende Ufer und bereits ein Spiel mehr absolviert als die Konkurrenz. Doch nach der schweren Aufgabe gegen Liverpool folgen gleich zwei „Sechspunkte-Spiele“ gegen Crystal Palace und Swansea. Es riecht stark nach Abstieg, doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt…

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

 

 

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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